Viel Wandern macht bewandert. Von Hw. Herbert Stichaller

Frauen lassen sich dafür wenig begeistern. Für sie liegt Mekka immer noch in Arabien und nicht in Europa, das für andere inzwischen das Mekka der neuen Wanderbewegung ist.
Die Freude über die kulturelle Bereicherung ist groß, denn die Wanderer bringen vieles mit, das uns bisher unbekannt war. Wer möchte heute noch auf die indischen Gewürze verzichten oder auf den Kaffee, den uns die Türken mitgebracht haben.
Genau genommen gehört uns auch das Edelweiß nicht, ist es doch vor Jahrmillionen aus dem Himalaya nach Europa eingewandert. Neue Gesetze regeln nun das weltweite Wandern.
§ 1. Einwandern
Das Einwandern ist die natürliche Art, ein Land zu betreten. Dabei sind alle Regeln einzuhalten, die zum Schutz von Pflanzen und Tieren erlassen wurden.
Einwanderung findet stets auf markierten Wegen statt. Die Wanderer gehen in kleinen Gruppen mit geschulten Begleitern. Das Queren von Grundstücken ist bis auf Widerruf gestattet.
Auf Weiden ist darauf zu achten, ob nicht auch noch andere Esel oder Schafe in der Nähe sind. Kühe gelten nicht als heilig. Der europäische Stier darf nicht bei den Hörnern gepackt werden.
Gefährliche Begegnungen sind durch Ausweichrouten zu vermeiden. Bei Mondscheinwanderungen ist auf reflektierende Kleidung zu verzichten, um nicht Mensch und Tier in ihrer Nachtruhe zu stören.

Das Einmarschieren ist in besonderen Fällen mit Erlaubnis des Staates möglich. Bei Vorliegen von allgemeinem Interesse dürfen auch große Gruppen gleichzeitig fremde Grundstücke und Weideflächen betreten.
Die Märsche dauern längstens ein Jahr, dann sind neue Genehmigungen einzuholen. Die Verpflegung erfolgt mittels Feldküchen. Im Bedarfsfall dürfen Felder auch ohne Genehmigung abgeerntet und Früchte ohne Mengenbeschränkung gepflückt werden.
Die Entnahme ist dem Besitzer zu melden, wenn Maschinen erforderlich sind. Beim Schlachten der Tiere sind die Bestimmungen des Tierschutzes einzuhalten. Dem Eigentümer steht ein angemessener Anteil zu.
§ 3. Unterwandern
Das Unterwandern ist das unbeobachtete Bewegen im freien Gelände. Nur trittsichere und schwindelfreie Geher sind in der Lage, die Hürden und Hindernisse zu meistern.
Oftmaliges Biwakieren gehört ebenso zu den Herausforderungen wie das Suchen von Verstecken und die Bereitschaft, längere Zeit darin zu verweilen.
Jagdinstinkt und die Kunst des Feuermachens erleichtern das Überleben. Verirrte Wanderer, die meist nur zufällig aufgegriffen werden, tun sich oft Jahre später noch schwer, sich an ein Leben innerhalb einer Ordnung zu gewöhnen.
§ 4. Auswandern
Das Auswandern ist ein Privileg der einheimischen Bevölkerung. Es besteht das Grundrecht auf freie Wahl des Zielortes, sofern gewährleistet ist, dass es im gewählten Land zu keinem übermäßigen Anstieg von Angehörigen der weißen Minderheit kommt.
Sollte die Integration scheitern, hat der Auswanderer jederzeit das Recht auf Weiterreise in ein anderes Land. Bevorzugt sind Länder, die noch kein Rückführungsabkommen mit der Europäischen Union haben.
Der Text entstammt dem Satiremagazin "Päpstlicher Ehrenmagazin", November 2022.
Titelbild: John Engedal Nissen / IFRC, Rotes Kreuz, Flickr, CC-BY-NC-ND