Mit dem Aufstellen von „Liebeskreuzen“ versuchen Menschen, Unheil von sich abzuwenden. Wer steht dahinter?
„Unser Bischof hat es ja verboten, aber Gott sei Dank gibt es auch Priester, die nicht dem Bischof zum Gehorsam verpflichtet sind“, erzählt Theresia Hlavka aus Edlitz in der Steiermark freimütig. Also haben sie und ihr Mann doch einen Priester gefunden, der das Kreuz in ihrem Garten segnete. Einen „Segenspriester“ nennt sie daher den Mann. In seiner Tischlerei erzeugt Hlavka auch Kreuze. Rund 30 waren es bisher. Nicht aus geschäftlichen Gründen, sondern um der frommen Sache willen, versichert Theresia Hlavka. Auch nach Oberösterreich wurden Kreuze geliefert. Alles ist säuberlich hergerichtet für den bevorstehenden Winter im Garten von Friedrich Weinzierl in Leonding bei Linz. Im Rasenstück zwischen Zaun und Haus steht das hellblau und weiß gestrichene Kreuz – so will es die Vorschrift –, ein paar blühende Erika zu seinen Füßen. Umrahmt ist das Kreuz von einer Lichtgirlande. Der Stromanschluss befindet sich an der Rückseite. Seit Mai steht das Kreuz im Garten. Dass dieses Kreuz sein Haus vor Unglück bewahren wird, davon ist Weinzierl überzeugt. Er hat schon von Wundern gehört, die in Zusammenhang mit solchen „Liebeskreuzen“ berichtet werden.
Genau nach Maß
7,38 Meter hoch muss das Liebeskreuz sein. So hat es die Französin Madeleine Aumont aus Dozulè verfügt. Eine weitere Französin mit dem Pseudonym JNSR aus Grenoble (Je Ne Suis Rien = Ich bin nichts) beruft sich auf Privatoffenbarungen, die sie direkt durch Jesus bekommen hätte. Tausende „Kreuze der Liebe“ mit einer Höhe von 7,38 Metern sollen, sagt sie, auf Anweisung Christi weltweit aufgestellt werden. Die ein solches Kreuz aufstellen, könnten besondere Gnaden und vor allem Rettung erwarten. Sogar Wirbelstürme wären im rechten Winkel vor Inseln abgebogen, auf denen ein maßgetreues Kreuz stand.Die 7,38 Meter gehen auf die Seehöhe von 738 Metern zurück, in der das Todeskreuz Christi auf Golgotha gestanden sein soll. Ein 738 Meter hohes Kreuz zu bauen wäre technisch zwar möglich, aber kaum durchzusetzen. Deshalb hätte Jesus selbst einen Kompromiss erlaubt. Die Kreuze sollten in einem Hundertstel der Golgotha-Höhe errichtet werden. Nur noch wenig Zeit bliebe dafür. Das Kreuz – so lautet die Vorschrift – muss in weißer und blauer Farbe gestaltet und beleuchtet sein. Ideal ist eine Beleuchtung von innen, doch auch eine Lichtgirlande um das Kreuz herum ist „erlaubt“. Die Arme müssen genau je 1,23 Meter lang sein. Nur exakt nach diesen Angaben errichtete Kreuze bildeten den „Damm gegen das Böse“, sie könnten Kriege stoppen und ansteckende Krankheiten heilen, sagt die Seherin. An „verfälschten Kreuzen“ würde Gott „vorübergehen, ohne sie anzuschauen“. Durch das echte Kreuz jedoch würde das Böse in die Flucht geschlagen. Um die „Kreuze der Liebe“, Lichtkreuze oder „Glorreiche Kreuze“ genannt, bildet sich eine Art Kult. Mag. Christian Schmaranzer aus Gosau propagiert in Oberösterreich die Lichtkreuze. Der evangelische Theologe ist zum Katholizismus gewechselt. Er weiß um die Kritik daran. „Ein Kreuz kann niemals etwas Schlechtes sein“, meint er. Dass vor diesen Kreuzen täglich gebetet wird, sieht er als den eigentlichen Kern. Ein spezielles Gebet ist vorgeschrieben, in dem Gott um Erbarmen für die Lästerer und um Befreiung vom Satan gebeten wird, dazu ein Gesätzchen Rosenkranz. Pfarrer Franz Haidinger aus Traunkirchen meint: „Wenn das so ist, wie es von der Seherin beschrieben wird, kannst du vergessen, dass du getauft bist. Eine Messe oder die Kommunion dürften dann wirkungslos im Vergleich zum Kreuz sein.“ Bei der Herbst-Dechantenkonferenz wurde auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass nun versucht werde, Lichtkreuze auch an öffentlichen Orten aufzustellen. Bemängelt wurde von den Dechanten, dass die Anhänger der Liebeskreuze zwar den Segen für das Kreuz haben wollen, aber sonst kaum den Kontakt mit den Pfarren suchen. Die Referenten für Weltanschauungsfragen aus Österreich erwarten sich nun von der Bischofskonferenz Klärungen im Umgang mit solchen „Privatoffenbarungen“. Mit dem Kult würden Ängste und Unsicherheiten aufgebaut, meinen die Experten.
Aberglaube
Zum Thema
„Aberglaube ist das Für-wahr-Halten von Zusammenhängen, die es nachweislich nicht gibt“, meint der Referent für Weltanschauungsfragen in der Diözese Linz, Mag. Andreas Girzikovsky. Indem am Rande Stehendes in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt würde, käme es zu einem Misslingen der menschlichen Freiheit. Statt ihre eigene Verantwortung wahrzunehmen, setzten Menschen dann auf Äußerlichkeiten. Die behaupteten Zusammenhänge, dass etwa das Kreuz demjenigen, der es aufstellt, Gnaden vermittelt, dass Katastrophen verhindert würden oder dass das Böse in die Flucht geschlagen werde, passen nicht in das heute begründete Weltbild. Diese Behauptungen würden die menschliche Freiheit stark einengen. „Deshalb halte ich den Kult um diese Art von Kreuzen für einen modernen Aberglauben, eingekleidet in eine katholisch-religiöse Rhetorik“, meint Girzikovsky.