Nach Niederlage um CDU-Vorsitz: Merz will Ministerposten, Kanzlerin winkt ab

Armin Laschet ist neuer CDU-Chef ++ Verlierer Merz will Wirtschaftsminister werden, aber Kanzlerin will Regierung nicht umbilden ++ Spahn machte Wahlwerbung in der Fragerunde, holt sich dann Klatsche bei Wahl zum CDU-Vize ++

Armin Laschet (l.) setzte sich in der Stichwahl gegen Friedrich Merz durch

Armin Laschet (l.) setzte sich in der Stichwahl gegen Friedrich Merz durch

Foto: Getty Images
Von: Philip Fabian und Oliver Urban

Der Schicksalstag bei der CDU brachte eine Entscheidung: Der neue Parteichef heißt Armin Laschet!

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wählte eine Partei heute ihren neuen Chef bei einem digitalen Parteitag im Internet. Die Kandidaten waren dabei in Berlin.

In der Stichwahl standen zur Auswahl: Armin Laschet (59, NRW-Ministerpräsident) und Friedrich Merz (65, Ex-Unionsfraktionschef im Bundestag).

Durchgesetzt hat sich LASCHET mit 521 zu 466 Stimmen.

Laschet bedankte sich für die Wahl und bat um die Rückendeckung auch derer, die nicht für ihn gestimmt haben. Die Entscheidung muss noch formal per Briefwahl am 22. Januar bestätigt werden.

Kein Wirtschaftsminister-Posten für Merz!

Bitter für Merz: Die Wahlniederlage bleibt nicht die einzige Schlappe.

Nach der verlorenen Wahl bot Merz sich als Wirtschaftsminister im Bundeskabinett an. Doch auch daraus wird nichts!

„Die Bundeskanzlerin plant keine Regierungsumbildung“, sagte ein Regierungssprecher am Samstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Somit bleibt Merkels Vertrauter Peter Altmaier (62, CDU) weiter im Sattel.

Zuvor hatte Merz bereits einen Posten im CDU-Präsidium abgelehnt. Seine Begründung: „Die CDU kann nicht nur von Männern aus Nordrhein-Westfalen geführt werden. In das Präsidium wären bei meiner Bewerbung noch weniger Frauen gewählt worden. Ich habe mich deshalb entschlossen, zugunsten der Frauen auf eine Kandidatur zu verzichten.“

Der andere Wahlverlierer des Abends, Norbert Röttgen, wird den Schritt ins CDU-Präsidium dagegen tun.

Spahn macht Laschet-Werbung in der Fragerunde

Für Aufregung und Empörung beim Parteitag sorgte Gesundheitsminister Jens Spahn (40): Eine vorgesehene Fragerunde der Delegierten nutzte er dazu, für seinen Team-Partner Armin Laschet zu werben.

Danach folgte für Spahn eine Wahl-Klatsche: Er wurde zwar als einer von fünf CDU-Vizechefs gewählt – aber nur mit einem mageren Ergebnis.

War das fair?Spahn macht Laschet-Werbung

Quelle: BILD

Nach der ersten ersten Runde hatte noch Merz geführt, aber nur leicht: Er bekam 385 Stimmen, Laschet 380 und Röttgen 224. Von den 1001 stimmberechtigten Delegierten gaben 992 ihre Stimme ab. Röttgen war damit raus, die beiden anderen Kandidaten gingen in die Stichwahl, die Laschet gewann.

Die Kandidaten sind physisch vor Ort auf dem Berliner Messegelände – alle durften die Halle nur frisch getestet betreten, für alle Helfer und Mitarbeiter des Parteitags wurden sechs Teststationen eingerichtet.

Erste Reaktionen auf den Laschet-Sieg

► Glückwünsche von ganz oben: Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) beglückwünscht den neuen CDU-Chef Laschet samt Tippfehler im Tweet der CDU Deutschland: „Ich freue (mich) auf unsere Zusammenarbeit“

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► Friedrich Merz zeigte sich unmittelbar nach dem Ergebnis als fairer Verlierer:

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► Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (62, SPD) freut sich über die Wahl Laschets zum neuen CDU-Vorsitzenden und auf die Zusammenarbeit in der Großen Koalition.

FDP-Chef Lindner ledert gegen MerkelSchärfe gibt es NUR bei Einschränkung der Freiheit

Quelle: BILD

Scholz, der auch SPD-Kanzlerkandidat ist, sagte BILD am SONNTAG: „Erstmal einen ganz herzlichen Glückwunsch an Armin Laschet zur Wahl zum neuen CDU-Vorsitzenden. Ich wünsche ihm ein glückliches Händchen für diese Aufgabe. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, insbesondere im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Es ist gut, dass die Führungsfrage innerhalb der CDU nun erstmal geklärt ist. Glück auf!“

► Bayerns Landeschef und CSU-Vorsitzender Markus Söder (54) – Laschets Konkurrent um die Kanzlerkandidatur der Union – gratulierte ebenfalls, und zwar kurz bevor Laschet seine Siegesrede halten sollte.

Söder: „Wir hatten schon die Gelegenheit, gegenseitige Buchvorstellungen zu machen, insofern glaube ich, kennen wir einander besser, als es die meisten denken.” Es sei jetzt wichtig, dass sich die neu aufgestellte CDU komplett geschlossen zeigt.

Mit Blick auf die Bundestagswahl sagte er: „Die Mehrzahl der Menschen in Deutschland kümmert sich noch nicht so sehr darum, was im September stattfindet, wenn die Frage noch zu klären ist: Wie stehen die Infektionszahlen?”

► FDP-Chef Christian Lindner (42) macht sich nach der Wahl Laschets Hoffnung auf ein schwarz-gelbes Bündnis nach der Bundestagswahl.

Lindner zu BILD am SONNTAG: „Mit Armin Laschet hat der erfolgreiche Ministerpräsident einer schwarz-gelben Koalition gewonnen. Die FDP erlebt jeden Tag, dass er ein fairer Partner ist. Deshalb war mit Armin Laschet 2017 im größten Bundesland möglich, was im Bund mit Frau Merkel nicht möglich war. Sein Parteivorsitz verändert deshalb die Ausgangslage in diesem Wahljahr erheblich.“

In der BILD-Sondersendung meldet sich der ehemalige Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin (66) zu Wort: „Das ist die Wiederholung des Hamburger Parteitags.“ Die CDU habe schon einmal erlebt, dass Vorsitz und Kanzlerschaft nicht in einer Hand lagen. Das habe nicht geklappt. Insofern stehe die Partei bis zur Klärung der K-Frage „vor unruhigen Zeiten“.

Trittin unterstrich jedoch, dass die CDU nicht mit einer Doppelspitze leben könne. „Das hat sie in der Dualität AKK und Merkel erlebt.“

Bundesaußenminister Heiko Maas (54, SPD) ruft den neuen CDU-Vorsitzenden Laschet derweil zur Sacharbeit auf.

Maas zu BILD am SONNTAG: „Gratulation an Armin Laschet. Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit zwischen dem neuen Parteivorsitzenden und der Bundeskanzlerin unkompliziert verläuft und da keine Konkurrenz entsteht.“

Gleichzeitig warnt der Außenminister vor einem verfrühtem Wahlkampf: „Für Wahlkampf ist es zu früh. Wir werden in der Koalition noch viele Monate verlässlich zusammenarbeiten müssen, vor allem um die Coronakrise zu bewältigen. Das erwarten die Menschen von uns und dafür tragen wir Verantwortung.“

► Tilman Kuban (33), Bundesvorsitzender der Jungen Union, und der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Carsten Linnemann (43), fordern einen Spitzenposten für Friedrich Merz in der künftigen CDU-Führung. Kuban und Linnemann zu BILD:

„Wir würden uns freuen, wenn Friedrich Merz in der neuen Führungsmannschaft von Armin Laschet eine wichtige Rolle spielt. Es wäre ein starkes Zeichen, um geschlossen in das Superwahljahr zu gehen, wenn Friedrich Merz jetzt für das Präsidium kandidiert. Die Union braucht seine Erfahrung und seine Kompetenz.“

Jens Spahn auf ParteitagDarum habe ich Armin Laschet unterstützt

Quelle: BILD

► Schleswig-Holsteins Landes-Chef Daniel Günther (CDU) zeigte sich im „Phoenix“-Interview von der Bewerbungsrede Laschets sehr beeinduckt: „Das war wirklich die Rede seines Lebens, er hat genau den Ton getroffen“, sagte er.

Das sind die neuen Stellvertreter

Auf dem Parteitag wurden zudem die fünf Stellvertreter gewählt, die dem frischgebackenen Parteichef künftig zur Seite stehen:

  • 806 Stimmen: Volker Bouffier (69), Ministerpräsident aus Hessen
  • 777 Stimmen: Silvia Breher (47), Bundestagsabgeordnete aus Niedersachsen
  • 787 Stimmen: Julia Klöckner (48), Landwirtschaftsministerin
  • 589 Stimmen: Jens Spahn (40), Gesundheitsminister
  • 670 Stimmen: Thomas Strobl (60), baden-württembergischer Innenminister

► Abgegeben wurden 965 Stimmen, die Grenze von 483 Stimmen markierte die erforderliche Mehrheit

Sophia Thomalla ist CDU-MitgliedDas ist ihr Favorit

Quelle: BILD

Laschet warb für starke CDU der Mitte

Bei den Bewerbungsgsreden sprach Armin Laschet als Erstes die Unruhen in den USA an. Mit dem Mob-Sturm auf das Kapitol sei Vertrauen zerbrochen, weil US-Präsident Trump „Gift in die amerikanische Seele geträufelt habe“. Ein ähnliches Szenario sei aber auch in Deutschland nicht auszuschließen, siehe die Reichskriegsflaggen bei den Demos gegen die Corona-Maßnahmen und den Nazi-Mord an den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Symbol des Vertrauen: Laschet zeigte die Erkennungsmarke seines Vaters. Damit haben sich Bergbauer unter Tage erkannt und wussten: „Wir können uns aufeinander verlassen“

Symbol des Vertrauen: Laschet zeigte die Bergmannsmarke seines Vaters Heinz Laschet. Damit haben sich Bergbauer unter Tage erkannt und wussten: „Wir können uns aufeinander verlassen“

Foto: AFP

„Wir werden nur gewinnen, wenn wir in der Mitte der Gesellschaft stark bleiben“, sagte er. Ein Modernisierungsjahrzehnt werde es mit Rot-Rot-Grün nämlich nicht geben.

Implizite Botschaft Laschets: Bloß keinen Rechtsruck riskieren. „Wir müssen Klartext reden, aber nicht polarisieren“, sagt er – die nächste Spitze gegen Merz.

Laschet: „Wir müssen gewinnen, nicht weil wir gewinnen wollen, sondern weil wir müssen für unser Land, für unsere Zukunft.“

Laschet nannte seinen Gegner nicht – aber seine Rede war gespickt mit Sticheleien gegen Friedrich Merz.

Er selbst wolle „kein CEO“ sein sondern „ein Mannschaftskapitän, der führt, der zusammenführt“. Und: „Ich bin vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung, aber ich bin Armin Laschet.“

Kleiner Show-Effekt zum Schluss: Laschet zeigte die Bergbauer-Erkennungsmarke seines Vaters– ein Symbol des Vertrauens, den man unter Tage braucht.

„Wem vertrauen? Das entscheiden heute Sie“, sagte Laschet zum Abschluss.

Merz: Grüne sind Gegner (aber man kann mit ihnen koalieren)

Merz' implizite Botschaft: Ich stehe für etwas – anders als die beliebig anpassbare „CDU der Mitte“.

Maß und Mitte halten – klar sei das wichtig in der Politik. Aber wie macht man das? Die Antwort darauf gebe es nicht im Seminar, sondern man müsse mit Leidenschaft für seine Ideen streiten.

Mit den Grünen koalieren – gerne. Mit der AfD nicht, sagte Merz

Mit den Grünen koalieren – gerne. Mit der AfD nicht, sagte Merz

Foto: AP

Merz: „Die Sozialliberalen und die Grünen sind unsere Gegner“: Keine Feinde, betonte er. Aber Gegner, mit denen man streiten müsse.

Aber: Volker Bouffier, Landeschef in Hessen, sei der Beweis, dass eine schwarz-grüne Koalition klappen kann. Aber nur, wenn man dabei eigene Standpunkte „einbringt“ bzw. durchsetzt. Schließlich habe Bouffier früher den Spitznamen „schwarzer Sheriff“ getragen, sei also genuin konservativ.

Absage dagegen an eine Zusammenarbeit mit der AfD: „In keinem Landtag, in keinem Bundestag und auch nicht im Europäischen Parlament“. Merz weiter: „Eine Stimme für die AfD ist eine halbe Stimme für rot-rot-grün.“ Was letztes Jahr in Thüringen passiert war, werde sich mit ihm als CDU-Chef nicht wiederholen.

Hat er ein Frauenproblem, wie ihm oft unterstellt wird? Merz: „Dann hätten mir meine Töchter schon längst die gelbe Karte gezeigt.“

Röttgen sprach von Wirtschaft und dem Mittelstand

Norbert Röttgen zeichnete das Bild einer moderneren Partei: „Wir müssen weiblicher werden, wir müssen jünger werden. Und digital, wie dieser Parteitag.“

Er sagte weniger als seine Vorredner darüber, wofür er steht: „Ich bin kein Lager. Ich möchte integrieren, ich kann integrieren, Ich will die gesamte Partei repräsentieren.“

Der Außenseiter Norbert Röttgen: „Ja, meine Kandidatur hat viele überrascht, aber ich habe auch für Wettbewerb gesorgt“

Der Außenseiter Norbert Röttgen: „Ja, meine Kandidatur hat viele überrascht, aber ich habe auch für Wettbewerb gesorgt“

Foto: dpa

Einen Akzent setzte seine Rede auf die Wirtschaft: „Wir werden nur dann Gehör finden mit unseren Positionen, wenn die Wirtschaft wieder läuft. Darum müssen wir jetzt schon für nach Corona planen.“ Insbesondere dem Rückgrat des deutschen Wohlstands, den mittelständischen Unternehmen.

Liste: Parteivorsitzende der CDU seit 1950 – Infografik

Konkrete Beispiele: „Die Hilfen müssen jetzt fließen“, oder „absolute Priorität hat die Digitalisierung der Bildung“. Oder – mit Blick auf die SPD: Wer in der jetzigen Situation eine Reichensteuer fordere, der „habe nichts verstanden vom Mittelstand und von der Situation, in der die jetzt sind“. Aber auch: „Wir dürfen keine Schulden machen, die die nächsten Generationen erdrücken“.

Was heute NICHT entschieden wird

Eine Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der Union für die Bundestagswahl im Herbst wird an diesem Wochenende nicht gefällt. Es wird erwartet, dass sich die Spitzen von CDU und CSU erst im Frühjahr auf einen Kandidaten verständigen.

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