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Wirtschaft Peinliche Bilanz

Bundesregierung predigt das E-Auto, aber kauft Diesel und Benziner

Ressort Politik
In Sachen Autokauf ist die Bundesregierung kein Vorbild

Die Bürger werden aufgefordert, Elektrofahrzeuge oder Hybrid-Autos zu kaufen - die Bundesregierung hält sich aber nicht an diesen Vorschlag. Stattdessen ist der Anteil der elektrischen Dienstwagen verschwindend gering.

Quelle: WELT / Sebastian Struwe

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Die Regierung wirbt für eine Verkehrswende. Ihre Ministerien und Behörden aber haben im laufenden Jahr 8386 Pkw mit konventionellem Motor angeschafft. Demgegenüber stehen nur 253 E-Autos. Einige Ministerien fallen besonders negativ auf.
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Die Bundesregierung predigt die Verkehrswende – und stellt Hunderte Millionen Euro für einen Umweltbonus bereit, der den Menschen im Land Batteriefahrzeuge schmackhaft machen soll. Nur in den Bundesministerien selbst und vor allem den nachgeordneten Behörden hält man wenig von den Stromern.

Nach einer Aufstellung des Bundesinnenministeriums, die WELT vorliegt, wurden in den Geschäftsbereichen der Ministerien bis zum Stichtag 30. November 2018 insgesamt 8386 Pkw mit Verbrennungsmotor gekauft oder geleast. Die Zahl der angeschafften Elektroautos, einschließlich der Hybride, lag in den ersten elf Monaten bei nur 253 Pkw.

Die Antwort des Ministeriums geht auf eine Anfrage von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt zurück. Die wollte das Verhältnis von Benzinern/Dieseln und E-Fahrzeugen bei den 2018 angeschafften Neuwagen in den Bundesbehörden wissen. Die Bundesregierung legte daraufhin die Zahlen für das Kanzleramt, der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) und sämtlicher Ministerien vor, mit Ausnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, weil das keine nachgeordneten Geschäftsbereiche hat.

Quelle: Infografik WELT

Das Fazit: Die Ministerien, die mit Abstand die meisten Neuwagen anschaffen, sind die für Verteidigung und für Finanzen – und das sind auch die beiden Ministerien mit dem geringsten Anteil an neuen Elektroautos in der Behördenflotte im Jahr 2018. In den Geschäftsbereichen des Bundesverteidigungsministeriums wurden in den ersten elf Monaten 6475 Neuwagen angeschafft, 112 davon waren E-Fahrzeuge oder Hybride. Beim Bundesfinanzministerium waren es 999 Benziner beziehungsweise Diesel und nur sechs Stromer.

Dabei gibt es eine interne Richtlinie, die in allen Details regelt, welche Autos die Bundesregierung zum Dienstgebrauch anschaffen darf. Die „Verfahrenshinweise für die Aufstellung des Bundeshaushalts“ erstellt das Bundesfinanzministerium – und das hält sich selbst mit am wenigsten an die dort gemachten Vorgaben. Denn laut diesen müssen möglichst umweltfreundliche Dienstwagen angeschafft werden.

Zehn Prozent der Neufahrzeuge sollen E-Autos sein

In einem Anhang der Richtlinie heißt es: „Für die Bundesverwaltung sind schadstoffarme Kraftfahrzeuge mit möglichst geringem Treibstoffverbrauch sowie einer überdurchschnittlich guten CO2-Effizienzklasse ... zu beschaffen.“ Außerdem seien „die Fahrzeugflotten der Bundesressorts als ein geeignetes Einsatzfeld für Elektrofahrzeuge identifiziert“ worden.

„Daher sollen die Bundesressorts mit ihren nachgeordneten Bereichen die Einführung von Elektrofahrzeugen am Markt mit entsprechenden Beschaffungsmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung begleiten“, so die dienstlichen Vorgaben. Angestrebter Zielwert für 2017 war die Beschaffung von zehn Prozent der Neufahrzeuge, die weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen.

Auf diesen Wert kommen nur Elektroautos oder Kleinstwagen. Im vergangenen Jahr lag der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen in Deutschland bei 127,9 Gramm pro Kilometer. Wie die Auflistung des Innenministeriums aber zeigt, kommt das Ministerium selbst sowie die für Finanzen und Verteidigung, also dort, wo die mit Abstand meisten Neuwagen angeschafft werden, nicht auf die Quote von zehn Prozent besonders sauberer Fahrzeuge.

Auch Angela Merkels Bundeskanzleramt und die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien, Monika Grütters, sind keine Vorbilder. In ihren Geschäftsbereichen wurde 2018 kein einziges E-Auto oder Hybridfahrzeug angeschafft.

Bundesumweltministerium sticht positiv hervor

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Positiv stechen hingegen – wenig überraschend – das Bundesumweltministerium hervor, das mehr Elektroautos als Modelle mit Verbrennungsmotor bestellt hat. Außerdem das Wirtschaftsministerium, in dem auf 25 Benziner und Diesel immerhin 17 Stromer kamen oder Andreas Scheuers (CSU) Verkehrsministerium mit einem Verhältnis von 140 konventionellen Modellen gegenüber 34 Pkw mit Elektroantrieb.

Vorbildlich in Sachen saubere Mobilität ist auch das Auswärtige Amt. Es schaffte in diesem Jahr drei Autos mit Verbrennungsmotor an und zwei E-Fahrzeuge. Für zwei weitere Stromer wurden bereits Leasingverträge abgeschlossen, die Autos sollen noch vor dem Jahreswechsel ausgeliefert werden.

Mehr Elektroautos neu zugelassen, doch weniger als geplant

Die E-Mobilität kommt voran in Deutschland. Es wurden 45.000 Autos von Januar bis August neu zugelassen. Doch die Bundesregierung hat ihr selbstgestecktes Ziel verfehlt.

Quelle: WELT/ Sebastian Plantholt

Dennoch: Insgesamt ist der Anteil von E-Autos in den Ministerien beziehungsweise den Bundesbehörden mager. „Vor mehr als zwei Jahren hat die Bundesregierung 100 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, um verstärkt Elektroautos anzuschaffen. Von dem Geld sind bisher nur zwei bis drei Prozent abgeflossen“, sagt Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag gegenüber WELT.

„Das ist beschämend, gerade wenn man die großspurigen Ankündigungen der Bundesregierung betrachtet.“ Zudem würden in der Kategorie Elektroautos auch Hybridautos mitgezählt. Reine Elektrofahrzeuge dürften so kaum angeschafft worden sein, sagt Krischer. „Bisher sind alle Maßnahmen bei der Förderung der Elektromobilität gefloppt. Jetzt kommt noch das eigene Beschaffungs-Versagen hinzu. Der Rest der Republik soll elektrisch fahren, selber bleibt man beim Altbekannten.“

Ministerien wehren sich

Die Ministerien wollen den Vorwurf so nicht stehen lassen. Für viele der in den Bundesbehörden benötigten Zwecke würden derzeit schlicht noch keine E-Autos angeboten. Sprich: Die Automobilindustrie könne gar nicht liefern.

Das Finanzministerium verweist darauf, dass in der Anfrage nicht die Anschaffungen für die Ministerien selbst, sondern für die Geschäftsbereiche abgefragt wurden. Die Grünen hatten sich darauf konzentriert, weil dort die meisten Autos benötigt werden.

„Zu den nachgeordneten Behörden des Bundesministeriums der Finanzen gehört insbesondere die Zollverwaltung. Als Behörde mit Sicherheitsaufgaben verwendet die Zollverwaltung überwiegend sogenannte Sonderfahrzeuge, in diesem Fall Fahrzeuge mit einsatzspezifischer Zusatzausstattung“, sagte eine Sprecherin. „Eine Verwendung von Elektrofahrzeugen als Einsatzwagen ist aktuell leider noch nicht möglich.“

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Ähnlich argumentiert das Bundesverkehrsministerium. In den Geschäftsbereich des Ministeriums würden unter anderem Behörden wie die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) fallen, die auch für den Betrieb und die Wartung der Schleusen zuständig ist.

Dafür würden – auch bei den Pkw – Fahrzeuge benötigt, die derzeit nicht mit Elektroantrieb erhältlich seien. Betrachte man nur das Ministerium an sich, gebe es dort 37 Dienstwagen, wovon derzeit 30 einen Elektroantrieb hätten. Im kommenden Jahr sollen alle dienstlich genutzten Fahrzeuge auch einen E-Motor haben.

Beim Verteidigungsministerium heißt es, Elektroautos würden sich nur für eine geringe Anzahl von Personen und geringe Lasten eigenen und damit den Anforderungen der Bundeswehr nicht genügen, wie eine Sprecherin sagte.

Zudem sei die Reichweite der E-Fahrzeuge nicht ausreichend. Eine große Zahl an Standorten „erfordert es jedoch, dass die überwiegende Anzahl der Fahrzeuge der Bundeswehr deutschlandweit auch lange Strecken zurücklegt. Dies kann aktuell nur durch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sichergestellt werden“, so die Sprecherin.

Bestellungen nur über das „Kaufhaus des Bundes“

Darüber hinaus haben die Ministerien bei der Anschaffung von Dienstwagen nicht die freie Auswahl, sondern dürfen laut Richtlinie nur bestellen, was „im Online-Katalog des „Kaufhaus des Bundes (KdB)“ vorkonfiguriert zum Abruf zur Verfügung gestellt“ wird. Das KdB ist eine elektronische Einkaufsplattform für Behörden und Einrichtungen des Bundes.

Eigentlich dürfte die Beschaffung daher kein Problem darstellen. Grünen-Fraktionsvize Krischer kritisiert: „Wenn es wirklich Beschaffungshürden für die Verwaltung bei E-Autos gibt, wäre das peinlich. Es würde aber ins Bild passen, da es kein wirkliches Interesse an der Förderung der Elektromobilität gibt.“

Anzahl der von Bundesbehörden 2018 angeschafften Autos:

1. Bundesverteidigungsministerium: 6475 Pkw mit Verbrennungsmotor, 112 E-Autos

2. Bundesfinanzministerium: 999, 6

3. Bundesinnenministerium: 583, 16

4. Bundesverkehrsministerium: 140, 34

5. Bundesfamilienministerium: 43, 14

6. Bundeswirtschaftsministerium: 25, 17

7. Bundeslandwirtschaftsministerium: 27, 10

8. Bundeskanzleramt: 34, 0

9. Bundesumweltministerium: 6, 21

10. Bundesgesundheitsministerium: 14, 8

11. Bundesjustizministerium: 13, 4

12. Staatsministerium für Kultur: 17, 0

13. Bundesentwicklungsministerium: 2, 6

14. Auswärtiges Amt: 3, 4

15. Bundesarbeitsministerium: 5, 1

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