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Trumps Reaktion auf Bidens Wahlsieg Verbarrikadiert gegen die Wirklichkeit

Offenbar hatte Trumps engstes Umfeld schon länger erkannt, dass die Wahl verloren ist. Aber niemand mochte dem Chef die Botschaft überbringen.
Weißes Haus

Weißes Haus

Foto: TOM BRENNER / REUTERS

Wie überbringe ich dem Boss unangenehme Wahrheiten? Das ist eine Aufgabe, um die sich Angestellte im Weißen Haus in den vergangenen vier Jahren nicht gerissen haben, denn solche Botschaften bedeuteten oft genug die Kündigung für die Person, die sie überbrachte. Wer also sagt Donald Trump, dass seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl auch durch Klagen gegen die Wahlbehörden nicht verhindert werden kann?

Verschiedene US-Medien berichten übereinstimmend, dass die Gruppe derjenigen im Weißen Haus, welche die Wahl als gelaufen einschätzen, auch schon vor der Bekanntgabe des Biden-Sieges immer größer geworden ist – dass es aber keiner aus der Gruppe wage, den Präsidenten mit dieser Erkenntnis zu verstimmen.

Seit seinem Auftritt am Donnerstag, bei dem er die da noch auszuzählenden Stimmen als illegal bezeichnete und eine Verschwörung von "big media, big money, and big tech" an die Wand malte, ist Trump nicht mehr vor die Kameras getreten. Er macht, was er immer macht, wenn er zürnt, und verschickt Twitter-Botschaften, in denen er seine ganz eigene Version der Wahrheit verkündet.

Selbst Fox News geht auf Distanz

Eine Sache, die ihn in Momenten, wo er wütend war, immer beruhigte, wird er jetzt allerdings nicht mehr tun können – Fox News einschalten. Der ihm zuvor treu ergebene Sender  hatte sich bereits wie andere konservative Unterstützermedien von Trumps antidemokratischer Reaktion auf den sich abzeichnenden Wahlausgang distanziert. Auch Fox hat Biden inzwischen als Wahlsieger benannt. Und davor hatte ausgerechnet schon die populäre Fox-Moderatorin Laura Ingraham, seit 2016 eine seiner glühendsten Anhängerinnen, den Noch-Präsidenten ermahnt, mit Würde und Ruhe aus dem Amt zu scheiden.

Eine Option, die für Trump offenbar nicht in Betracht kommt. Denn wie verschiedene Quellen aus seinem Tross berichten, habe er sich zu keinem Zeitpunkt auf eine sogenannte concession speech vorbereitet, jene Rede, mit der Wahlverlierer den Sieg des Kontrahenten anerkennen.

Wie CNN  mit Berufung auf Informanten im Weißen Haus berichtet, habe Trump in den letzten Tagen und Nächten vor allem aufgebracht langjährige Unterstützer angerufen, damit sie ihm bei seinem Kampf die Treue halten. Angeblich äußerte er dabei auch seinen Unmut darüber, wie schlecht die schon vor der Wahl angekündigte Klagestrategie von seinem Team vorbereitet sei. Wie die "Washington Post"  berichtet, stöhnten Rechtsberater im Umfeld Trumps darüber, dass es sich bei der Kampagne mehr um public relations und politics als um ein konsistentes juristisches Vorgehen handle.

Trotzdem soll Trump laut dem Magazin "Politico"  auf diese Weise eine Reihe wichtiger republikanischer Politiker gewonnen haben, die wiederum ihre eigenen Unterstützer dazu animieren konnten, Trump bei dem bislang wohl auch finanziell schlecht ausgestatteten rechtlichen Feldzug zu unterstützen.

Das verlorene Königreich

Die Stimmung im direkten Umfeld von Trump konnte aber wohl auch das nicht aufhellen. Die "Washington Post" zitiert eine anonyme Quelle aus dem Weißen Haus, die sarkastisch ein Szenario wie aus einem Königsdrama von Shakespeare heraufbeschwört: "Alle wissen, er ist verloren, aber keiner ist Willens, King Lear oder Mad King George zu sagen, dass sie das Königreich verloren haben."

Zu denen, die eigentlich dazu berufen sind, Trump auf das Ende der, um bei Shakespeare zu bleiben, Regentschaft vorzubereiten, zählen seine Vasallen Mark Meadows und Mike Pence. Doch Stabschef Meadows, so will CNN von unzufriedenen Mitgliedern aus dessen Team gehört haben, füttere Trump noch bis vor Kurzem mit weiteren Unwahrheiten über die rechtlichen Möglichkeiten, um ihn bei Laune zu halten. Und auch Vizepräsident Pence halte die Illusion aufrecht, die Niederlage noch juristisch stoppen zu können. Er treibe sogar weiter fleißig Gelder für die Kampagne ein, statt mit Trump über einen geordneten Rückzug aus dem Weißen Haus nachzudenken.

Dabei soll Trump selbst schon im Sommer die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, dass er das Rennen gegen Joe Biden verlieren könne. So berichtet es nun jedenfalls das "New York"-Magazin  unter Berufung auf einen engen Berater des Präsidenten. Noch am Wahltag selbst, so der Informant, habe Trump gewusst, dass die Wahl gelaufen sei. Weil er aber in seinem Frust gegen alle Mitarbeiter und Berater wütete, duckten sich alle weg oder flüsterten ihm Lügen zu.

In der Wahlnacht selbst sei die Lage dann außer Kontrolle geraten. Trump sei explodiert, weil sein ehemaliger Lieblingssender Fox Biden in Arizona vorn sah und weil sein Gegner vor ihm die Gelegenheit ergriff, vor die Kameras zu treten. Als Trump dann in seiner Wut "STOP THE COUNT!" twitterte, mussten ihn seine Leute erst daran erinnern, dass ein Ende der Auszählung seine Niederlage bedeutet hätte, da er zu diesem Zeitpunkt hinter Joe Biden lag. Dann, so der Informant, hätte man sich schließlich auf die Idee geeinigt mit den "legalen" und den "illegalen" Stimmabgaben.

Inzwischen liegen laut CNN alle Hoffnungen auf Jared Kushner und Ivanka Trump. Sie sollen Trump klarmachen, dass er den richtigen Zeitpunkt finden muss, die Wahrheit anzuerkennen. Er würde sich sonst nicht nur jede Rückkehr in die Politik verbauen, sondern auch den Businessaktivitäten der Familie schaden. Vielleicht nicht die schlechteste Überzeugungsstrategie: Wenn Donald Trump die Zeichen der Zeit nicht als Staatsmann zu deuten versteht, dann vielleicht als Geschäftsmann.

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