Papst-Frühmesse als Quotenrenner in CoV-Krise

Es war als Notlösung gedacht und begann ganz bescheiden, doch mittlerweile ist die live übertragene tägliche Frühmesse des Papstes ein Quotenhit, wie Kathpress berichtete.

Der Gottesdienst wird nun sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen. Das sorgt aber auch für Kritik. Seit Anfang März sind öffentliche Gottesdienste in Italien und im Vatikan wegen der Corona-Pandemie untersagt. Um die Gläubigen in dieser schwierigen Zeit weiter zu erreichen, begann die Kirche die täglichen Frühmessen des Papstes in der vatikanischen Residenz Santa Marta live über katholische Internet- und TV-Kanäle übertragen.

Weil die Routine-Zeremonie um sieben Uhr in der Früh für gewöhnlich kaum im Fokus der Medien stand, war der Zuspruch zunächst mager. Laut Schätzungen des Webportals Vatican News schalteten in den ersten Tagen etwas mehr als 200.000 Menschen ein.

Papst Franziskus in seiner Frühmesse in der CoV-Krise

Screenshot Vatican News

Papst Franziskus in seiner Frühmesse während der CoV-Krise

Die Vatikan-Website bietet seuchenschutzkonforme Übertragungen der päpstlichen Morgenmessen in verschiedenen Sprachen an. Auch beim Sender TV2000, der von der Italienischen Bischofskonferenz betrieben wird, blieben Quotenrekorde zunächst aus - trotz Ausgangssperren und Gottesdienstverboten.

Gebete mit Volksnähe

Doch steigende Todeszahlen sowie immer striktere Schutzmaßnahmen der Regierung in Rom ließen das Interesse an den tröstenden Worten des Kirchenoberhaupts schnell wachsen. Franziskus nutzte die Chance. Einmal mehr bewies er Volksnähe und nahm die Sorgen von Millionen Menschen in seinen Gebetsintentionen auf. Er würdigte den aufopferungsvollen Einsatz von Pflegern, Ärzten, Politikern und Seelsorgern. Vor allem den unter den Einschränkungen leidenden Familien sprach er immer wieder Mut zu.

Das Ergebnis werten Fachleute als „mediale Sensation“: Entgegen den gesellschaftlichen Säkularisierungstendenzen entwickelte sich die schlichte Papst-Frühmesse zu einem Quotenrenner. Zu verdanken ist das nicht zuletzt dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender Rai 1, der sie Ende März ins Programm aufnahm. Man wolle so dem Bedürfnis vieler Menschen nach Trost entsprechen, begründete Direktor Stefano Coletta die Entscheidung.

30 Prozent Marktanteil

Die Zuschauerinnen und Zuschauer gaben ihm recht. Im Vergleich zum vorherigen Morgenprogramm konnte Rai 1 seine Marktanteile dank des Papstes deutlich steigern. Zuletzt verfolgten regelmäßig fast 1,5 Millionen Menschen die Übertragung der Gottesdienste aus Santa Marta über das staatliche Fernsehen. Hinzu kommen die bis zu 750.000 Zuschauer bei TV2000. Insgesamt entspricht das einem Fernseh-Marktanteil von mehr als 30 Prozent.

Paolo Rodari, Chef von TV2000, sieht in den Einschaltquoten ein Indiz für einen „spirituellen Notstand“. Eine Umfrage bestätigt diesen Eindruck: Demnach haben die Corona-Auswirkungen die religiösen Bedürfnisse und Praktiken der Italiener spürbar verstärkt. Daten des Marktforschungsunternehmens Ipsos zufolge gaben 16 Prozent an, in dieser Zeit mehr zu beten als sonst. Ein Viertel der Befragten verspürt ein gestiegenes spirituelles Bedürfnis.

Ritual für Hunderttausende

Der Morgengottesdienst von Franziskus wurde so binnen kürzester Zeit zu einem festen Ritual für Hunderttausende. Das beeindruckt selbst kirchenferne Medienmacher wie den TV-Produzenten Stefano Balassone. Er schrieb in einem Gastbeitrag für die Zeitung „La Repubblica“ über das Phänomen.

Für ihn tue sich bei der knapp halbstündigen Übertragung der Messe eine neue Welt auf: schlichtes Ambiente, einfache intime Gesten und eine gekonnte Reflexion der Bibelworte. Franziskus spreche eine „kultivierte und zugleich populäre Sprache“, die nichts gemein habe mit der anbiedernden Populärsprache so vieler Fernsehleute, lobte Balassone.

Atheisten gegen Ausstrahlung

Freilich gibt es auch kritische Stimmen. Die italienische Union der Atheisten und rationalistischen Agnostiker (UAAR) wandte sich entschieden gegen die Ausstrahlung der Papst-Frühmessen auf RAI 1. Es sei schlimm genug, dass man als Kind in der Schule dem katholischen Religionsunterricht ausgesetzt sei, so der Sprecher Roberto Grendene. „Zumindest als Erwachsene wollen wir dieser Konditionierung entkommen.“

Wie es mit den Papst-Frühmessen weitergeht, wenn ab 18. Mai wieder öffentliche Gottesdienste in Italien zugelassen sind, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden.

religion.ORF.at/APA/KAP

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