Unorthodoxe Orthodoxie
April 10, 2015
„Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen“ – auch nicht die Orthodoxen
In den Diskussionen um die Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zum heiligen Sakrament der Eucharistie hört man ständig, die Orthodoxen hätten mit ihrer ‚Oikonomia’ eine Praxis, die man doch übernehmen könne.
Was man aber verschweigt: diese Praxis ist nicht mit der Lehre des Evangeliums zu vereinbaren. „Jeder, der seine Frau entlässt und eine andere heiratet, bricht die Ehe; und wer eine vom Mann Entlassene heiratet, bricht die Ehe.“ (Lk 15,18). „Gebt euch keiner Täuschung hin! Weder Unzüchtige noch Götzendiener noch Ehebrecher ... werden Anteil haben am Reich Gottes.“ (1 Kor 6,9f.) Das scheint klar und eindeutig zu sein.
Die Orthodoxen berufen sich zwar zur Begründung ihrer Praxis (im Falle von Ehebruch ist für den unschuldigen Teil ein zweites eheliches Zusammenleben mit einem anderen Partner möglich) gerne auf die sogenannte ‚Unzuchtsklausel’ (Mt 5,32 und Mt 19,9) - jedoch zu Unrecht: wären die Worte Christi „Jeder, der seine Frau entlässt - ausgenommen der Fall von Unzucht - der macht sie zur Ehebrecherin“ (Mt 5,32) so zu verstehen, dass im Fall des Ehebruchs zumindest für den unschuldigen Teil eine zweite Ehe erlaubt und möglich wäre, so stünde diese Auslegung schon im Widerspruch zum direkt darauf folgenden Satz, der ohne Einschränkung erklärt: „wer eine Entlassene zur Ehe nimmt, begeht Ehebruch“.
Besonders deutlich wird die Unhaltbarkeit dieser Deutung auch, wenn man liest, was der heilige Paulus im Namen Christi verlangt: „Aber den Verheirateten gebiete ich, - nicht ich, sondern der Herr: Die Frau trenne sich nicht von ihrem Mann! Hat sie sich aber getrennt, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich mit ihrem Mann. Auch entlasse ein Mann nicht seine Frau!“ (1 Kor 7,10f). Daher hat die Kirche die Unzuchtsklausel so verstanden, dass kein Mensch eine sakramental gültige und vollzogene Ehe auflösen kann, jedoch im Fall des Ehebruchs die Möglichkeit der Trennung besteht: „Obwohl man aber aufgrund von Unzucht eine Trennung des Bettes vornehmen darf, ist es dennoch nicht erlaubt, eine andere Ehe zu schließen, da das Band einer rechtmäßig geschlossenen Ehe immerwährend ist“ (Konzil von Florenz, Dekret für die Armenier).
Der Grund für die Unauflöslichkeit ist darin zu suchen, dass das Sakrament der Ehe die untrennbare Verbindung Christi mit seiner Kirche versinnbildet (Eph 5,31f). Es gibt also keine „zerbrochene Ehe“ in dem Sinn, dass das Eheband zerbrechen könnte vor dem Tod. Für die Interpretation der Unzuchtsklausel ist auch ein in neuerer Zeit vorgebrachter Ansatz denkbar, der das hebräische Wort für Unzucht (‚zenut’, dessen Übersetzung das griechische ‚porneia’ ist) als eine blutschänderische Ehe auffasst, also als eine Ehe mit einem Blutsverwandten in einem unerlaubten Grad. Da in diesem Fall die Ehe von vornherein ungültig wäre, bestünde sogar die Pflicht zur Trennung.
Aus all dem Gesagten ist offensichtlich, dass das Gesetzbuch für die Ostkirchen, promulgiert im Jahr 1990 von Papst Johannes Paul II., nichts anderes als die Forderung Christi enthält, wenn es erklärt: „Das sakramentale Eheband einer vollzogenen Ehe kann von keiner menschlichen Gewalt und aus keinem Grund außer aufgrund des Todes aufgelöst werden“ (can. 853). Auch nicht von den Orthodoxen. Die Frage kann also nur lauten: „Wollen wir Jesus Christus vorbehaltlos nachfolgen? Wollen wir seine Lehre annehmen und so seine Liebe, die uns bis zum Tod am Kreuz geliebt hat, erwidern? (vgl. Joh 14,21). Sind wir noch imstande, seine unendliche Barmherzigkeit nachzuahmen, die zur Ehebrecherin sprach: ‚Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige fortan nicht mehr!’ (Joh 8,11)?“
Benedikt Roder
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