Syrien-Talk: Putin-Versteherin zickt Anne Will an

Von: Von KATRIN MÜLLER
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Die auf der Münchner Sicherheitskonferenz beschlossene Waffenruhe soll am kommenden Freitag beginnen. Doch weiterhin sprechen die Waffen. In der Provinz Aleppo wird gekämpft und bombardiert. Die syrischen Regierungstruppen setzten mit der Unterstützung Russlands ihre Offensive im Norden des Landes fort.

Das Thema bei „Anne Will“ am Sonntagabend: „Bomben und Elend in Syrien – Lässt sich der Krieg stoppen?“

In Aleppo spitzt sich die humanitäre Lage immer mehr zu und zehntausende Syrer sitzen an der Grenze zur Türkei fest. In München wurde vereinbart, dass die humanitäre Hilfe beschleunigt und die Genfer Friedensverhandlungen zwischen dem Assad-Regime und der Opposition wieder aufgenommen werden sollen. Trotzdem dürfen terroristische Organisationen weiter bekämpft werden. Kann der Krieg so überhaupt gestoppt werden? Und welche Interessen verfolgt Russland? Über diese Fragen diskutierte Anne Will mit ihren Gästen.

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► Die GästeMartin Schulz (60, SPD) – Der Präsident des Europäischen Parlamentes kritisiert Russland für dessen Luftschläge in Syrien.

Harald Kujat (73) – Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr war eine zeitlang auch Vorsitzender des Nato-Militärausschusses.

Kurt Pelda (50) - Der schweizer Kriegsreporter war vor Kurzem erst in Aleppo.

Gabriele Krone-Schmalz (66) - Sie ist promovierte Historikerin und war Moskau-Korrespondentin und Moderatorin der ARD.

Marwan Khoury (48) – Der Gründer der „Barada Syrienhilfe e.V.“ beschreibt ergreifend, wie groß die Verzweiflung der Menschen in den belagerten Gebieten ist.

Der „Syrien-Talk“-Talk im Zoff-O-Meter

Déjà-vu

Hatten wir das nicht kürzlich erst? Das Thema bei Anne Will: „Bomben und Elend in Syrien – Lässt sich der Krieg stoppen?“ deckte sich fast mit der Frage ihrer ZDF-Kollegin, Maybrit Illner, vom vergangenen Donnerstag, die da lautete: „Schlachtfeld Syrien – wer stoppt Krieg und Flucht?“

Gut möglich, dass Anne Will sich nach der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende eine aufschlussreichere Diskussion in Bezug auf eine Lösung des Syrien-Konflikts erhofft hatte.

Anne Wills schwierigster Gast

Wie nicht anders zu erwarten, verteidigte die ehemalige ARD-Russland-Korrespondention Gabriele Krone-Schmalz die Machenschaften des Kreml in Syrien:. „Es waren ja nicht die Russen, die in Syrien zuerst gebombt haben.“ Seit die Russen angefangen hätten zu bomben, würden zivile Opfer gezählt, vorher seien es Kollateralschäden gewesen, erklärte sie zynisch.

Krone-Schmalz warnte vor einer Moralisierung der Debatte. Das wäre ja auch einfach, wo man hier doch im Warmen sitze. Anne Will hakt nach: „Moralisiert die Kanzlerin?“ Krone-Schmalz weicht aus und reagiert gereizt, als Anne Will die Frage erneut stellt. „Was wollen sie mit dieser Frage erreichen?“, giftete die Russland-Expertin.

Sie kenne ja auch „Fragestellungen-Technik“ und sehe, dass die Sendung ja auch einen gewissen Unterhaltungswert habe. „Mir ist schon klar, dass wir morgen mehr Aufmerksamkeit in der Presse haben werden, wenn wir hier Zoff machen“, erklärte Krone-Schmalz wissend. Das „Zoff-O-Meter“ trieb sie dann unfreiwillig in die Höhe.

Der Schweizer Kriegsreporter, Kurt Pelda, der erst kürzlich in Aleppo war, kritisierte die Schwäche Europas und der USA und forderte den Westen eindringlich auf, sich stärker in Syrien zu engagieren. Krone-Schmalz schnauzte Pelda an: „Sie haben gesagt, wir müssen etwas tun. Was denn bitte?“ Dazu müssten erst einmal eine ganze Reihe anderer Fragen geklärt werden.

Als Anne Will ihre frühere ARD-Kollegin fragt, welche das denn seien, erwiderte Krone-Schmalz schnippisch: „Ich bin nicht hier, um Fragen zu stellen.“ „Dann antworten Sie doch“, konterte Will. „Ja Moment!“, rief die Journalistin, „erstmal die Frage!“ Eine Pause entstand. EU-Parlamentspräsident Schulz belustigt: „Na los!“

Krone-Schmalz fetzt sich mit Schulz

Die Journalistin warnte davor, die Russen zu verteufeln und erklärte, dass man sie ja nicht mögen müsse und auch nicht alles, was sie machten. Doch Russland solle als Partner ernst genommen werden. SPD-Politiker Schulz: „Ich mag sie (die Russen) übrigens nicht besonders. Es ist auch schwer, sie zu mögen.“

Er nannte Russlands Außenminister Lawrow einen „Pokerspieler“, dem man nur schwer ein Lächeln entlocken könne. Krone-Schmalz: „Machen Sie doch jetzt nicht so eine Nummer draus!“ Ihrer Meinung nach würde der Westen Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion nur noch als „Konkursmasse“ sehen und das räche sich jetzt.

Der EU-Parlamentspräsident wies auf Russlands Absichten hin, einen Keil zwischen die westlichen Partner zu treiben und auf fragwürdige Verbündete Moskaus wie die Rechtsextremen in Frankreich: „Der Front National bekommt im eigenen Land keine Kredite, die bekommt er aus Russland“, mahnte Schulz. Dazu passt, dass die rechtsextreme Partei zu den schärfsten Kritikern der EU-Sanktionen gegen Russland zählt.

Schluss mit der „Märchenstunde“!

Ex-General Kujat ist überzeugt: „Ohne die Russen wird es keinen Frieden geben.“ Kujat verteidigte die militärische Vorgehensweise des Kreml in Syrien als „sinnvoll“. Russland habe Aleppo eingekreist, um die Al-Nusra-Front aufzubrechen: „Sie wollen die Terroristen von der Versorgung aus der Türkei abschneiden.“

Mit dem Vorstoß Richtung Rakka wolle Russland dann in diesen „Korridor“ vordringen, um ISIS einzukreisen. Kriegsreporter Pelda: „Wir sollten das nicht in eine Märchenstunde ausarten lassen, sondern die Fakten anschauen.“ Man bekämpfe die Rebellen und die Al-Nusra-Front, aber nicht ISIS, sagte Pelda.

Die Russen und Assad bräuchten ISIS, um ihren brutalen Säuberungskrieg zu rechtfertigen – und zwar die Säuberung von sunnitischen Arabern. Die Warnung des Kriegsreporters: „Wenn wir Putin nicht an der türkisch-syrischen Grenze stoppen, dann werden wir ihn in ein paar Jahren an der Grenze zu Osteuropa stoppen.“

Steile These

„Die Russen haben mit ihrem militärischen Eingeifen den Friedensprozess erst ermöglicht“, erklärte Ex-General Kujat. Bis fast Ende 2015 habe im Syrien-Konflikt Stillstand geherrscht. EU-Parlamentspräsident Schulz konterte: „Man muss einer Kriegspartei nicht dankbar sein, dass sie Kriegspartei ist.“

Man müsse niemandem, der seine Luftwaffe in Gang bringe, dankbar sein, wenn er Opfer in der Zivilbevölkerung in Kauf nehme. Wie Schulz sagte, gebe er Kujat aber insofern Recht, als dass die USA und die EU keine einheitliche Strategie hätten und Russland dieses Vakuum ausfülle.

Schockierendster Moment des Abends

Marwan Khoury, Gründer einer syrischen Hilfsorganisation, sagte mit bitterer Ironie: „Die Menschen sehnen sich nach der Bombardierung von Assad, weil die Russen das ja offenbar viel besser können.“ Anne Will fragte bestürzt: „Was? Sie sehnen sich nach den Bomben von Assad?“ Khoury nickte traurig.

Wenig einfühlsam leitete Will dann aber zu den „Tagesthemen“ über, die schon wartetn. Man sehe, wie groß die Verzweiflung bei Herrn Khoury sei, sagte Will.

Kleiderordnung?

Zum Ernst des Themas vielleicht ein bisschen unpassend: Anne Will moderierte in Jeans und kanariengelbem Blazer. Direkt neben ihr saß die frühere ARD-Russland-Korrespondention Gabriele Krone-Schmalz in einem ähnlich farbenfrohen roten Blazer.

► Zitat des Abends

Marwan Khoury warf der internationalen Gemeinschaft Versagen vor und kritisierte scharf, dass die versprochenen Hilfslieferungen einfach nicht durchgelassen würden – unter anderem von Russland!

„Die Laster der Uno stehen vor den belagerten Gebieten. Die brauchen nur so zu machen (Khoury schnippt mit dem Finger) und die kommen rein!“

Damit machte er einmal mehr die Verzweiflung der Menschen im Kriegsgebiet und ihr Unverständnis für das politische Gezerre deutlich.

Das war ein Talk der Kategorie:

• Kontrovers, aber auch sehr komplex für das knappe Zeitfenster und emotional aufgeheizt!

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