Nach 500 Jahren erstmals Vertreter Roms bei einer Krönung in London

Von den Bilderbergern zu den Royals – die ersten Male von Kardinalstaatssekretär Parolin


Die anglikanische Krönung des katholischen Königs Jakob II. 1685.
Die anglikanische Krönung des katholischen Königs Jakob II. 1685.

(Lon­don) Nach­dem Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin 2018 als erster Ver­tre­ter des Hei­li­gen Stuhls an einem kon­spi­ra­ti­ven Bil­der­ber­ger-Tref­fen teil­ge­nom­men hat­te, fällt es ihm mor­gen auch zu, nach über 500 Jah­ren als erster Ver­tre­ter Roms an der Krö­nung eines Königs von Eng­land bzw. Königs von Groß­bri­tan­ni­en teilzunehmen.

Letzte katholische Krönung erfolgte 1553

Anzei­ge

Die letz­te Krö­nung eines katho­li­schen Mon­ar­chen in Anwe­sen­heit eines päpst­li­chen Lega­ten erfolg­te in Lon­don 1509. Gekrönt wur­de damals jener Hein­rich VIII. aus dem wali­si­schen Haus Tudor, der 1531 aus Eigen­nutz, um sei­ne gül­ti­ge Ehe auf­lö­sen zu kön­nen, die Ein­heit der Kir­che von Eng­land mit Rom been­de­te, um eine ihm selbst unter­ste­hen­de Staats­kir­che zu errich­ten. Der Schritt war für Eng­land schwer trau­ma­tisch, hat­te sich doch der­sel­be König bis dahin als ent­schie­de­ner Ver­tei­di­ger der katho­li­schen Kir­che gegen die pro­te­stan­ti­sche Refor­ma­ti­on her­vor­ge­tan. Nun, da der König sei­nem Land eine eige­ne Kir­che, einen Hybrid zwi­schen katho­li­scher Kir­che und Pro­te­stan­tis­mus, auf­ge­zwun­gen hat­te, dran­gen Luther­tum und Cal­vi­nis­mus auf den bri­ti­schen Inseln ein und konn­ten dort Wur­zeln schlagen.

Es folg­te eine grau­sa­me Kir­chen­ver­fol­gung. Den­noch saßen seit­her auch katho­li­sche Mon­ar­chen auf dem Thron Eng­lands. Das waren Maria I., die Toch­ter Hein­richs VIII., die ihrem katho­li­schen Glau­ben treu geblie­ben war. Maria war die erste Frau auf dem eng­li­schen Thron. Sie regier­te von 1553 bis 1558. Auch die Krö­nungs­ze­re­mo­nie in der West­min­ster Abbey, einst eine Bene­dik­ti­ner­ab­tei, seit der Refor­ma­ti­on ein angli­ka­ni­sches Kol­le­gi­ats­stift, erfolg­te im katho­li­schen Ritus durch ihren katho­li­schen Lord­kanz­ler und Bischof von Win­che­ster Ste­phan Gar­di­ner. Die Din­ge waren damals noch im Fluß, ihre Umkeh­rung nicht aus­ge­schlos­sen. Maria lehn­te jeden Sakra­men­ten­emp­fang von einem von Rom abge­fal­le­nen Kle­ri­ker ab. Die pro­te­stan­ti­sche Pro­pa­gan­da hef­te­te ihr den dis­kre­di­tie­ren­den Bei­na­men „die Blu­ti­ge“ an. Durch ihren frü­hen Tod brach ihr Ver­such der Wie­der­her­stel­lung der katho­li­schen Kir­che in Eng­land unter ihrer Halb­schwe­ster Eli­sa­beth I. zusam­men, die ihr auf den Thron folg­te. Uner­bitt­lich demon­strier­te Eli­sa­beth ihre anti­ka­tho­li­sche Gesin­nung, indem sie sich in West­min­ster im sel­ben Grab, aber über ihrer katho­li­schen Halb­schwe­ster Maria bestat­ten ließ. Selbst im Tod soll­te die katho­li­sche Köni­gin durch die angli­ka­ni­sche Mon­ar­chin unsicht­bar gemacht und die katho­li­sche Sache gede­mü­tigt werden.

In der wei­te­ren histo­ri­schen Ent­wick­lung Eng­lands soll­te auch die im Bild dar­ge­stell­te Rang­fol­ge von Bedeu­tung sein: Papst Leo X., Kai­ser Karl V. und König Hein­rich VIII., die abge­schüt­telt wer­den sollte.

Katho­lisch war auch Jakob II. aus dem schot­ti­schen Königs­haus Stuart. Er regier­te von 1685 bis 1689. Er war sei­nem Bru­der Karl II. auf den Thron gefolgt, der selbst auf dem Ster­be­bett zur katho­li­schen Kir­che zurück­ge­kehrt war. Die Krö­nungs­ze­re­mo­nie in West­min­ster fand, anders als bei Maria I., aber angli­ka­nisch statt, wur­de jedoch soweit geän­dert, daß sie den katho­li­schen Mon­ar­chen nicht belei­dig­te. Den Kom­mu­nion­emp­fang aus der Hand des angli­ka­ni­schen Kle­rus lehn­te der König ab. Vier Jah­re nach sei­ner Thron­be­stei­gung wur­de Jakob II. von den in ihrer Rom-Feind­lich­keit ver­ei­nig­ten angli­ka­ni­schen und pro­te­stan­ti­schen Kräf­ten gestürzt und muß­te ins Exil gehen.

Weder bei der Krö­nung Mari­as noch Jakobs II. war ein Ver­tre­ter des Hei­li­gen Stuhls zuge­gen. Eine sol­che Anwe­sen­heit wäre ange­sichts der radi­ka­len Rom-Feind­lich­keit in Tei­len Eng­lands undenk­bar gewesen.

Die Machtkonzentration des britischen Königshauses

1707 kam es zu einer weit­rei­chen­den Zäsur. Seit 1603 regier­te das eigent­li­che katho­li­sche Königs­haus der Stuarts auch über Eng­land. Dafür muß­ten sich die Mon­ar­chen, mit den genann­ten Aus­nah­men, zur angli­ka­ni­schen Gemein­schaft beken­nen. 1707 wur­de die­se Per­so­nal­uni­on in eine Real­uni­on umge­wan­delt und Schott­land und Eng­land zum Ver­ei­nig­ten König­reich Groß­bri­tan­ni­en zusam­men­ge­schlos­sen. 1714 bestieg das deut­sche Wel­fen­haus (Haus Han­no­ver) den bri­ti­schen Thron. Durch die Ehe der letz­ten eng­li­schen Wel­fin, Köni­gin Vic­to­ria, regiert in Groß­bri­tan­ni­en seit 1901 das eben­falls deut­sche Haus Sach­sen-Coburg-Gotha, das sich wegen der anti­deut­schen Stim­mung im Ersten Welt­krieg 1917 in Wind­sor umbenannte.

Der eng­li­sche König ist seit Hein­rich VIII. zugleich auch Ober­haupt der Angli­ka­ni­schen Kir­che. Das gilt auch für Karl III. (Charles III.), des­sen Krö­nung mor­gen in West­min­ster erfol­gen wird.

Die Macht­kon­zen­tra­ti­on des bri­ti­schen Königs­hau­ses geht noch weit dar­über hin­aus. Es herrscht, wenn auch im Rah­men einer kon­sti­tu­tio­nel­len Mon­ar­chie, über Groß­bri­tan­ni­en und in Abstu­fun­gen in ande­ren Völ­ker­rechts­sub­jek­ten, dar­un­ter Kana­da, Austra­li­en und Neu­see­land, sowie direk­tem Kron­be­sitz wie der Insel Man und den Kanal­in­seln Guern­sey und Jer­sey und steht an der Spit­ze der Kir­che von Eng­land. Seit 1737 ist ein Mit­glied der Königs­fa­mi­lie auch immer Mit­glied der 1717 gegrün­de­ten Groß­lo­ge von Eng­land, der Mut­ter­lo­ge der welt­wei­ten Freimaurerei.

Drei bri­ti­sche Köni­ge, dar­un­ter Edu­ard VII., beklei­de­ten per­sön­lich das Amt des Groß­mei­sters der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von England.

Köni­gin Vic­to­ria und Köni­gin Eli­sa­beth II. waren als Frau­en zwar nicht selbst Logen­mit­glie­der, hat­ten jedoch die Schirm­herr­schaft über eine Rei­he von frei­mau­re­ri­schen Orga­ni­sa­tio­nen inne. Eli­sa­beths Mann, Prinz Phil­ipp, war Frei­mau­rer und eben­so sind es zwei ihrer Cou­sins. Prinz Edward, Her­zog von Kent, und sein jün­ge­rer Bru­der Prinz Micha­el von Kent. Bei­de sind Onkel zwei­ten Gra­des des neu­en Königs. Der Her­zog von Kent ist seit 55 Jah­ren Groß­mei­ster der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land. Sein Bru­der Micha­el seit 40 Jah­ren Groß­mei­ster der Groß­lo­ge der Mark Master Masons. Die Mark-Mau­re­rei ist eines der älte­sten Hoch­grad-Syste­me der Freimaurerei.

Drei Köni­ge, Georg IV. (1790–1813), Edu­ard VII. (1874–1901) und Georg VI. (1936–1937), waren zugleich Ober­haupt der Angli­ka­ni­schen Kir­che und Groß­mei­ster der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land, der Mut­ter­lo­ge der welt­wei­ten Freimaurerei.

Man kann dar­aus fol­gern, daß das bri­ti­sche Königs­haus in sei­nem Reich mög­lichst alles direkt und selbst kon­trol­liert und damit auch welt­weit eine füh­ren­de Rol­le spielt.

Die Teilnahme kirchlicher Vertreter an der nicht-katholischen Zeremonie

Das Teil­nah­me­ver­bot an aka­tho­li­schen reli­giö­sen Zere­mo­nien gilt im Gefol­ge des Doku­ments Nost­ra Aet­a­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils seit dem Öku­me­ni­schen Direk­to­ri­um von 1993 als aufgehoben.

Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin wird mor­gen vom Apo­sto­li­schen Nun­ti­us in Groß­bri­tan­ni­en, Erz­bi­schof Miguel Mau­ry Buen­día, beglei­tet wer­den. Bei­de Kir­chen­ver­tre­ter wer­den an der Zere­mo­nie in der West­min­ster Abbey teil­neh­men, was eine abso­lu­te Neu­heit dar­stellt, seit sich die Eli­ten des Lan­des 1531 von Rom lossagten.

1953, als Eli­sa­beth II. gekrönt wur­de, war es Kir­chen­ver­tre­tern noch unter­sagt, an nicht­ka­tho­li­schen reli­giö­sen Zere­mo­nien teil­zu­neh­men. Die römi­schen Ver­tre­ter beob­ach­te­ten im Frei­en jedoch den fei­er­li­chen Ein­zug in die Stifts­kir­che von West­mi­ni­ster. Der dama­li­ge Pri­mas von Eng­land und Wales, Kar­di­nal Ber­nard Grif­fin, Erz­bi­schof von West­min­ster (gemeint ist das 1850 errich­te­te katho­li­sche Erz­bis­tum), blieb der Krö­nungs­ze­re­mo­nie hin­ge­gen völ­lig fern, zele­brier­te jedoch am Vor­abend eine hei­li­ge Mes­se für die neue Monarchin.

Hohen eng­li­schen Wür­den­trä­gern wie dem Her­zog von Nor­folk, dem tra­di­tio­nell rang­höch­sten katho­li­schen Lai­en des Lan­des, wur­den Aus­nah­men gewährt, um ihren zere­mo­ni­el­len Pflich­ten bei der Krö­nung nach­kom­men zu können.

Krö­nung von Köni­gin Eli­sa­beth II. im Jahr 1953

Das hat zur Fol­ge, daß Kar­di­nal Vin­cent Nichols, der der­zei­ti­ge katho­li­sche Pri­mas von Eng­land und Wales, seit bald 500 Jah­ren als erster katho­li­scher Bischof bei der Krö­nung sogar eine Rol­le spie­len wird. Zuletzt hat­te Erz­bi­schof Gar­di­ner 1553 eine zen­tra­le Rol­le gespielt, indem er Köni­gin Maria salb­te und krön­te. Kar­di­nal Nichols wird mor­gen in der West­min­ster Abbey nicht nur anwe­send sein, son­dern König Karl III. dort auch segnen.

Neben dem Pri­mas von Eng­land und Wales wer­den mor­gen auch Erz­bi­schof Eam­on Mar­tin von Armagh, Pri­mas von Irland, und Bischof Hugh Gil­bert von Aber­deen, Pri­mas von Schott­land, anwe­send sein. Für Wales gilt das zusätz­lich auch für Erz­bi­schof Mark O’Toole von Cardiff.

Papst Fran­zis­kus schenk­te dem neu­en König und damit dem bri­ti­schen Königs­haus zum „Zei­chen des öku­me­ni­schen Dia­logs“ zwei Frag­men­te des hei­li­gen Kreu­zes, an das Jesus Chri­stus geschla­gen wor­den war. Sie wur­den in das wali­si­sche Kreuz ein­ge­ar­bei­tet, das mor­gen die Krö­nungs­pro­zes­si­on zur West­min­ster Abbey anfüh­ren wird. Das Kreuz hat­te Charles, der als Kron­prinz bis­her Fürst von Wales war, der Church in Wales (wali­sisch Efl­wys yng Nghym­ru) 2020 zu ihrem hun­dert­jäh­ri­gen Bestehen geschenkt. Sie war 1920 durch den Welsh Church Act durch Los­tren­nung von der Church of Eng­land ent­stan­den. Vier ihrer heu­te sechs Bis­tü­mer sind alte katho­li­sche Diözesen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​Youtube (Screen­shots)

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