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Die Einheit der Kirche steht auf dem Spiel

Der Dogmatiker Karl-Heinz Menke sieht im katholisch-orthodoxen Ausschluss der Frau vom Weiheamt den konsequenten Ausdruck der Sakramentalität der Kirche.
Katholikinnen demonstrieren in Rom für Frauenordination
Foto: dpa | Aktivistinnen in Rom fordern die Zulassung von katholischen Frauen zum Weiheamt. Ihre Zahl ist weltweit überschaubar.

Herr Professor Menke, seit den 70er Jahren befasst sich der Vatikan immer wieder mit der Frage, ob Frauen zum sakramentalen Weiheamt zugelassen werden können. Waren Sie überrascht, als Papst Franziskus 2016 eine Kommission ins Leben rief, um das Thema Diakonat der Frau zu erforschen?

Es gibt zahlreiche Studien zur Geschichte des Diakonates der Frau in den ersten Jahrhunderten der Kirche. Kaum ein anderes Thema ist in den vergangenen zwanzig Jahren so gründlich und umfassend bearbeitet worden. Und die Internationale Theologenkommission (ITC) hat nach zehnjähriger Arbeit (1992-2002) ein von dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger approbiertes Dokument zum Diakonat veröffentlicht, das die Frage nach der Möglichkeit eines Diakonates der Frau keineswegs ausklammert. Papst Franziskus ist im Unterschied zu seinem Vorgänger kein umfassend belesener Theologe. Vermutlich hatte er die besagten Arbeiten nicht im Blick, als er im Frühjahr 2016 einer Ordensfrau auf ihre Frage nach der Möglichkeit eines Diakonates der Frau spontan antwortete, er werde ihr Anliegen prüfen lassen. Nach dieser Ankündigung war die Einsetzung einer Sonder-Kommission „Diakonat der Frau“ keine Überraschung. Aber überraschend für alle Beteiligten war der Arbeitsauftrag. Denn wider alles Erwarten wurden wir nicht mit den Fragen konfrontiert, die das ITC-Dokument offen gelassen hatte. Im Gegenteil: Wir sollten uns auf eine kurze Bilanzierung des historischen Befundes beschränken.

Welche Forschungsdesiderate hat das ITC-Dokument aus Ihrer Sicht hinterlassen?

Jeder, der das ITC-Dokument liest, kann erkennen, dass die Kommissionsmitglieder nicht immer einen Konsens erzielen konnten. Eine der offen gebliebenen Fragen hat Papst Benedikt XVI. mit dem 2009 promulgierten „Motu proprio“ „Omnium in mentem“ (Neufassung von CIC can. 1009 § 3) aufgegriffen; die nämlich, ob auch der Diakon teilhat an der Repräsentation des Hauptes (Christus) gegenüber dem Leib (der Kirche). Die Antwort des Papstes lautet: Der Diakon ist Repräsentant des dienenden Christus; die mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteten Bischöfe und Priester repräsentieren darüber hinaus das Haupt gegenüber dem Leib. Schon in der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils wird gesagt, dass Bischöfe und Priester „ad sacerdotium“, Diakone hingegen „ad ministerium“ geweiht werden (LG 29).

Welche Schlüsse ergeben sich daraus?

Einige Kommissionsmitglieder wollten aus dieser Unterscheidung ableiten, dass der Ausschluss der Frau vom Empfang des Ordo-Sakramentes nur zwei Stufen (Episkopat und Presbyterat), nicht aber die dritte Stufe (den Diakonat) betrifft. Deshalb fordern die Schlussbemerkungen des ITC-Dokumentes das römische Lehramt auf, diese Frage mit einer entsprechenden Verlautbarung zu entscheiden. Doch eine solche Verlautbarung erübrigt sich. Denn nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil kann die Zugehörigkeit des Diakonates zum Sakrament des Ordo nicht mehr bestritten werden. An der Sakramentalität der Diakonenweihe lassen die Neufassung des Kirchenrechtes (der CIC von 1983) und der 1992 publizierte „Katechismus der Katholischen Kirche“ (CCC) keinen Zweifel. Es gibt nur ein Sakrament des Ordo, das in drei verschiedenen Gestalten (Bischof, Priester, Diakon) empfangen werden kann. Folglich hat die Frau entweder zu allen drei Stufen oder zu keiner Zugang.

Wie begründet ist die Kritik an der Besetzung der Kommission, die zwar paritätisch, aber international nicht ausgewogen gewesen sei, da Europäer und Nordamerikaner unter sich blieben?

Über die Zusammensetzung einer Kommission lässt sich fast immer streiten. Zu berücksichtigen war, dass fast alle historischen und systematisch angelegten Publikationen zum Thema „Diakonat der Frau“ in Nordamerika oder Westeuropa entstanden sind. Hinzu kommt: Im Rest der Welt spielt das Thema praktisch keine Rolle. In Afrika zum Beispiel gibt es sehr viele ehrenamtlich arbeitende Katechetinnen und Katecheten, die mit entsprechender Beauftragung praktisch all das abdecken, was bei uns Ständige Diakone leisten. Die afrikanischen, asiatischen und mehrheitlich auch die südamerikanischen Bischöfe beurteilen die Einführung eines ständigen Diakonates bis heute überwiegend kritisch. Sie wollen keine Klerikalisierung der ehrenamtlich tätigen Laien und erst recht nicht deren Aufspaltung in geweihte Männer und nichtgeweihte Frauen.

Zwei Teilnehmer der Kommission sind an die Öffentlichkeit gegangen und haben sich für den Diakonat der Frau ausgesprochen. Teilen Sie diese Auffassung? Wie wirkt dieses Vorgehen auf Sie?

Frau Professor Phyllis Zagano (New York) hat ihr ganzes Leben dem Thema „Frau in der Kirche“ gewidmet und neben Gender-Studien und zahlreichen Meditationsbänden auch einige Beiträge zum Thema „Diakonat der Frau“ veröffentlicht. Ohne diese bewerten zu wollen, darf man sagen, dass das persönliche Interesse der Autorin an der Zulassung zur Diakonenweihe ihre Textanalysen mitbestimmt. Sie ist von der Regel abgewichen, über die Kommissionsarbeit solange zu schweigen, bis der Papst sich öffentlich geäußert hat. Gemeinsam mit dem in Brüssel lehrenden Jesuiten Bernard Pottier hat Frau Professor Zagano am 24. Januar dieses Jahres in New York eine Konferenz bestritten, die weniger eine Informationsveranstaltung als ein Plädoyer für die Einführung eines sakramental verstandenen Diakonates der Frau war. Dieses Vorgehen findet weder formal noch inhaltlich meine Zustimmung.

Manche deutschen Bischöfe halten mit Blick auf die Frage einer Zulassung von Frauen zum Weiheamt eine Fortführung der Debatte für erforderlich. Welche offenen Punkte sind aus Ihrer Sicht zu klären? In welchem Rahmen sollte an dem Thema theologisch gearbeitet werden?

Es gibt mehrere deutsche Bischöfe, die in Zeitungsinterviews die Einführung eines Diakonates der Frau gefordert haben. Gemeint kann ja nur ein sakramentaler Diakonat sein. Denn eine Frau mit dem Diakonat zu beauftragen, ohne sie dem männlichen Empfänger der Diakonenweihe gleichzustellen, wäre ein Hohn auf das berechtigte Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit. Auch Bischöfe sind begründungspflichtig. Bis jetzt hat mir keiner der Bischöfe, die einen sakramentalen Diakonat der Frau für möglich halten, erklären können, wie dieses Plädoyer mit der triadischen Einheit des Ordo-Sakramentes vereinbar ist. Und wer die Zulassung von Frauen zu allen drei Stufen des Ordo erneut diskutieren will, scheint vergessen zu haben, warum nicht nur Johannes Paul II. und Benedikt XVI., sondern auch Papst Franziskus den Ausschluss der Frau vom Empfang des Ordo-Sakramentes bekräftigt hat.

Wie sind die Argumente für die Regel zu gewichten?

Man kann der Meinung sein, dass die bisher vorgetragenen Konvenienzargumente für diese Festlegung nicht hinreichen. Aber die Forderung nach einer vertieften Begründung der von den letzten drei Päpsten als unwiderruflich bezeichneten Regel ist doch etwas anderes als deren Hinterfragung. Das Festhalten an der Regel schließt deren vertiefte theologische Begründung nicht aus. Und der bloße Hinweis auf die ununterbrochene Tradition der Kirche genügt nicht. Nur wenn der Ausschluss der Frau vom Weiheamt zur Substanz der von Christus der Kirche eingestifteten Sakramentalität gehört, ist die dem Zeitgeist diametral widersprechende Regel hinreichend begründet. Anders gesagt: Die inzwischen von drei Päpsten als irreversibel bezeichnete Regel muss sich stützen können auf ein in der Substanz der kirchlichen Struktur liegendes Moment.

Wenn Sie dem Papst einen Rat geben könnten: Soll er die Ergebnisse der Kommission veröffentlichen?

Gleich zu Anfang wurde uns von Kardinal Ladaria gesagt, dass das von der Sonderkommission zu erarbeitende Dokument im Unterschied zu ITC-Dokumenten nur für den Papst und nicht für die kirchliche oder theologische Öffentlichkeit bestimmt sei. Von daher erübrigt sich jede gegenläufige Empfehlung.

Die Befürworter des Frauendiakonats bringen Aspekte wie Gerechtigkeit/Teilhabe ins Spiel. Inwieweit taugen sie für eine theologisch seriöse Debatte? Sind Versuche, dogmatische Aspekte als nachrangig zu betrachten und das Thema auf die moraltheologische Ebene zu verschieben, begründet?

Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit ausgerechnet durch die Zulassung der Frau zum Diakonat beantwortet werden kann. Die oben erinnerte Unterscheidung zwischen der Vollmacht von Bischof und Priester einerseits und diakonaler Darstellung des fußwaschenden Christus andererseits spricht dagegen. Jede Pastoralassistentin – von Abteilungs- oder Referatsleiterinnen oder Theologieprofessorinnen einmal ganz abgesehen – hat doch mehr Leitungskompetenzen als ein Diakon – zumindest unter der Voraussetzung, dass er nicht zum Lückenbüßer des Priestermangels mutiert (was leider allzu häufig bedauerliche Realität ist). Vielleicht versprechen sich Frauen mit der Zulassung zum Diakonat auf Dauer auch die Zulassung zum Presbyterat und Episkopat – nach dem Vorbild der entsprechenden Abläufe innerhalb der anglikanischen Kirche. Aber Forderungen nach Gleichberechtigung und Partizipation – mögen sie auch noch so verständlich sein – sind nur insoweit erfüllbar, als sie das sakramentale Selbstverständnis der Kirche wahren.

Sehen Sie Konstellationen, unter denen die Einführung eines Diakoninnenamtes denkbar wären?

Ich setze als endgültig geklärt voraus: (a) Es gibt ein Sakrament des Ordo, und dieser umfasst nicht nur zwei, sondern drei Stufen. Und (b) das Sakrament des Ordo kann gültig nur von Männern empfangen werden. Unter diesen beiden Voraussetzungen kann es zwar einen Diakonenstand der Frau geben; nicht aber eine Zugehörigkeit der Frau zum Stand der sakramental Ordinierten. Die Kirche könnte beschließen, Männer und Frauen in einem Dienst zu vereinen, der durch die Bündelung aller karitativen und missionarischen Aufgaben ein eigenes Profil gewinnt und damit den ständigen Diakonat ordinierter Diakone ersetzt. Aber die beiden eingangs genannten Voraussetzungen stehen nicht mehr zur Disposition. Es gibt Klärungsprozesse, die irgendwann definitiv abgeschlossen sind.

Ein Beispiel?

Eines unter vielen Beispielen ist die Siebenzahl der Sakramente. Auch wenn man beachtet, dass die Kirche ihren Sakramentsbegriff in den ersten Jahrhunderten noch nicht abschließend geklärt hatte, unterscheiden die uns zugänglichen Quellen einhellig zwischen dem Diakonat der Männer und dem Diakonat der Frauen. Nie wurde eine Diakonin als Angehörige der schon in apostolischer Zeit bezeugten Ämtertrias von Bischof, Presbytern und Diakonen betrachtet. Die einzige Stelle des Neuen Testament (Römer 16,1f), in der eine „Frau“ als „diakonos“ bezeichnet wird, darf mit Gewissheit nicht amtsspezifisch verstanden werden. Denn in apostolischer Zeit gab es zwar einen männlichen, nicht aber einen weiblichen Diakonenstand. Letzterer ist erst später nachweisbar.

Medienberichten zufolge hat der Papst das Papier der Kommission als „keinen großen Wurf“ bezeichnet. Wie sehen Sie das?

Die Sonderkommission hat ihre Arbeit unter der Vorgabe begonnen, der Papst wünsche keine umfassende Abhandlung nach dem Vorbild des besagten ITC-Dokumentes, sondern eine die Ergebnisse der historischen Forschung auf höchstens fünf Seiten zusammenfassende Information. Es liegt also an der Vorgabe des Papstes selbst, dass die Kommission keinen „großen Wurf“ vorgelegt hat. Mich haben die Presseberichte über die vom Papst auf seinem Rückflug von Skopje nach Rom (8.5.19) geäußerten Kommentare mehrfach irritiert. Von vornherein zum Beispiel waren gemeinsame Schlussfolgerungen oder Empfehlungen der Sonderkommission nicht erwartbar; sie wurden aufgrund des ihr erteilten Auftrags absichtlich vermieden. Und wenn es zutrifft, dass der Papst über eine Taufe von Frauen durch frühkirchliche Diakoninnen und angeblich auch von „Priesterinnen“ gesprochen hat, dann sicher nicht aufgrund der ihm durch die Sonderkommission vorgelegten Informationen.

Inwieweit stellt die Debatte um die Frauenweihe eine Chance für die Kirche dar? Etwa, um die Rolle des Lehramts und die Unfehlbarkeit des Papstes zu erklären?

Ich möchte lieber von einer gefährlichen Herausforderung als von einer Chance sprechen – gefährlich deswegen, weil die Einheit der Kirche auf dem Spiel steht. Herausgefordert ist vor allem das Lehramt der Kirche. Nicht die Theologieprofessoren, sondern die Bischöfe – personal geeint im Nachfolger Petri – sind die Lehrer der Kirche. Sie müssen unterscheiden zwischen Fehlentwicklungen und vom Heiligen Geist gewirkten Zeichen der Zeit. Sie müssen die diachone Treue der Kirche zu ihrem Ursprung und die synchrone Einheit des Glaubens aller Teilkirchen bewahren. Dass viele Katholikinnen in Westeuropa oder Nordamerika die Kirche eher als Organisation von Funktionen, denn als von Christus eingesetztes Sakrament verstehen, ist ganz gewiss kein vom Heiligen Geist gewirktes Zeichen. Diese Entwicklung – von einigen Kommentatoren als fortschreitende Protestantisierung des Katholizismus beschrieben – betrifft vor allem die Verhältnisbestimmung der Ordinierten zu den Nichtordinierten.

Inwiefern?

Wenn man – zumeist mit Hypothesen der historisch-kritischen Exegese - erklärt, dass die Apostolizität der Kirche abgelöst werden kann von den Personen, die in der Nachfolge „der Zwölf“ die diachrone und synchrone Einheit der Gläubigen in Christus repräsentieren, dann reduziert man alle Ämter auf Bedürfnisse und Funktionen der sich selbst organisierenden Gemeinde. Wer funktional statt sakramental denkt, muss die Frau zu allen Ämtern zulassen; denn fast alle Funktionen werden von Frauen mindestens ebenso gut wie von Männern erfüllt. Das nachapostolische Amt aber ist Sakrament und also eine der Kirche von Christus eingestiftete Wirklichkeit, über die auch der Papst oder ein Konzil nicht frei verfügen können. Aus meiner Sicht gibt es einen logischen Zusammenhang zwischen der Funktionalisierung des sakramentalen Ordo und einer funktionalistischen Betrachtung der Geschlechterdifferenz.

Wie zeigt er sich?

Wenn der Leib des Menschen nicht mehr als symbolischer beziehungsweise sakramentaler Ausdruck der Verschiedenheit von Mann und Frau, sondern von bestimmten Gender-Ideologen als veränderbares Instrument erklärt wird, ist das Mann-Sein des Mensch gewordenen Logos bedeutungslos. Funktionales Denken erklärt alles Kontingente für austauschbar – zum Beispiel die eucharistische Materie von Brot und Wein durch andere Speisen und Getränke. Eben diesem funktionalistischen Denken wollte Papst Johannes Paul II. mit dem viel kritisierten Dokument „Ordinatio sacerdotalis“ (22.5.1994) begegnen. Dessen zentraler Satz lautet: „Die Kirche, die dem Beispiel des Herrn treu bleiben möchte, schreibt sich nicht die Vollmacht zu, Frauen zum Sakrament des Ordo zuzulassen.“ Dieser Satz ist kein Affront gegen die Gleichberechtigung der Frau, sondern ein Bekenntnis des kirchlichen Lehramtes zu einer sakramentalen Ekklesiologie und Anthropologie. Und was viel zu selten gesehen wird: Diese Aussage des Papstes ist auch ein Bekenntnis des Lehramtes zu seinen eigenen Grenzen.

Was bedeutet das konkret?

Es gibt Vorgaben, die auch Papst und Konzil nicht verändern dürfen. Die Ersetzung des von den Bischöfen ausgeübten Lehramtes der Kirche durch eine demokratisch verfasste Institution unterstellt Schrift und Tradition dem Abstimmungsverhalten der jeweiligen Gegenwart. Unter dem Beistand des Heiligen Geistes unfehlbar ist die Kirche nur in der Treue zu dem von Christus durch das Zeugnis der Apostel und den Kanon der neutestamentlichen Schriften gelegten Fundament. Und es ist ihre personale (durch die Bischöfe als Apostelnachfolger ausgeübte) Apostolizität, durch welche die lehrende, heiligende und leitende Autorität Christi über alle Jahrhunderte hinweg wirksam bleibt.

Kardinal Ladaria verweist in seinem Schreiben zu den Zweifeln über den definitiven Charakter von „Ordinatio sacerdotalis“ vom 29. Mai 2018 auf die Einmütigkeit der mit der Frage befassten Vorsitzenden der Bischofskonferenzen. Ein solches Votum könnte heute anders ausfallen. Warum bindet das Votum von 1994 auch die derzeit amtierenden Vorsitzenden der Bischofskonferenzen?

Man sollte nicht vom Zustand der Deutschen Bischofskonferenz auf den der anderen Konferenzen schließen. Außerhalb von Westeuropa und Nordamerika wird der von Kardinal Ladaria erinnerte Konsens meines Wissens nirgendwo in Frage gestellt. Aber ganz abgesehen davon sind Bischofskonferenzen keine Entscheidungsinstanzen der Kirche. Mehrheitsbeschlüsse einer Bischofskonferenz binden den einzelnen Bischof nicht. Jeder Bischof übt das ordentliche Lehramt der Kirche aus, ist aber bei allem, was er als Lehrer des Glaubens verkündet, an die Bekenntnisgemeinschaft mit der vom Papst repräsentierten Gesamtheit aller Apostelnachfolger gebunden. Allerdings sollte man eine definitiv gefällte Entscheidung immer tiefer zu verstehen und zu begründen versuchen – was vor allem im Blick auf den Ausschluss der Frau vom Empfang des Ordo-Sakramentes dringend geboten ist.

Aber wie verhalten sich zueinander Plausibilität und Verbindlichkeit einer definitiven Entscheidung?

Irreversibel ist die Zentralaussage von „Ordinatio sacerdotalis“ nicht aufgrund irgendeiner theologisch errungenen Plausibilität, sondern weil die Bindung der Apostelnachfolge an das männliche Geschlecht eine im Inkarnationsereignis verankerte Vorgabe ist. Weil vor allem deutsche Theologinnen sich durch das Lehrschreiben „Ordinatio sacerdotalis“ nicht von der Forderung nach der Zulassung der Frau zum Sakrament des Ordo abhalten ließen, hat ihnen die Glaubenskongregation am 11.12.1995 folgende Antwort gegeben: „Diese Lehre [der Ausschluss der Frau vom Sakrament des Ordo] erfordert definitive Zustimmung, da sie, im geschriebenen Wort Gottes begründet und in der Tradition der Kirche von Anfang an beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und universalen Lehramt unfehlbar vorgetragen wurde. Deswegen hat der Papst unter den gegenwärtigen Umständen, indem er sein Amt, die Brüder zu bestärken, ausübte, eben diese Lehre durch eine förmliche Erklärung vorgetragen, wobei er ausdrücklich aussagt, dass sie immer, dass sie überall und dass sie von allen festzuhalten ist, da sie zur Hinterlassenschaft des Glaubens gehört.“ (DH 5041)

Benedikt XVI. deutete 2012 an, dass die Weigerung, die Lehre von „Ordinatio sacerdotalis“ anzunehmen, Ungehorsam sei. Wie sehen Sie das? Hat die Kirche tatsächlich Spielräume, die Lehre in Bezug auf den Diakonat „weiterzuentwickeln“?

Die Einheit des dreistufigen Ordo ist aufgrund der entsprechenden Aussagen des Zweiten Vatikanum nicht hinterfragbar. Dasselbe gilt, wie eben dargelegt, von der zentralen Sentenz des Lehrschreibens „Ordinatio sacerdotalis“. Deshalb erkenne ich keinen gangbaren Weg zu einem sakramentalen Diakonat der Frau. Ich kann, wie gesagt, auch nicht erkennen, warum ausgerechnet der kenotische Dienst des Diakons die durchaus berechtigte Forderung nach mehr Beteiligung von Frauen auf den Ebenen von Lehre, Beratung und Verwaltung beantworten kann.

Wagen Sie eine Prognose: Wie wird sich die Diakonatsdebatte auf die Ökumene auswirken?

Die wenigen Protestanten, die von der innerkatholischen Debatte Notiz nehmen, fragen: „Warum die Zulassung der Frau zum Diakonat und nicht auch zum Presbyterat und Episkopat?“ In der Regel vermuten sie eine Strategie nach dem Motto: Wenn der erste Schritt (Diakonat der Frau) gelungen ist, lassen sich der zweite und dritte nicht aufhalten. Die meisten Protestanten erwarten von den Katholiken dieselben Antworten auf die Emanzipation der Frau und die fortschreitende Demokratisierung aller Lebensbereiche, die sie selbst schon gegeben haben. Kaum noch bewusst ist der Graben, der durch Luthers Leugnung des Unterschiedes zwischen Amts- und Taufpriestertum entstanden ist.

Wie sieht er aus?

Innerhalb des reformierten Christentums sind Amtsträger keine sakramentalen Repräsentanten der Autorität Christi gegenüber der Gemeinde. Deshalb konnte es von ihrer Seite gar keinen dauerhaften Einwand gegen weibliche Pastoren und Bischöfe geben. Doch wenn man die Kirche sakramental versteht und den Ausschluss der Frau vom Ordo-Sakrament im Stiftungswillen Christi verankert, sieht die Sache anders aus. Zwei Drittel der Christenheit – katholische und orthodoxe Kirchen – erklären sich nicht befugt, die besagte Regel dem Zeitgeist zu opfern. Fruchtbare Ökumene beginnt stets mit dem Verstehen der Gegenposition. Das gilt für beide Seiten. So konsequent die protestantische Zulassung der Frau zu allen Ämtern ist, so konsequent ist auch der katholisch-orthodoxe Ausschluss der Frau vom Sakrament des Ordo.

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