Der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof hat den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) für den Beschluss kritisiert, das christliche Kreuz in allen staatlichen Behörden in Bayern aufhängen zu lassen. Das Kreuz sei kein Symbol für Bayern "und erst recht kein Wahlkampflogo", schreibt Bischof in einem Gastbeitrag für die München-Ausgabe der Bild-Zeitung. Dem Ministerpräsident scheine die bayerische Identität wichtiger zu sein als das Kreuz.

Söder bringe das Kreuz zwar mit "christlichen Werten" in Verbindung, schreibt Bischof weiter. Doch: "Wer im Geist des Kreuzes handeln will, der muss die Menschen in den Mittelpunkt seines Handelns stellen, und zwar besonders die Menschen in Not." Konkret bedeute dies, etwa für Pflegebedürftige und Kranke einzutreten und in der Flüchtlingspolitik die Menschenwürde an die erste Stelle zu rücken. Auch heiße es, Familien so zu fördern, dass alle Kinder eine gute Perspektive hätten. "Und im Sinne der Glaubwürdigkeit wäre es übrigens angebracht, erst einmal mit Taten zu überzeugen, bevor man medienwirksame Symbolpolitik folgen lässt."

Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Das Vorhaben sei "keine besonders kluge Idee", sagte die bayerische Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (CSU) in der Fernsehtalkshow 3 nach 9. Es sei richtig, dass das Kreuz auch ein "Symbol unserer Kultur" sei. Aber es gebe natürlich auch Menschen, die sich nicht vorschreiben lassen wollten, irgendetwas aufzuhängen. Jetzt müsse man aber erst einmal auf die konkreten Ausführungsbestimmungen warten.

"Populistische Symbol-Wahlkampfaktion"

Auch FDP-Chef Christian Lindner kritisierte Söder. Dieser habe das Kreuz zu einem kulturellen Symbol erklärt und damit von seiner christlichen Bedeutung getrennt, sagte Lindner der Passauer Neuen Presse. "Gläubige Christen muss es empören, dass er aus ihrem Symbol ein Symbol des Staates macht." Söders Beschluss sei eine "populistische Symbol-Wahlkampfaktion". Am 14. Oktober 2018 wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.

Die bayerische Staatsregierung hatte am Dienstag per Dekret beschlossen, dass ab dem 1. Juni in jeder staatlichen Behörde ein Kreuz hängen soll. Bereits im Laufe der Woche war Söder dafür von Kirchenvertetern und Oppositionspolitikerinnen kritisiert worden. Die Grünen-Fraktionschefin und ehemalige Vorsitzende der Synode der evangelischen Kirche in Deutschland, Katrin Göring-Eckardt, hatte den Beschluss "beschämend" für Christen genannt. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte daran erinnert, dass der Staat neutral sei und es "keine Staatsreligion" gebe. 

Söder zeigt Unverständnis über Debatte

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend Bayern und die Evangelische Jugend Bayern hatten in einem gemeinsamen offenen Brief geschrieben, Söder instrumentalisiere das Ursymbol des Christentums und missbrauche es, um auszugrenzen. Mohamed Abu El-Qomsan, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Bayern, hatte gesagt, der Beschluss verletze den staatlichen Neutralitätsgrundsatz. Das Kreuz sei ein religiöses Symbol. "Weder Juden noch Atheisten noch Muslime identifizieren sich damit", hatte er der Welt gesagt.

Söder hatte sich am Donnerstagabend in einem Interview mit den ARD-Tagesthemen verteidigt und gesagt, er finde es "schade", dass über den Beschluss gestritten werde: "Ich wundere mich, dass wir über Toleranz für andere Religionen reden und uns nicht trauen, zu unseren eigenen Werten, zu unserer eigenen Religion zu stehen."

Der Staat ist durch die in Artikel 4 des Grundgesetzes garantierte Religionsfreiheit auch verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral zu sein, also keine Religion zu bevorzugen. Das Bundesverfassungsgericht entschied mit dieser Begründung 1995, dass ein Paragraph der bayerischen Schulordnung grundgesetzwidrig sei. Er hatte vorgeschrieben, in jedem Klassenzimmer ein Kreuz aufzuhängen.