„Um die Stellung des Christentums zur Sklaverei zu verstehen, muß man einen doppelten Begriff unterscheiden: 1. die Sklaverei im strengen, absoluten Sinne, bei der der Sklave rechtlos ist und nicht als Person, sondern als sachliches Eigentum betrachtet wird; 2. eine mildere Form der Sklaverei, die zwar die Arbeitskraft und äußere Freiheit des Sklaven dem Herrn überliefert, aber seine Menschenwürd…More
„Um die Stellung des Christentums zur Sklaverei zu verstehen, muß man einen doppelten Begriff unterscheiden: 1. die Sklaverei im strengen, absoluten Sinne, bei der der Sklave rechtlos ist und nicht als Person, sondern als sachliches Eigentum betrachtet wird; 2. eine mildere Form der Sklaverei, die zwar die Arbeitskraft und äußere Freiheit des Sklaven dem Herrn überliefert, aber seine Menschenwürde und gewisse unverletzliche Menschenrechte anerkennt. Die erstere Form widerspricht dem Naturrecht und der christlichen Moral; sie ist als geschichtliche Tatsache eine der traurigsten Folgen und Strafen der Sünde, gegen die das Christentum stets angekämpft hat. Die zweite Form ist nicht unbedingt verwerflich, obschon sie weder dem natürlichen noch dem christlichen Ideal entspricht; sie ist vom Christentum aus wichtigen sozialen Gründen geduldet und nur allmählich, in Anpassung an die geschichtliche Entwicklung überwunden worden.“ (Joseph Mausbach, Katholische Moraltheologie, Dritter Band: Die spezielle Moral, 2. Teil: Der irdische Pflichtenkreis. Die Lehre von den sittlichen Pflichten des Apostolates zur Auferbauung des Reiches Gottes in Kirche und Welt, zehnte, neubearbeitete Auflage von Gustav Ermecke, Münster Westfalen 1961, S. 454 f.)
„Allein es ist zu unterscheiden die heidnische Auffassung von der Sklaverei und die christliche Auffassung. Jederzeit hat die christliche Denkweise die Sklaverei im heidnischen Sinne abgelehnt, niemals ist der Sklave lediglich Mittel zum Zweck, vielmehr besitzt auch der Sklave nach christlicher Überzeugung seine ungeschmälerten und unverlierbaren Menschenrechte. Thomas [von Aquin] ist der Ansicht, der Sklave könne nach eigenem Ermessen alles tun, was zur Natur des Menschen gehört, er kann also eine Ehe schließen und die Pflichten der Ehe und die Pflichten innerhalb der Familie erfüllen, ohne daß dem Herrn hier irgendwelche Rechte zustünden. So wird die Sklaverei in Wahrheit zu einer milden Hörigkeit, wobei dem Herrn eigentlich nur der Anspruch auf die Arbeitskraft verbleibt, natürlich verbunden mit der Pflicht, für den Sklaven und seine Familie zu sorgen. Die Sklaverei im Sinne einer milden Hörigkeit widerspricht keineswegs an sich dem Naturrecht, diese Form der Sklaverei kann vielmehr auf niederer Kulturstufe notwendig sein und sehr segensreich wirken.“ (Otto Schilling, Handbuch der Moraltheologie, III. Band: Spezielle Moraltheologie, Sozialer Pflichtenkreis, Stuttgart 1956, S. 73 f.)
Man kann also die Frage stellen: „Kann ein Mensch ein Eigenthumsrecht über einen andern Menschen haben?“ Die differenzierte Antwort wird lauten: „1) Nein, in Bezug auf das eigentliche Eigenthumsrecht, welches Gott allein zukommt, da [...] unter den einzelnen Menschen metaphysische Unabhängigkeit besteht. 2) Ja, an und für sich, in Bezug auf das nützliche Eigenthumsrecht oder auf die Handlungen des Menschen, weil jeder Mensch Herr seiner Handlungen ist, und folglich dieselben auch zum eigenen Nutzen veräußern, oder, was dasselbe ist, in das Eigenthumsrecht eines Andern übertragen kann. Denn der Herr kann über das Objekt des Eigenthumsrechtes nach Belieben verfügen. Es kann also 1) der Mensch nach dem Naturrechte auch für immer sich an einen Andern verkaufen, so weit es das nützliche Eigenthumsrecht betrifft. Denn wenn er das nützliche Eigenthumsrecht von seiner Person einem Andern auf einige Zeit übertragen kann, so kann er es auch für immer thun, weil er eben das abtreten kann, was er nur immer besitzt. 2) Die Sclaverei oder der immerwährende Stand der Unterwürfigkeit ist an und für sich nach dem Naturrechte in dem Sinne nichts Ungereimtes, als sich Jemand verpflichtet, um Kost einem Andern alle seine Dienste zu leisten.“
Es gibt vier Gründe, aus denen jemand gerechterweise zum Sklaven werden kann: „1) aus Verabredung oder eigener Entsagung; denn es liegt kein Widerspruch darin, wenn Jemand seiner Freiheit entsagt, um seine eigene Noth zu erleichtern oder um Schulden abzutragen, deren Zahlung der nicht gewachsen ist u. dgl. 2) Aus dem Kriegsrechte, denn der Sieger kann manchmal die Dienstbarkeit als Strafe auferlegen. Da es bisweilen in seiner Macht stünde, zur Sicherung seines Volkes die Gefangenen zu tödten, so kann er sie um so mehr zu Sklaven machen. 3) Aus einem Verbrechen oder einer gerechten Verurtheilung; der Schuldige kann zum Tode verurtheilt werden, also um so mehr zur Sklaverei, da es mit Recht als die höchste Strafe gilt, ihm das Leben zu nehmen. 4) Aus der Geburt im Stande der Sklaverei: denn diejenigen sind nach dem Rechte Sklaven, welche von Sklaven durch Geburt abstammen. So entscheidet nach der gewöhnlichen Meinung das Völkerrecht.“ (J. P. Gury, Moraltheologie. In's Deutsche übertragen von Johann Georg Wesselack. Nach der neuesten Ausgabe des lateinischen Originals bearbeitete, sehr vermehrte und verbesserte Auflage, Regensburg 1869, S. 250 f.)