100 Jahre Notstandsküche
Thurn und Taxis feiert – Arm und Reich, alle sind gleich – gerührt!

12.05.2019 | Stand 13.09.2023, 3:13 Uhr
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100 Jahre Notstandsküche ist Chefsache – Ministerpräsident Markus Söder kam auf Einladung von Fürst Albert von Thurn und Taxis und seiner Mutter Gloria ins Schloss St. Emmeram. Ob arm und reich, mächtig und bescheiden: Beim Gesang der Knirpse vom Kindergarten St. Emmeram waren alle gleichermaßen gerührt.

REGENSBURG „Herzliche Grüße von Prince Charles“ überbrachte Ministerpräsident Markus Söder für Fürstin Gloria und Fürst Albert von Thurn und Taxis. „Während sich Prince Charles sehr stark um Ökologie kümmert, kümmern sich das Haus Thurn und Taxis sehr stark um Soziales und den Glauben.“ Prince Charles und seine Gattin Camilla Donnerstag besuchten Bayern am Donnerstag, am Samstagvormittag war Söder Ehrengast des Hauses Thurn und Taxis. Der Grund: Man beging das 100. Jubiläum der 1919 gegründeten Notstandsküche.

Es waren lobende Worte, die der Ministerpräsident im wunderschönen barocken Refektorium von Schloss St. Emmeram sprach. Der Anlass ist ein ganz besonderer: Die einzige durchgehend betriebene Notstandsküche ist hier, dort, wo Söder am Samstag beim Festakt spricht, speisen sonst bis zu 300 Regensburgerinnen und Regensburger, die „nicht auf der Sonnenseite des Lebens“ stehen, wie Söder ganz richtig befand.

Großer Bahnhof für das Jubiläum, das war dem Haus Thurn und Taxis wichtig: Neben Fürst Albert und Fürstin Gloria nahm auch Alberts Schwester Prinzessin Elisabeth an dem Festakt teil. Die Modejournalistin nahm neben Sozialministerin Kerstin Schreyer und der CSU-Politikerin Astrid Freudenstein im Chorgestühl der prächtigen Basilika von St. Emmeram Platz. Auch Finanzminister Albert Füracker nahm in St. Emmeram Platz, wie viele Regensburgerinnen und Regensburger, die dem Fürstenhaus eng verbunden sind. Mit einem würdevollen Dankgottesdienst würdigte das Fürstenhaus am Samstag dieses Jubiläum, bedankte sich bei den Köchen und Küchenmitarbeitern, feierte mit den Gästen und gedachte vor allem auch dem Gründer, Fürst Albert I., der Urgroßvater des heutigen Fürsten.

Fürst Albert II. lebt eher zurückgezogen, meidet das Scheinwerferlicht der Medien. Doch an diesem Samstag hält er eine Rede und bringt es auf den Punkt: „Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war Regensburg wie das ganze Land und ganz Europa von schrecklicher Not gekennzeichnet“, sagte Fürst Albert. Seine Urgroßmutter, Erzherzogin Margarete, war vier Jahre lang als Krankenschwester im Regensburger Ostheim tätig, hatte die Verheerung des Kontinents an den Gesichtern der jungen Männer ablesen können, die hier behandelt wurden. Als ihr Mann 1919 die Notstandsküche gründete, hatte er gerade zwei Drittel seines Besitzes verloren, weil das Habsburger- und das deutsche Kaiserreich untergegangen war. „Und da setzte er noch eins drauf, indem er etwas für die Ärmsten tat“, erinnerte auch Prälat Wilhelm Imkamp an diese bemerkenswerte Geste der Nächstenliebe. Imkamps Predigt beschäftigt sich auch damit, dass man heutzutage neudeutsch „Quality Time“ in Beziehungen investiere, also gemeinsame Zeit, die man nutzt, statt sie zu verplempern.

„Gehen Sie zwei Minuten hier rein“, forderte er die Gäste der Notstandsküche auf, „und verbringen Sie in der Kirche Quality Time“. Einen Seitenhieb auf liberale Kirchenkreise konnte er sich nicht verkneifen, als er auf das Evangelium Bezug nahm und die zweifelnden Jünger, die an Jesu Botschaft Zweifel hegten. Ja sogar ein Verräter sei ja darunter gewesen. „Heute sind das eher 3.000 statt einer“, sagte Imkamp und nannte jene, die „ihr Kreuz abnehmen.“ Damit kann er eigentlich nur Kardinal Reinhard Marx aus München gemeint haben, der sein Kreuz vor dem Gang auf den Tempelberg in Jerusalem abgenommen hatte.

Doch der Tag des Jubiläums war keiner der Kirchenpolitik. Vielmehr sollte er zeigen, wie wichtig das Fürstenhaus nach wie vor für Regensburg ist. Peter Styra ist Historiker und als Leiter der Fürstlichen Hofbibliothek ein echter Kenner der fürstlichen Geschichte. „Wir haben es ausgerechnet: In den letzten 100 Jahren wurden acht Millionen Essen serviert“, so Styra. Diese beeindruckende Zahl garniert Styra mit einem Buch, das er an die Gäste verteilt: „100 Jahre fürstliche Notstandsküche“ mit Texten verschiedener Autoren und wunderbaren Bildern aus Vergangenheit und Gegenwart der Notstandsküche zeigt auf, welche Rolle das Adelshaus in den letzten 100 Jahren in Regensburg einnahm.

Das Oberhaupt des Adelshauses heißt wie der Gründer der Notstandsküche: Albert von Thurn und Taxis. In seinem Pass steht offiziell Prinz, doch der Titel Fürst wird traditionell vom erstgeborenen direkten Nachkommen des Vorgängers getragen. Albert ist reifer geworden, auch wenn er die Bürde noch nicht gänzlich trägt, die Verantwortung für das Haus vor Ort zu übernehmen. Seine Mutter Fürstin Gloria leitet noch die Geschäfte, ist öfter vor Ort als ihr Sohn, sieht nach dem Rechten. Und dennoch erleben die Gäste des Jubiläums einen würdevollen Auftritt und eine geschliffene Rede, die den Fürsten menschlich, aber auch standesgemäß wirken lässt.

„Hier können sie ihre Sorgen vergessen“

„Hier können die Menschen die Sorgen und Nöte, die sie mitbringen, vergessen“, sagte Fürst Albert in seiner Ansprache nicht ohne Stolz. Ganz besonders bedankte sich der Adelige bei den Mitarbeitern und den Hilfswerken wie der Caritas, die den Ablauf der Notstandsküche mit den 200 Drei-Gänge-Menüs jeden Werktag für Bedürftige organisieren. Fürst Albert brachte einen Herzenswunsch für dieses Jubiläum so auf den Punkt: „Mögen uns die sozialen Errungenschaften unserer Vorfahren erhalten bleiben, damit wir immer ein Auge und eine offene Hand für diejenigen haben, die es schwerer haben als wir“, sagte Fürst Albert. Vor dem anschließenden gemeinsamen Essen im festlichen Kreuzgang des Schlosses reüssierten die Knirpse vom Kindergarten St. Emmeram, die wie die Gäste der Notstandsküche ihr Essen von Helmut Seitz und seinem Team bekommen. Die Kleinen im Alter zwischen drei und sechs Jahren sangen dem Ministerpräsidenten, den Gästen und Fürstin Gloria und ihrem Sohn Albert ein Ständchen zum 100. Geburtstag der Notstandsküche. Ob Armer oder Reicher, ob Mächtiger oder einfacher Bürger: Das rührte wirklich alle Gäste.

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