Trotz Warnschüssen aus dem Vatikan hält die katholische Kirche in Deutschland unbeirrt am Plan fest, den Missbrauchsskandal der Kirche in einem Reformprozess aufzuarbeiten. Zwischen Papst Franziskus und den deutschen Klerikern bahnt sich ein handfester Konflikt an. Konservative Kleriker warnen schon vor einer Abspaltung von Rom.
Die deutschen Katholiken halten an ihrem geplanten Reformprozess fest und steuern damit weiter auf einen Konflikt mit dem Papst zu. Eine zweitägige Vorbereitungskonferenz von rund 50 Bischöfen und Laien endete am Samstag in Fulda „mit einem klaren Appell, den eingeschlagenen Synodalen Weg mutig und engagiert im Geist des Evangeliums fortzusetzen“, wie die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mitteilte. Der DBK-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx erinnerte daran, dass die katholische Kirche eine zu allen Menschen gesandte Kirche sei: „Die Kirche ist nicht für sich selber da.“
„Synodaler Weg“: Kleriker fordern Debatte über Zölibat und weibliche Priester
Die deutschen Bischöfe hatten im Frühjahr nach Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker einen Reformprozess beschlossen. Der Missbrauch hat das Vertrauen in die Kirche erschüttert. Die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – die Vertretung der Gläubigen – sind sich deshalb einig: Jetzt muss etwas geschehen, sonst sei der Schaden irreparabel.
Deshalb wollen sie einen Reformprozess einleiten – den erwähnten „synodalen Weg“. Es geht darin um vier Punkte: den Umgang der Kirche mit Macht, die kirchliche Sexualmoral, die umstrittene Ehelosigkeit von Priestern (Zölibat) und die Position von Frauen in der Kirche. All diese Punkte haben nach Expertenmeinung strukturell dazu beigetragen, dass der Missbrauch über so lange Zeit ungestraft stattfinden konnte.
Deutsches Vorhaben Vatikan ein Dorn im Auge
Der Papst hatte die deutschen Glaubensbrüder und -schwestern schon vor mehreren Wochen vor Alleingängen gewarnt. Auch anderen im Vatikan ist das deutsche Vorhaben ein Dorn im Auge: Die deutsche Teilkirche könne nicht über Themen wie die Position der Frauen entscheiden, weil diese die ganze Weltkirche beträfen, heißt es in einem Gutachten des „Päpstlichen Rats der Gesetzestexte“, das die Bischofskonferenz am Freitag im Internet veröffentlicht hatte.
Die Konferenz-Teilnehmer formulierten in Fulda mit Blick auf die Kritik vom Papst einen Brief an Franziskus. Man wolle „sowohl die Einheit der ganzen Kirche als auch die Situation vor Ort im Blick haben“, heißt es darin. Auch ZdK-Präsident Thomas Sternberg zeigt sich fest entschlossen, den „synodalen Weg“ weiterzugehen: „Glaubt irgendjemand, man könne in einer solchen Krise der Kirche das freie Gespräch, das nach Ergebnissen und notwendigen Reformschritten sucht, unterdrücken?“
Kirchenrechtsexperte: Kardinal Woelki hat Reformen in Rom konterkariert
Der Kirchenrechtsexperte Thomas Schüller befürchtet hingegen, dass der synodale Prozess nicht wie geplant durchgeführt werden kann. „Eine kleine Minderheit der Bischöfe unter Führung von Kardinal Woelki hat es durch gute Kontakte nach Rom geschafft, den ganzen Reformprozess zu konterkarieren.“ Der in Kirchenfragen erzkonservative Rainer Maria Woelki aus Köln hatte kürzlich sogar gewarnt, es drohe eine Abspaltung der deutschen Katholiken von der Weltkirche, wenn der Reformprozess weitergehe.
„Franziskus fällt die Maske des Reformers vom Gesicht“
Schüller teilt den Optimismus von ZdK-Präsident Sternberg über „freie Gespräche“ auch auf Laien-Ebene nicht. „Die Vorstellung, die Laien könnten auf Augenhöhe mitentscheiden, ist illusorisch in einem hierarchischen System, in dem letztlich immer die Bischöfe und der Papst entscheiden.“ Tatsächlich rudern die deutschen Katholiken schon zurück: Wie verlautet, soll in wichtigen Fragen beim synodalen Weg allein das Votum der Bischöfe ausschlaggebend sein.
Und was das Wirken von Papst Franziskus als großer Reformator der Katholischen Kirche betrifft, wird Schüller noch deutlicher: "Das schöne Reden von Papst Franziskus, der immer von Stärkung der Kirche vor Ort spricht, ist Makulatur." Es gelte vielmehr der streng zentralistische Kurs der römischen Kurie, des päpstlichen Regierungs- und Verwaltungsapparats. Kardinal Marx werde von der Kurie "wie ein Bär am Nasenring durch die Manege geführt". Für den Experten steht fest: "Die Maske des Reformers fällt Franziskus vom Gesicht."
Für die katholische Kirche in Deutschland könnte das alles fatale Folgen haben, befürchtet er: "Die Letzten, die noch bereit waren, ernsthaft mitzudiskutieren, werden sich frustriert abwenden."