Auch am zweiten Tag ihrer „Mahnwache“ ist die Gruppe der selbst ernannten Lebensschützer „40 Days For Life“ gegenüber der Beratungsstelle Pro Familia überschaubar.
Sie hätten ihre Arbeit bislang nicht beeinträchtigt, berichtet Geschäftsführerin Edith Münch. „Wir freuen uns für unsere Klientinnen.“ Münch und ihr Team haben andere Szenarien erlebt. Ärztin Regina Arlt erinnert sich an 2018, als sie schwangere Frauen vor sich im Sprechzimmer sitzen hatte, „zusammengesunken und voller Schuldgefühle“.
Sie mussten zuvor an bis zu 20 Personen vorbei, die mit Plakaten vor dem Eingang von Pro Familia standen. Nun haben sie sich in etwa 20 Metern Entfernung auf der anderen Straßenseite versammelt zum „stillen Gebet“.
Der stellvertretende katholische Dekan Georg Lichtenberger wehrt sich gegen die Instrumentalisierung des Gebets. Es werde missbräuchlich für eine Demonstration benutzt, die er „unsäglich“ nennt.
„Frauen, die in einer Konfliktsituation sind, werden stigmatisiert und mit ihnen die Beraterinnen von Pro Familia an den Pranger gestellt.“ Lichtenberger beschreibt den „Spießrutenlauf“, den Frauen bei früheren Versammlungen der „40 Days“-Initiative erleben mussten. Er betont: „Jesus hat nie Menschen diffamiert.“
Pforzheimer Geistlicher verteidigt Beratungsangebote
Auf deren Plakaten stehen auch diesmal Slogans wie: „Jedes Leben ist wertvoll“, „Beschützerin des Ungeborenen.“ Für den Pforzheimer Geistlichen ist unbestritten: „Wir alle wollen Leben schützen.“
In erster Linie dafür gebe es die Beratungsstelle. „Wir müssen verhindern, dass Frauen in eine solche Situation geraten“, sodass sie keinen anderen Ausweg sähen, als einen Abbruch, schlussfolgert er. Beispielsweise gebe es zu wenig Pflegeeltern.
Jesus hat nie Menschen diffamiert.Georg Lichtenberger, stellvertretender katholischer Dekan
Auf einer Art Banner beziehen sich die Abtreibungsgegner auf Bibelstellen aus Markus- und Matthäus-Evangelium mit allgemeinen Aussagen ohne Bezug. Lichtenberger kontert mit einer anderen Bibelstelle, in der Jesus sage: „Wenn ihr betet, stellt euch nicht an die Straßenecke wie die Pharisäer.“
Während die fundamentalistische Gruppe an der Straßenecke steht, hoffen Münch und ihr Team, weiterhin ungestört ihre Beratungsarbeit leisten zu können, die stets ergebnisoffen sei, wie sie betont. Schwangere in Konfliktsituationen wüssten oft nicht, wie sie sich entscheiden sollten und kämen mehrmals.
SPD-Politikerin Mast rechnet mit gesetzlicher Regelung
Die staatlich anerkannte Beratungsstelle von Pro Familia ist die einzige nicht-konfessionelle in Pforzheim. Die Stadt legte kürzlich Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein gegen ein Urteil, das den Abtreibungsgegnern ihre Aktion in der Parkstraße ohne Auflagen erlaubt.
Dagegen kämpfen auch Pforzheimer Bundes- und Landtagsabgeordnete: „Wir müssen jeder Frau ungehinderten Zugang zu Schwangerschaftsberatungsstellen und Arztpraxen sicherstellen, ohne unter Beobachtung und mit indirekten Aufforderungen konfrontiert zu sein“, erklärte SPD-Politikerin Katja Mast. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) habe angekündigt, noch in diesem Jahr sei mit einer gesetzlichen Regelung zu rechnen.