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WARUM FEIERE ICH DIE HEILIGE MESSE EXKLUSIV IM ÜBERLIEFERTEN RITUS? (8) Vortragsreihe v. Kaplan A. Betschart

Gehorsam und die Verweigerung der Zelebration der Hl. Messe gemäss NOM

Vielleicht ist bei dem einen oder anderen von Ihnen die Frage aufgetaucht, wie sich diese Haltung - die Hl. Messe exklusiv im überlieferten Ritus zu feiern - wie dies mit dem Gehorsam in Übereinstimmung gebracht werden kann. Wir wissen ja, dass die kirchlichen Oberen nicht unglücklich wären, wenn wir diese Haltung aufgeben würden. Ich versuche folgende persönliche Antwort zu geben, weil es hier letztlich um eine persönliche Entscheidung geht.

1. Mit dem Begriff der Evidenz: Um dem Philosophiebuch aus längst vergangenen Tagen wieder einmal die Ehre zu geben, daraus die folgende Definition:

“Unter Evidenz oder Einleuchten versteht man das klare Sichzeigen der Dinge gegenüber dem erkennenden Geiste” (B. Kälin).

- Zuerst ergibt sich für mich eine theologische Evidenz. Diese Evidenz hinsichtlich des NOM ist für mich gegeben, der zwar in sich gültig ist, wenn er so gefeiert wird, wie er von Papst Paul VI. promulgiert wurde, der aber nachweisbar für Häresien offen ist. (Darüber gibt es genügend Fachliteratur.) Ein solcher Ritus kann unmöglich der Wille Gottes sein, zumal es hier um das Heiligste geht, das uns anvertraut wurde - sozusagen um das Herz der Kirche.

- Dann gibt es für mich eine pastorale Evidenz: Dies ist die heutige seelsorgerliche Praxis, nämlich das, was in den Pfarreien aus dem NOM gemacht worden ist oder immer wieder gemacht wird: es werden ungültige Messen gefeiert. Dieser krasse Abusus, der bis zur Blasphemie geht, war zur Zeit vor dem Konzil, als es den einheitlichen, klassischen römischen Ritus gab, schlicht unvorstellbar.

- Schliesslich die Evidenz der Tradition: Dazu möchte ich den ersten Abschnitt aus dem Vortrag zitieren, den Prof. Dr. Robert Spaemann anlässlich der Versammlung des Vereins Pro Missa Tridentina in Frankfurt am 23. 4. 1994 gehalten hat:

“John Henry Newman, der grosse englische Konvertit und spätere Kardinal, hat in einer Predigt zum Fest der Beschneidung des Herrn über die Tatsache gesprochen, dass die Kirche in ihrer ganzen Geschichte seit den Tagen der Apostel niemals einen alten, durch lange Gebetsgewohnheit geheiligten Ritus abgeschafft hat. Auch nach dem Pfingstfest gingen die Apostel und die ersten Christen regelmässig zum Gebet in den Tempel von Jerusalem. Man weiss nicht, wie lange. Es gab keinen Beschluss, diese Praxis zu irgendeinem Termin zu beenden. Riten können absterben. Sie können durch katastrophale Ereignisse - wie die Zerstörung des Tempels in Jerusalem - verschwinden. Sie können sich allmählich wandeln und entwickeln. Sie einfach abschaffen, wäre, so sagt Newman, ein Anschlag auf den Glauben der Menschen. Denn eine solche Abschaffung kann nie ohne schweren Schaden für den Glauben geschehen. Der Mensch ist ein leibliches Wesen. Sein Gottesverhältnis inkarniert und konkretisiert sich in bestimmten leibhaftigen Formen, die dadurch geheiligt werden. Gewiss, man darf diese Formen nicht verabsolutieren. Das hat die Kirche auch nie getan. Es gab ja fast immer in ihr eine Pluralität von anerkannten Riten. Aber die Abschaffung eines alten, legitimen Ritus wäre immer als ein Akt der Tyrannei betrachtet worden, ein Attentat auf den lebendigen, inkarnierten Glauben und auf die Frömmigkeit der Menschen” (Rundbrief Pro Missa Tridentina Nr. 7, Mai 1994).

So bin ich - ich spreche für mich selbst - der festen und sicheren Überzeugung, den Willen Gottes zu erfüllen, wenn ich die Hl. Messe exklusiv im überlieferten Ritus feiere. Würde ich es nicht tun, so würde mich mein Gewissen anklagen.

2. Ich zelebriere die Hl. Messe exklusiv im überlieferten Ritus auf Grund der Lehre des sogenannten “Tutiorismus”, dem man - wie Sie wissen - nicht in allen Punkten folgen kann - im folgenden Sinne:

“Überall, wo kein anderes Gut auf dem Spiele steht als die Rechtheit des Gewissens (die honestas agentis), können im Zweifelsfall die Klugheitsregeln angewandt werden. Wo dagegen über die subjektive Rechtheit des Gewissens hinaus ein Gut gefährdet ist, das wir wahren müssen oder ein Übel droht, das wir vermeiden müssen, muss im Zweifelsfall der sicherere Weg gewählt werden. Der Grund ist klar: Die sittliche Handlung ist nicht nur nach ihrer inneren Rechtheit zu betrachten, sondern auch nach ihren Auswirkungen auf die Ordnungen des Daseins. Weil diese Wirkungen oft genug nicht allein von der guten Überzeugung des Handelnden abhängen, ergibt sich, dass in vielen Fällen die sicherere Meinung (sententia tutior, nicht certior!) entgegen jeder bloss wahrscheinlichen Meinung zu befolgen ist. Vor allem in folgenden Fällen: Wenn es sich um die gültige Spendung der Sakramente handelt, wenn das eigene Seelenheil auf dem Spiele steht, wenn aus der Befolgung der bloss probablen Meinung ein zeitlicher oder geistlicher Schaden des Nächsten folgen könnte, den zu vermeiden wir verpflichtet sind” (B. Häring, Das Gesetz Christi, Freiburg i. Br. 19563, S. 216 f.).

Für mich also ist der überlieferte Ritus der Hl. Messe die sicherste Form für das Sakrament der heiligsten Eucharistie. Warum?

- Zunächst wegen der Würde und der Erfahrung seines Alters. Geht doch dieser Ritus, vor allem der Kanon, in seinem Urgestein auf apostolische Tradition zurück. Selbst Papst Paul VI. gesteht, dass “zahllose, sehr heilige Männer ihre Herzensfrömmigkeit gegen Gott ... (daraus) genährt haben”.

- Das dogmatische, allgemeine Konzil von Trient hat ihn als “frei von jeglichem Fehler” erklärt:

“Das Heilige muss heilig verwaltet werden. Da es nun nichts Heiligeres gibt als dieses Opfer, so hat die katholische Kirche, um würdig und ehrfurchtsvoll zu opfern und zu empfangen, seit vielen Jahrhunderten den heiligen Kanon eingeführt. Er ist frei von jedem Irrtum und enthält nichts, was nicht ganz und gar Heiligkeit und Frömmigkeit atmet und die Herzen der Opfernden zu Gott emporrichtet. Denn er besteht aus Worten des Herrn selbst, aus den Überlieferungen der Apostel und aus den frommen Einrichtungen heiliger Kirchenfürsten” (DS 1745).
“Wer sagt, der Messkanon enthalte Irrtümer und sei deshalb abzuschaffen, der sei ausgeschlossen” (DS 1756).


Zur Illustration der gegenwärtigen Lage: “Unlängst wurde in der Leitung eines bischöflichen Theologenkonvikts ausdrücklich beschlossen, dass die Benützung dieses Hochgebets die Grenzen des im Konvikt praktizierten Pluralismus sprengen würde. Sie ist nicht gestattet” (R. Spaemann, aaO.).

- Weiter: Ritus inclusive Kanon übermitteln und schützen die ganze Lehre, und zwar eindeutig und irrtumsfrei. Infolge dieser Eindeutigkeit wird die Ehrfurcht und die vollständige Bewahrung der durch Jesus Christus geoffenbarten und durch die Kirche definierten Lehre über das Hl. Messopfer garantiert. Dazu ein Zitat aus der Enzyklika MYSTERIUM FIDEI Papst Pauls VI. vom 3. September 1965, TIPOGRAFIA POLIGLOTTA VATICANA:

“Bei Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens ist es auch notwendig, eine exakte Ausdrucksweise beizubehalten, damit beim Gebrauch ungeeigneter Worte uns nicht falsche Ansichten - was Gott verhüten wolle - bezüglich der tiefsten Glaubensgeheimnisse in den Sinn kommen ... Die Norm zu sprechen, die die Kirche in jahrhundertelanger Arbeit mit dem Beistand des Heiligen Geistes festgelegt und die sie durch die Autorität der Konzilien bestätigt hat und so Kennzeichen und Banner der Rechtgläubigkeit geworden ist, muss heilig gehalten werden. Niemand wage es, sie nach seinem Gutdünken oder unter dem Vorwand einer neuen Wissenschaft zu ändern ...” (S. 15-17).

Daraus ergibt sich für uns die schwere Aufgabe, Widerstand zu leisten, ohne dass wir den Gehorsam verletzen, jedoch mit grosser Ehrfurcht und mit noch grösserer Liebe - und auch in der Haltung, lieber Unrecht zu erleiden als Unrecht zu tun, um bei dieser Gratwanderung nicht abzustürzen.
Der Fachmann seinerzeit in Fragen des Gehorsams, Prof. Alois Müller, hat im Jahre 1964 mit kirchlicher Druckerlaubnis geschrieben: “Das wirkliche Gehorsamsproblem in der Kirche - und das wird oft übersehen - haben heute nicht die Ungehorsamen, sondern die Gehorsamen.”

Wie dies zu verstehen ist, verdeutlicht ein Zitat des verstorbenen P. Ludwig Volk SJ (s. Z. Ordinarius für Kirchengeschichte in München), einem Mitarbeiter am HANDBUCH DER KIRCHENGESCHICHTE, herausgegeben von Hubert Jedin und Konrad Repgen). In seinem Beitrag “Die Kirche in den deutschsprachigen Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) schreibt P. Ludwig Volk:

“Angriffe von drinnen und draussen kann kirchliche Amtsautorität bestehen, solange sie auf festen Grundsätzen ruht und nicht durch inneren Widerspruch sich selbst aufhebt. Der Glaube an die Prinzipienkonformität bischöflichen Handelns ist nun gerade in Kreisen des Kirchenvolkes erschüttert worden, die bislang nicht gegen, sondern für die Wahrung der Hirtenautorität eingetreten sind. Ausgelöst wurde ihre Kritik am unterschiedlichen Gebrauch der Leitungsgewalt durch das Verbot der Messfeier in der tridentinischen Form. Steht dieses doch in auffallendem Kontrast zu der Nachsicht, mit der die Bischöfe jahrelang über liturgische Aberrationen und Eigenmächtigkeiten hinweggesehen haben. Das passive Treibenlassen im einen und die resolute Befristung im anderen Fall, haben unvermeidlich den Verdacht geweckt, dass nicht primär Sacherfordernisse, sondern das Ausmass der vermuteten Gehorsamsbereitschaft die Entschlüsse des Hirtenamtes bestimmen könnten. Sollte sich der Gebrauch der Bischofsautorität allzu sehr von pragmatischen Erwägungen leiten lassen, die in der Versuchung lägen, die Progressiven liberal, Konservative dagegen autoritär zu behandeln, oder, um es pointiert zu sagen, den einen als machtlose Liebeskirche, den andern als lieblose Machtkirche zu begegnen, so könnte das Ergebnis nur wachsende Entfremdung sein” (Band VII, S. 560 f., Freiburg i. Br. 1979).

Wie wir sehen und erleben können, hat sich die schmerzliche Wahrheit dieses Wortes seit 1964 in ungeahnter Weise verschärft. Der Gehorsam in der Kirche ist für nicht wenige gutgesinnte Gläubige zu einem ganz grossen Problem geworden, zu einer echten Glaubensnot. Viele Gläubige wurden durch diese neue kirchliche Situation ratlos, verwirrt und verunsichert. Denn offensichtliche Irrlehrer durften und dürfen z. T. heute noch ihre Häresien von Kanzel und Katheder frei und ungehindert verkünden; die Feier der Hl. Messe im überlieferten Ritus dagegen wurde eine zeitlang verboten; in manchen Diözesen hat sich dies bis heute nicht geändert. Dafür wurden Priester und Gläubige verpflichtet, eine Messe zu feiern, die - vorsichtig ausgedrückt - allzu deutlich von unkatholischen Tendenzen gezeichnet ist. Manche Gläubige wurden auf Grund dieser Situation selbst am Papste irre, vielleicht sogar an seiner Unfehlbarkeit.
Dass Päpste auch Fehlentscheidungen treffen können, wenn sie nicht “ex cathedra” entscheiden, zeigt uns die Kirchengeschichte. Als Beispiel sei Papst Liberius (352-366) genannt, der die ganze Wucht der arianischen Wirren zu spüren bekam. Kaiser Konstantius II., ein Freund der Arianer, setzte mit brutaler Gewalt durch, dass Athanasius auch im Westen verdammt wurde. Zugleich “verlangte er die Zustimmung zu Formulierungen, die sich vom nicänischen ‘homoousios’ entfernten und den Sohn statt ‘wesensgleich’ dem Vater nur ‘ähnlich (‘homoiousios’) sein liessen; radikale Gruppen sprachen bereits davon, dass er vom Vater ‘gänzlich verschieden’ (‘anomoios’) sei ... Selbst die Legaten des Papstes liessen sich zur Unterschrift drängen. Doch Liberius weigerte sich, diese Unterschriften anzuerkennen. Er wurde dafür von Konstantius 355 nach Beröa in Thrazien verbannt ... In der Not und Verzweiflung der Verbannung wurde der bisher so tapfere Bischof (Papst) schwach. Er unterzeichnete die sogenannte 3. sirmische Formel, eine eindeutig subordinatianische Formulierung, die die ‘Wesensgleichheit’ (homoousios) in eine ‘Ähnlichkeit’ (homoiousios) des Sohnes mit dem Vater verfälschte; Liberius suchte sie durch den Zusatz, dass der Sohn ‘in jeder Hinsicht’ dem Vater ähnlich sein (hómoios katá pántoon), abzuschwächen. Dennoch bedeutete sie den Bruch mit dem nicänischen Glaubensbekenntnis und den Abbruch der Kirchengemeinschaft mit Athanasius. Dadurch erkaufte er sich von Konstantius II. die Erlaubnis zur Rückkehr nach Rom im Jahre 358. Aber sein Ansehen und das der römischen Kirche waren schwer geschädigt” (A. Franzen - R. Bäumer, Papstgeschichte, S. 49 f.). - So viel zu diesem besonderen Aspekt des Gehorsams.
Viele Gläubige, aber auch Priester, sind wegen der liturgischen Situation zutiefst betroffen. Ein schweres Kreuz lastet auf ihnen. Trotzdem wollen wir nicht mutlos werden, sondern im Vertrauen auf die Verheissung Christi -

“Seht, ICH bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt” (Mt 28,20) -

umso mehr beten und opfern, damit ER Seiner Kirche dieses kostbare Gut, den überlieferten Ritus des Hl. Messopfers, wieder erneut schenken möge!

“Die Liturgie ist der Schlüssel unseres gesamten Verständnisses von dem, womit wir konfrontiert sind, wer wir sind, und von dem, was wir tun müssen.

Es wird auch keinen anderen Weg geben, um das Kommende zu überstehen. Die Liturgie ist unser wesentlicher und wirkmächtigster Begegnungsraum mit Gott. Wir haben die Pflicht, einen Ort zu finden, wo der Priester und das Volk Gott in einer Weise anbeten, die IHM wohlgefällig und angemessen für IHN ist.

Sobald dieser Ort gefunden ist, fliehe zu ihm. Klammere dich an IHN. Mach dir keine Sorgen über die Widerwärtigkeiten die du ertragen musst, um ihn zu erreichen, denn Gott weiss diese Dinge, und ER wird dich für diese Mühen segnen.

Sei an deinen Platz im Universum erinnert. Unterwirf dich DEM, der es regiert. Liebe IHN aus deinem ganzem Herzen, deinem Verstand und mit aller Kraft, und verehre IHN so, wie ER es verdient. Es ist eine Entscheidung, die Du nie bereuen wirst”

(davilatollkuehnin Steven Skojec 13. Februar 2017 in traditionundglauben.com/tag/liturgiereform/ ).
Giuseppe_da_Copertino
Das Bild zeigt Papst Gregor I. (der Große) und wird in der Kunst als Gregorsmesse bezeichnet. Siehe auch de.wikipedia.org/wiki/Gregorsmesse
prince0357
Interessant an dem Bild sind einige kleine fast übersehbare Finessen:
1. Stola des privatim zelebrierenden Papstes ungekreuzt
2. Subdiakon mit Schelle auf der Evangelienseite
3. Auf der Epistelseite ein Kleriker im Rochette mit Stola hält die Tiara in seinen Händen, ungeschützt ohne Handschuhe da geweiht.
Eremitin
Das Bild finde ich wunderschön, welcher Papst ist dargestellt?