Die Hochzeitstorte wird doch nicht angeschnitten: Lesben- und Schwulenpaare mit Auslandsbezug stehen bei der Ehe für alle vor Hürden.

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Wien – Seit Anfang Jänner gilt in Österreich die Ehe für alle – aber wirklich alle umfasst sie nicht.

Zwar haben sich in Wien laut einem Sprecher des zuständigen Stadtrats Peter Hanke (SPÖ) in den ersten drei Wochen 2019 bereits 15 gleichgeschlechtliche Paare das Jawort gegeben – und 52 Lesben- oder Schwulenpaare einen Termin für die Eheschließung vereinbart. Doch ein Happy End gebe es für sie nur, wenn beide Partner Österreicher sind – oder wenn ein Österreicher einen Ausländer heiratet, der aus einem Land kommt, in dem es ebenfalls die Ehe für alle gibt.

So wie im Heimatland

Verwehrt der Heimatstaat des Nichtösterreichers Homosexuellen hingegen den Bund fürs Leben, so tun es ihm hierzulande die meisten Standesämter gleich, in Wien ebenso wie in anderen Städten und Gemeinden: heiraten verboten.

Die Grundlage für diese restriktive Entscheidung stammt aus dem Innenministerium. Am 2. Jänner schickte man dort per Mail eine Mitteilung an alle Landesregierungen und die zuständigen Wiener Magistrate aus. Verbiete ein Herkunftsstaat die Ehe für alle, so gelte das auch hier, heißt es darin. Betroffene Paare dürften aber eine eingetragene Partnerschaft eingehen.

Zu früh geehelicht

Doch nicht nur binationale Lebensgemeinschaften, auch Männer- oder Frauenpaare, die bereits vor 2019 in einem anderen Land die Ehe für alle eingegangen sind, schauen durch die Finger. Ihre Ehe wird von den österreichischen Behörden nicht als Ehe akzeptiert.

Das hat bemerkenswerte Folgen, etwa für ein portugiesisch-österreichisches Männerpaar, das sich beim STANDARD meldete. Die beiden heirateten 2015 in Portugal und wollten sich das nun in Wien bestätigen lassen. Beim Standesamt in Wien scheiterten sie mit diesem Wunsch. Um auch in Österreich als Eheleute zu gelten, sollen sie nun ein zweites Mal heiraten.

Anruf vom Innenministerium

Die Rechtsmeinung, dass vor 2019 im Ausland geschlossene Ehen nicht anerkannt werden, erreichte die Stadt Wien telefonisch, sagt der Hanke-Sprecher. Zwar handle es sich sowohl bei der schriftlichen Mitteilung zu den Binationalen als auch bei Telefonauskunft zu den Auslandsehen nicht um die vom Ministerium "bis März" angekündigten Durchführungsbestimmungen zur Ehe für alle.

"Als verbindlich anzunehmen" seien sie aber trotzdem. Das habe das Ministerium auf Nachfrage der Stadt mehrmals betont – und stadteigene Juristen hätten es bestätigt.

Graupner in Harnisch

Das bringt den Wiener Anwalt Helmut Graupner in Harnisch: "Verbindlich ist an diesen Mitteilungen gar nichts. Weder das Telefonat noch das Schreiben sind eine Weisung oder ein Erlass", sagt er. Tatsächlich handelt es sich etwa bei dem Schreiben um einen "Nachtrag" zu einer Mitteilung, in der das Ministerium Ende Dezember 2018 den Standesämtern – wörtlich – "empfohlen" hat, heiratswillige eingetragene Partner vor der Verehelichung nicht zu einer Scheidung zu zwingen.

Wegen der neuen Eheverweigerungen werde seine Kanzlei derzeit von Anfragen "geradezu überschwemmt", sagt Graupner. Die in Wien geübte Zurückhaltung sei aber besonders ärgerlich: "Noch im Dezember hat die Stadt angekündigt, dass sie eigene Wege gehen werde."

Im Dezember noch anders

Ein Blick auf eine "Hintergrundinformation" zur Ehe für alle vom 20. Dezember 2018 lässt diesen Schluss durchaus zu: "Wien wird eine im Ausland geschlossene Ehe auch als Ehe anerkennen", binationalen Lesben- und Schwulenpaaren werde man eine Heirat dann gestatten, wenn sie "in Österreich leben", steht darin. Der jetzigen Wiener Praxis widerspricht das. Den von Ablehnung betroffenen Paaren werde ein Bescheid ausgestellt, sagt der Hanke-Sprecher: "So können sie den Rechtsweg beschreiten." (Irene Brickner, 24.1.2019)