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Mutmaßliche Schwarzgeld-Millionen Prüfer finden tausend illegitime Konten bei Vatikanbank

Der Papst will aufräumen lassen in der skandalumwitterten Vatikanbank. Jetzt fördern Prüfer die ersten Details zutage: Nach Informationen des SPIEGEL horteten Privatkunden mehr als 300 Millionen Euro bei dem Institut, obwohl sie dort gar kein Konto unterhalten durften.
Carabinieri vor dem Vatikan: 300 Millionen Euro auf dem Konto der Bank

Carabinieri vor dem Vatikan: 300 Millionen Euro auf dem Konto der Bank

Foto: JOHANNES EISELE/ AFP

Rom - Keine drei Monate ist es her, dass Papst Franziskus "Ehrlichkeit und Transparenz" von der Vatikanbank einforderte. Interne Prüfungen fördern nun Details über die Geschäftsmethoden des skandalumwitterten Instituts zutage. Sie zeigen, dass es mit ebenjener Ehrlichkeit bei dem päpstlichen Bankhaus offenbar lange nicht weit her war.

Nach Informationen des SPIEGEL unterhielten mehr als tausend Menschen jahrelang Konten bei dem Institut, obwohl ihnen dies nach den Regeln der Bank nicht erlaubt war. Auf diesen Konten befanden sich bis Sommer 2013 insgesamt mehr als 300 Millionen Euro. Vatikanbank-Insider gehen davon aus, dass es sich dabei "zum allergrößten Teil" um Schwarzgeld handelt.

Hintergrund ist, dass das Istituto per le Opere di Religione (IOR), wie die Vatikanbank offiziell heißt, laut Satzung nur einem ganz kleinen Kundenkreis offensteht: katholischen Geistlichen, Angestellten und Pensionären des Vatikans und seiner Institutionen, katholischen Organisationen und wohltätigen Stiftungen. Die nun entdeckten Kontoinhaber gehören keiner dieser Kategorien an: Es handelt sich um Privatleute.

Vatikan hält sich bedeckt, wie ein Offshore-Paradies

Als Kontoinhaber bei der Vatikanbank profitierten diese Personen über Jahre von mehreren Besonderheiten im Vatikan: Zum einen gibt es dort keinerlei Steuern, die sie auf ihr Vermögen oder ihre Zinseinkünfte hätten abführen müssen. Zum anderen ist Geldwäsche im Vatikan überhaupt erst seit dem Jahr 2011 verboten. Bis zuletzt gab sich die Vatikanbank zudem äußerst schmallippig, wenn weltliche Strafverfolgungsbehörden um Auskunft baten - ganz im Stil eines Offshore-Paradieses wie den Cayman Islands.

Damit soll nun Schluss sein: Der Anfang des Jahres berufene neue IOR-Chef Ernst von Freyberg hat dem Institut einen radikalen Reformprozess verordnet. Dazu gehört nach eigenen Angaben auch eine "Null-Toleranz-Politik im Hinblick auf Verstöße gegen jegliche Gesetze, Regeln und Regularien".

Vatikanbank-Hauptquartier in Rom: Skandale am laufenden Band

Vatikanbank-Hauptquartier in Rom: Skandale am laufenden Band

Foto: GABRIEL BOUYS/ dpa

Umfangreiche interne Prüfungen fanden demnach bereits durch eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und eine internationale Anwaltskanzlei statt. Aktuell durchkämmen etwa 20 Experten des US-Beratungsunternehmens Promontory Group alle rund 30.000 Konten auf der Suche nach Unregelmäßigkeiten. Besonders im Fokus der Prüfer stehen Bewegungen, die auf Geldwäsche hindeuten könnten.

Erhängt unter einer Londoner Brücke

Grund für die Aufräumaktion sind die Skandale, die die Vatikanbank seit Jahren produziert und die dem Ansehen der katholischen Kirche schaden. So sollen Gelder der sizilianischen Mafia gewaschen, der italienische Aktienmarkt manipuliert und illegale Transaktionen in Milliardenhöhe durchgeführt worden sein. Eine zentrale Rolle spielte die Vatikanbank auch 1982 beim Zusammenbruch der Mailänder Banco Ambrosiano, dem bis dahin größten Banken-Crash in der Geschichte Italiens. Deren Präsident Roberto Calvi wurde kurz darauf erhängt unter einer Londoner Brücke gefunden - ermordet, wie sich herausstellte.

In den neunziger Jahren wuschen italienische Wirtschaftsmagnaten Millionen an Schmiergeld für Politiker über den Ableger der katholischen Kirche. Dabei spielten auch immer wieder die Konten von Laien bei der Vatikanbank eine Rolle.

Auch Ettore Gotti Tedeschi, der 2012 von den Kirchenoberen rüde entlassene Vorgänger von Freyberg, nahm diese Konten bereits als Risiko wahr. Zwei Monate vor seinem Rauswurf übermittelte er seiner Sekretärin ein vertrauliches Dossier: Für den Fall, dass ihm etwas zustoße, sollte sie das Dokument an vier ausgesuchte Personen weiterleiten. In dem Dossier schreibt Gotti Tedeschi, leitende Angestellte der Vatikanbank hätten ihm gesagt, er werde "als derjenige in die Geschichte eingehen, der das IOR zerstört hat". Kunden, die laut Satzung kein Konto bei der Vatikanbank unterhalten dürften, könnten "einer der Gründe für die Schwierigkeiten sein, denen wir ausgesetzt sind".

Die neue Bankführung um Freyberg nimmt sich des Problems nun grundlegend an: Sie kündigte den illegitimen Laienkunden die Konten. Die Damen und Herren müssen sich nun eine andere Bleibe für ihr Geld suchen. Was künfitg aus der Bank werden soll, ist aber offenbar noch unklar. Im Juli sagte Papst Franziskus, er wisse es selbst noch nicht. "Manche sagen, es ist besser, dass sie eine Bank ist, manche sagen, sie solle ein Hilfsfonds werden, andere sagen, sie sollte geschlossen werden", skizzierte der Pontifex seine Optionen.

Die aktuell laufenden Aufräumarbeiten sollen bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Gut möglich, dass in ihrem Zuge noch weitere Unregelmäßigkeiten auftauchen.

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