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PAPST Gemeine Attacke

Ungewohnt gereizt reagierte der Papst auf die Behauptung, er sei homosexuell.
aus DER SPIEGEL 16/1976

Fromme Eiferer in Rom sahen rot. Die »neue gemeine Attacke auf Seine Heiligkeit«, wußte eines ihrer Flugblätter, sei Teil des »internationalen marxistischen Planes zur Verfolgung der Kirche«.

Dabei kam der Angriff, den sie meinten, keineswegs von links: Der Franzose Roger Peyrefitte, notorischer Skandal-Autor und Päderast, der den Montini-Papst in einem provozierenden Zeitschriften-Artikel der Homosexualität bezichtigt hatte, ist vielmehr schroffer Antikommunist. Obendrein nennt er sich »katholischer Integralist«.

Der Ex-Diplomat und Erfolgsautor ("Die Schlüssel von Sankt Peter") hatte sein Elaborat zunächst im Pariser Herren-Magazin »Lui« veröffentlicht. Titel: »Excès homo. Der Papst der Homosexualität antwortet dem Papst der Kirche.«

Tatsächlich ist der Text teils ein eitles Selbstporträt Peyrefittes, teils eine wütende Antwort auf jenes vatikanische Dokument zur Sexual-Ethik, das unter anderem auch die Mann-Mann-Liebe verdammt hatte. Mit dieser Erklärung, höhnte der Autor, mache sich die Kirche wie der »senile Papst« völlig lächerlich. Peyrefitte weiter:

In meinem jüngsten Such »Tableaux de Chasse« habe ich, mit allem Respekt, der einem Papst, zumal einem lebenden, gebohrt, schon gesagt, daß er homosexuell sei ... Man weiß ja, daß Paul VI. einen Filmschauspieler zum Freund hatte, damals, als er noch Erzbischof von Mailand war.

Der »Lui«-Artikel, in dem sich der Pariser Schöngeist auch seiner »homosexuellen Bildung« rühmt, die er einst bei Jesuiten-Patern genossen habe, erregte kein sonderliches Aufsehen. Erst als das römische Wochenblatt »Tempo« den Beitrag abdruckte und dazu noch eine grobschlächtige Papst-Karikatur aufs Titelblatt setzte, kam es zum Eklat.

Italiens Bischöfe verurteilten öffentlich den »Autor von jenseits der Alpen«. der Dreck auf die Person des verehrten Papstes schleudere. Zum Trost und zur Wiedergutmachung für Paul VI., der »das erbauliche Beispiel eines Gott geweihten Lebens« biete, solle in allen Kirchen gebetet werden.

Kurz darauf, am 4. April, sprach der Trostbedürftige selbst über den Fall, klagte er vor 30 000 Gläubigen über die »schrecklichen, verleumderischen Verdächtigungen einer gewissen Presse«.

Solche Anwürfe sind vom Heiligen Stuhl nicht immer so erregt zurückgewiesen worden. So hatte sich etwa Papst Pius XII. weit geschickter und kühler verhalten, als Peyrefitte in »Die Schlüssel von Sankt Peter« auf die Hausmacht der Nonne Pasqualina beim Papst anspielte. Damals schwieg der Pontifex und verbot der Vatikan-Presse jeden Kommentar.

Um so mehr wunderten sich Millionen Katholiken, daß Paul VI. auf Peyrefittes Behauptungen einging und ihnen damit erst Gewicht verlieh.

Das Magazin »Tempo«, sonst kaum beachtet, verkaufte nun 250 000 Exemplare mit dem Papst-Titel. Paul VI. und die Bischöfe, urteilten römische Werbe-Experten, seien »in eine Publicity-Falle gegangen«.

Die neue Peyrefitte-Groteske läuft unterdessen, von der Kirche neu angefacht, weiter. Papstfromme Katholiken zeigten den »Tempo«-Chefredakteur wegen »Schmähung eines ausländischen Staatsoberhauptes« an. Aber auch Paul VI. wurde verklagt; von der Vereinigten Front der Revolutionären Homosexuellen Italiens ("Fuori"). Sie lastet es dem Kirchenchef an, daß katholische Verbände die Homosexuellen verächtlich machten.

Homo-Autor Peyrefitte aber ist stolz darauf, daß es ihm diesmal gelang, eine so ärgerliche Reaktion der Kirche zu provozieren. »Meine Pfeile«, meint er, »trafen ins Ziel.«

Der neue Skandal mit Sankt Peter, so glaubt er, habe für ihn wohl nur einen -- verschmerzbaren -- Nachteil. Peyrefitte: »Mein nächster Capri-Urlaub ist in Gefahr.«

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