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Agrarmärkte und Rohstoffpreise

Preisexplosion bei Agrarrohstoffen – Lebensmittel werden knapp

Reissäcke.
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Dr. Olaf Zinke, agrarheute
am Sonntag, 13.06.2021 - 06:30 (2 Kommentare)

Die Preise für Agrarrohstoffe sind 40 Prozent höher als vor einem Jahr. Das hat Folgen für die Versorgung und die Inflation.

Agrarrohstoff-Preise.

Die globalen Preise für Agrarrohstoffe steigen seit einem Jahr ununterbrochen. Im Mai waren Nahrungsmittel-Rohstoffe fast 40 Prozent teurer als im Jahr zuvor, berichtet die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Zugleich wurde der stärkste monatliche Preisanstieg seit über einem Jahrzehnt verzeichnet – nämlich 4,8 Prozent.

Abdolreza Abbasian, Chef-Ökonom der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), sagte in einer Videokonferenz gegenüber internationalen Medien, dass die überraschend starke Nachfrage nach Mais und Getreide aus China, eine anhaltende Dürre in Brasilien und der gleichzeitig kräftig zunehmende globale Verbrauch von Pflanzenölen, Zucker und Getreide, zu dem rasanten Preisanstieg geführt haben.

„Diese starke Nachfrage, würde ich sagen, hat alle überrascht", sagte Abbasian. Und weiter erklärte der FAO-Ökonom: „Diese Nachfrage erfordert eigentlich auch eine starke Reaktion des Angebots.“ Doch die benötigten und georderten Produkte war in vielen Marktsegmenten überhaupt nicht vorhanden. Das war dann auch das Signal für steigende Preise. Denn: Preise messen Knappheiten.

Doch dieses Phänomen war auf Agrarrohstoffen beschränkt: Zuletzt schossen die Preise nämlich für praktisch sämtliche Rohstoffe und Vorprodukte nach oben, angefangen bei Nahrungsmitteln, über Stahl und Kupfer, bis hin zu Bauholz und Energie.

In den Ländern, die der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angehören (OECD), kletterten die Nahrungsmittelpreise deshalb schon im April auf den höchsten Wert seit dem Jahr 2008.

Keinen Spielraum für weitere Angebotsschocks

Getreideschiff.

Der steile Anstieg der Lebensmittelpreise hat bei vielen Ökonomen zudem Erinnerungen an die Jahre 2008 und 2011 wachgerufen. Damals hatte die Preisexplosion in mehr als 30 Ländern auch zu massiven politischen Unruhen geführt.

„Wir haben derzeit nur sehr wenig Raum für Produktionsschocks. Und wir haben in den meisten Ländern nur sehr wenig Spielraum für einen unerwarteten Anstieg der Nachfrage“, betonte Abdolreza Abbasian. „All diese Probleme und Verwerfungen können die Preise noch weiter in die Höhe treiben. Höher als sie jetzt schon sind, und dann müssen wir uns wirklich ernste Sorgen machen.“

Fakt ist auch: Die steigenden Preise für Grundnahrungsmittel kommen weltweit in die Regalen des Lebensmittehandels an, wobei viele Länder in Afrika und Asien über deutlich höhere Kosten für den Einkauf und den Import von Lebensmittel berichten. Die Auswirkungen dürften in den ärmsten, importabhängigen Länder mit geringer Kaufkraft und begrenzten sozialen Sicherheitsnetzen, besonders schlimm sein, vor allem wenn sie noch mit der anhaltenden Corona-Pandemie zu kämpfen haben, sagt der FAO-Experte.

Das Hungerproblem der Welt hat nach Angaben von Abbasian derzeit den schlimmsten Stand seit vielen Jahren erreicht, eben weil die Pandemie die Nahrungsmittelungleichheiten und die Versorgungsprobleme erheblich verschärft.

In Westeuropa und in den USA steigen die Lebensmittelpreise ebenfalls kräftig. In den USA kletterten die Nahrungsmittelpreise bereits im April um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während Nahrungsmittel sich in Deutschland im Mai um 2,2 Prozent verteuerten.

Globale Inflation droht die Wirtschaft abzuwürgen

gemüse.

Markt- und Angebotsstörungen aufgrund von Corona-Restriktionen haben weltweit zu Versorgungs-Engpässen und höheren Preisen geführt. Ökonomen hatten befürchtet, dass die anziehende Nachfrage, in Verbindung mit dem sehr knappen Angebot, zu einer deutlich steigenden Inflation führen würde. Das ist nun offenbar geschehen. Das Frage lautet allerdings: Ist die Teuerung von Dauer oder steigen die Preise nur vorübergehend (temporär)?

Die anhaltende Knappheit bei allen Rohstoffen und die starke Teuerung könnte jedenfalls auch den globalen wirtschaftlichen Aufschwung nach Corona ausbremsen. In einigen Bereichen – wie dem Getreide-Sektor – könnte das Angebot mit der kommenden Ernte hingegen wieder zunehmen, glauben Analysten.

Die FAO prognostiziert für dieses Jahr jedenfalls eine globale Rekord-Ernte bei Getreide, was den Preisauftrieb dann doch abbremsen könnte. Ähnliche Prognosen macht derzeit auch das USDA und der Internationale Getreiderat. Doch noch steigt die Inflation steil an – ist aus vielen Ländern zu höheren. Und die neue Ernte ist noch lange nicht eingebracht.

Die Gefahr einer sich weiter beschleunigenden Inflaltion ist also weiterhin sehr hoch: Als Inflation bezeichnen die Ökonomen die Rate, mit der die Preise für Waren und Dienstleistungen ansteigen. Sie spiegelt aber nicht nur die Preise der Einkäufe bei Lebensmitteln und Dienstleistungen wider, sondern sie beeinflusst mittelfristig auch die Zinssätze und Hypotheken.

Nach Einschätzung von Ökonomen ist die Inflation eine der wichtigsten Messgrößen für den finanziellen Wohlstand, da sie bestimmt, was Unternehmen und Verbraucher für ihr Geld wirklich kaufen können. Auch Landwirten nützen die guten Verkaufspreise am Ende wenig - wenn gleichzeitig die Kosten für die Produktion und den Lebensunterhalt noch viel schneller nnach oben schießen - und die Erlöse komplett auffressen.

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