Das Sündenregister der grünen Gutmenschen

Sie wollen die Umwelt retten, ohne Rücksicht auf die ökonomischen oder sozialen Nebenwirkungen ihres Tuns. Horst Demmler erstellt in einem neuen Buch ein Sündenregister grüner Politiker.

Erich Weede
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(FRANK RUMPENHORST/KEYSTONE)

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Bei einer Streitschrift besteht stets die Gefahr, dass man in unbegründete Beschuldigungen und Boshaftigkeiten abgleitet. Das ist bei Horst Demmlers Buch nicht der Fall. Die gut dokumentierte und sachliche Analyse erinnert vielmehr daran, dass auch einer Polemik wissenschaftliches Denken und Arbeiten zugrunde liegen kann. Der Autor weist darauf hin, dass die Grünen Zeitgeist, öffentliche Meinung sowie Medien prägen, und gleichzeitig wirft er den Erben der 68er Generation moralisch-politische Selbstgefälligkeit und inquisitorische Neigungen vor: Sie halten sich für gut, ihre Gegner für böse. Fakten und die Folgen politischer Entscheidungen interessieren sie kaum. Sie glauben an die Grenzen des Wachstums – und vorab an deren Wünschbarkeit –, obschon sie sowohl beim «Waldsterben» wie auch bei der Atomenergie falschen Alarm geschlagen haben. Berichte über Fukushima unterschlagen meist, dass von den 19 000 Toten 90% ertrunken sind; bisher wurde noch kein einziger Strahlentod nachgewiesen.

Das Buch bietet eine Auseinandersetzung mit den politischen Positionen der Grünen und ist im Kern ein Sündenregister. Nach Demmler lässt sich weder nachweisen, dass Produkte aus biologischem Landbau gesünder sind als konventionell hergestellte, noch, dass sie umweltschonender sind. Klar sind nur der grössere Flächenverbrauch, geringere Erträge und höhere Kosten.

Der Autor nimmt auch die Diskussion um DDT unter die Lupe und verweist auf Schätzungen, wonach das Insektizid vielleicht 500 Mio. Todesfälle durch Malaria und andere Krankheiten verhindert hat, vorwiegend in den ärmsten und tropischen Ländern. Dennoch wurde DDT von den Grünen in Europa und Nordamerika verteufelt, so dass viele Entwicklungsländer auf den Einsatz verzichteten, worauf sich die Malaria wieder ausbreiten konnte. Demmler verteidigt zudem die grüne Gentechnik, die, wie er betont, zur Lösung von Ernährungsproblemen in armen Ländern beitragen kann, wo viele Kinder unter Mangelernährung leiden. Ein Beispiel dafür ist der mit Vitamin A angereicherte «Goldene Reis», der dazu beitragen kann, Blindheit zu verhindern sowie die Mütter- und Kindersterblichkeit zu verringern. Das hat grüne Politiker indessen nicht daran gehindert, selbst in Fällen von Hungersnöten in Afrika Druck auf Staaten auszuüben, damit sie keine genetisch veränderten Nahrungsmittel aus den USA akzeptieren. Der Öko-Zeitgeist hat die Gentechnik inzwischen aus Europa vertrieben.

Das Streben der Grünen nach Gerechtigkeit äussert sich unter anderem darin, dass auch ärmere Steuerzahler zur Finanzierung des Studiums künftiger Besserverdiener beitragen sollen, dass mit dem Energieeinspeisungsgesetz die ärmsten Haushalte überproportional belastet werden, dass dieses Gesetz zwar nicht seinen Zweck erfüllt (die Reduzierung von CO2-Emissionen), aber Kosten in Milliardenhöhe erzeugt.

Das Buch ist so gut geschrieben, dass man beim Lesen gar nicht unterbrechen möchte. Wenn es eine Schwäche hat, dann die, dass das Sündenregister unvermittelt aufhört und nicht die systematischen Überlegungen zur Gefährdung des Erkenntnisfortschritts erörtert werden, die von politischer Korrektheit und voreiligem Konsens ausgehen. Am Anfang des Buches aber wird das durchaus angesprochen; der Autor verweist etwa auf die kommunistische Vergangenheit vieler grüner Politiker. Da ist es kein Wunder, dass den Umweltschützern die Einsicht in die Grenzen staatlicher Leistungsfähigkeit fehlt.

Horst Demmler: Wider den grünen Wahn. Eine Streitschrift. Verlag Monsenstein und Vannerdat (Edition Octopus), Münster 2015. 410 S., € 20.40.