Nach ihrer Abschiebung aus der Türkei sind zwei deutsche Frauen auf dem Frankfurter Flughafen gelandet. Sie seien am Freitagabend gegen 21.34 Uhr mit einer türkischen Linienmaschine angekommen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Sie seien einer Einreisekontrolle unterzogen worden. Das weitere Vorgehen liege in den Händen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern.
Aus Sicherheitskreisen hieß es, Beamte des Bundeskriminalamtes seien an Bord gewesen. In einem Medienbericht der privaten türkischen Nachrichtenagentur DHA war am Freitagabend von „ausländischen Terroristenkämpfern“ mit deutscher Staatsbürgerschaft die Rede, die nach Frankfurt abgeschoben worden seien. Eine Bestätigung aus dem Innenministerium in Ankara lag zunächst nicht vor.
Eine von ihnen ist nach dpa-Informationen eine 1998 geborene Frau, der es gelungen war, aus dem von Kurden bewachten Gefangenenlager Al-Hol in Syrien zu fliehen, in dem sich viele Frauen mit Bezug zum Islamischen Staat (IS) aufhielten. Sie saß den Angaben zufolge zuletzt in der türkischen Stadt Gaziantep in Abschiebungsgewahrsam. Außerdem sollte eine gebürtige Hannoveranerin ins Flugzeug gesetzt werden. Sie soll sich aus dem inzwischen aufgelösten syrischen Gefangenenlager Ain Issa in Richtung Türkei abgesetzt haben.
Bereits am Donnerstag war eine siebenköpfige mutmaßliche Islamisten-Familie – offenbar ohne IS-Bezug – nach Deutschland überführt worden. Der Vater wurde festgenommen Er sei „aufgrund eines bestehenden Haftbefehls der Justiz übergeben“ worden, teilte der Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Martin Pallgen, am Freitag auf Anfrage mit. Es bestanden deutsche Haftbefehle unter anderem wegen des Verdachts des Betruges, wie ein Senatssprecher in Berlin mitteilte.
Kontakte zum berüchtigten Prediger Abu Walaa
Nach dpa-Informationen hatte der älteste Sohn der Familie in Hildesheim früher Kontakt zu dem inzwischen verbotenen „Deutschen Islamkreis“ um den Hassprediger Abu Walaa. Der ebenfalls aus dem Irak stammende Prediger steht zusammen mit vier weiteren mutmaßlichen Islamisten in Celle vor Gericht. Sie sollen Jugendliche als Kämpfer für den IS rekrutiert haben. Die am Donnerstag abgeschobene Familie, die aus den Eltern, zwei Söhnen, zwei Töchtern und einem Enkelkind besteht, befindet sich laut Pallgen nicht mehr in Berlin. Zu ihrem neuen Aufenthaltsort machte er keine Angaben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte, die deutschen Behörden würden gewährleisten, dass von Islamisten und mutmaßlichen IS-Anhängern, die die Türkei abschiebt, keine Gefahr ausgeht. Diese Menschen würden im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern einer Sicherheitsbewertung unterzogen, sagte Merkel in Berlin. „Dementsprechend wird dann natürlich sichergestellt, dass von diesen Personen keine Gefahr ausgeht.“
Die Hildesheimer Familie war Ende Januar von Deutschland in die Türkei gereist und nach zwei Monaten in der Stadt Samsun festgenommen worden. In türkischer Abschiebehaft wurde eines der Kinder geboren. Den Grund für die Inhaftierung haben die türkischen Behörden nicht mitgeteilt.
Nicht jeder, der ins Herrschaftsgebiet des IS gereist ist, kann in Deutschland auch strafrechtlich verfolgt werden. Bei den Männern war die Sache bisher oft relativ klar: Rückkehrer wurden von der Bundesanwaltschaft verhaftet und angeklagt, weil sie in Syrien oder im Irak als Kämpfer in Gefechte gezogen waren, Gegner erschossen, Gefangene misshandelt oder sich an Hinrichtungen beteiligt hatten.
Bei den Frauen ist es schwieriger. Strafbar ist die Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) setzt diese „eine gewisse formale Eingliederung“ voraus. Dafür braucht es keine Beitrittserklärung wie einen Treueeid. Der oder die Verdächtige muss aber eine Stellung einnehmen, „die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht“. Die Abgrenzung im Einzelfall kann schwierig sein.
Ankara bereitet auch Abschiebung in die USA vor
Ankara bereitet zudem die Abschiebung eines amerikanischen mutmaßlichen IS-Anhängers in die USA vor. Eigentlich sollte er auf eigenen Wunsch nach Griechenland als Drittland abgeschoben werden, sei aber dort nicht angenommen worden, teilte das türkische Innenministerium mit. Die USA hätten nun zugesichert, Reisepapiere auszustellen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich am Mittwoch mit US-Präsident Donald Trump in Washington getroffen.
Die Türkei war am 9. Oktober in Nordsyrien einmarschiert und geht dort gegen die Kurdenmiliz YPG vor, die sie als Terrororganisation betrachtet. Dabei wurden nach offiziellen Angaben 287 IS-Anhänger festgenommen, darunter Frauen und Kinder. Nach Angaben Erdogans sitzen mehr als 1000 Anhänger des IS in türkischen Gefängnissen, darunter 737 ausländische Staatsbürger.
Erdogan hatte am Dienstag damit gedroht, vermehrt IS-Anhänger nach Europa abzuschieben. Nach WELT-Informationen liegt bundesweit aktuell eine Vielzahl von Fällen vor Gericht, in denen verhandelt wird, ob Deutschland zur Rücknahme verpflichtet ist. In Sicherheitskreisen geht man davon aus, dass sich in den Gefangenenlagern in Syrien und im Nordirak derzeit bis zu 250 Kinder mit Deutschland-Bezug aufhalten.