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Kommentar: Verzweifelte Gehversuche auf dem Holzweg

Gleich, was es mit Herkunft und Identität der mysteriösen Holzfiguren im Vatikan auf sich hat: Die Verehrung von Konzepten wie „Leben“ und „Fruchtbarkeit“ ist in ihrer spirituellen Herkunft heidnisch.
Kontroverse im Holzfiguren im Vatikan
Foto: Andrew Medichini (AP) | Der Umgang des Vatikan mit den umstrittenen Holzfiguren nackter Frauen offenbart verzweifelte Versuche, die Idee einer allumfassenden Religion zu retten, die sich durch universal verständliche Symbole und Konzepte ...

Die Stärke des Katholizismus liegt in seiner Klarheit. Die Krise der Kirche ist daher auch eine Krise der klaren Sprache. Der Streit um die Figuren schwangerer Frauen sorgte dabei nicht erst für Furore, als Unbekannte diese im Tiberwasser versenkten. Seit ihrem Auftauchen in den Vatikanischen Gärten sind sie zum inoffiziellen Symbol der Amazonas-Synode geworden: Keiner weiß, wen sie darstellen, keiner weiß, wer sie geschnitzt hat, keiner kennt ihre wahre Bedeutung.

Wenn die Figur als Symbol für das "Leben" stehen soll, ist Misstrauen berechtigt

Wenn Kirchenvertreter diese einmal als Maria und Elisabeth deuten, ein andermal behaupten, es handele sich definitiv nicht um die Jungfrau Maria und zuletzt Paolo Ruffini als Chefkommunikator der Synode die Figur als Symbol für das „Leben“ erklärt, dann ist Misstrauen berechtigt. Jede einzelne Handlung, jeder Gegenstand, jede Psalmzeile eines christlichen Ritus hat hohe Bedeutung und bildet ein organisches Ganzes – aber bei einer so wichtigen Versammlung sind die zentralen Gegenstände unbekannt?

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Die Figuren seien „weder heidnisch noch heilig“, wie Giacomo Costa als zweiter Synodensprecher erklärte. Auch das: eine unbefriedigende Antwort, insbesondere vor dem Hintergrund einer Baumzeremonie, die nicht nur Traditionalisten als ein vorzeitliches Ritual verstanden. Der Begriff der Pachamama macht die Runde; jener indigenen Gottheit, die als Mutter des Alls in der andinen Hochkultur der Inkas eine Rolle gespielt haben soll und die Welt in ihrem Schoß gebiert. Die Anhänger esoterischer Lehren des 20. Jahrhunderts finden hier jene „Mutter Erde“, die im Zuge von Ozonloch, Waldsterben und Klimawandel im Umfeld der ökologischen Bewegung ein Revival erfahren hat. Problematisch nur, dass der andine Kult gar nicht aus dem Amazonas stammt und sich die Frage nach der Herkunft neuerlich stellt.

Verehrung von "Leben" und "Fruchtbarkeit" ist heidnisch

Gleich, was es mit Herkunft und Identität der mysteriösen Figuren auf sich hat: Ehrbezeugungen der Anwesenden in der vatikanischen Gartenzeremonie waren real. Die Verehrung von Konzepten wie „Leben“ und „Fruchtbarkeit“ ist in ihrer spirituellen Herkunft heidnisch. Der Verdacht, dass es sich um Idole handelt, liegt daher nicht nur nahe, sondern ist zwingend. In den sozialen Medien skandieren Journalisten bereits, dass die Versenkung der Idole mangelnden Respekt vor der indigenen Kultur oder gar einen rassistischen Angriff bezeuge. Kommunikationsfehler wandeln sich zu einem Kommunikationsfiasko. Denn die christliche indigene Kultur, welche die Madonna von Guadalupe repräsentiert und ebenfalls in der Kirche stand, blieb unangetastet.

Es gibt nur einen, der Weg, Wahrheit und Leben ist

Es sind offensichtlich verzweifelte Versuche, die Idee einer allumfassenden Religion zu retten, die sich durch universal verständliche Symbole und Konzepte äußert. Dabei sind Konzepte wie „Leben“ in der christlichen Kunst längst ausformuliert – und schwierig mit einer weiblichen Holzfigur zu vereinbaren. In der christlichen Ikonologie gibt es nur einen, der Weg, Wahrheit und Leben ist: ob als Lamm oder als Hirte, ob als Kind in den Armen seiner Mutter oder im Leiden am Kreuz. Gott offenbart sich Moses nicht als bloßes Konzept, sondern identifiziert sich als Beschützer der Erzväter Israels und nennt seinen Namen.

Moses‘ wenig kultursensibler Umgang mit goldenen Kälbern ist eine jener klaren Botschaften, die heute beinahe in Vergessenheit geraten sind. Bonifatius pflanzte keine Bäume, sondern fällte sie. Und römische Christen warfen pagane Idole in den Tiber. Warum letztere nach Rom zurückkehren, ist die viel drängendere Frage.

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Marco Gallina Christentum Christliche Kunst und Kultur Krisen

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