M.RAPHAEL
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Selbstverwirklichung ist böse

Heute sind die Menschen Selbstverwirklicher. Jeder macht sein Ding. Jeder holt sich, was er kriegen kann. Keiner verzichtet. Jeder ist ein Chef. Nachrichtenmoderatorinnen stehen in kurzen Röcken vor der Kamera wie Joe Gunslinger ohne irgendwelche Probleme, völlig ausbalanciert in ihrem weiblichen Körpergefühl, und berichten über verhungernde Kinder genauso souverän wie über ein Müllproblem in Hintertupfingen.

Begonnen hat diese Subjektwerdung mit der Reformation. Sie führt über Kants Definition von Aufklärung, seinem transzendentalen Idealismus, dem transzendentalen Subjekt, der Individuation von C.G. Jung, den Arbeiten von Fromm, Marcuse, Adler, Frankl, u.v.a., den Selbstfindungsprozessen in der zeitgenössischen Kunst, u.a. bei Maria Lassnig, aber im Prinzip bei allen, zu den Hippies der 60er Jahre und ihrem Motto: „Mach dein Ding!“ Die NEHMENDE Ich Bezogenheit der Selbstverwirklichung beherrscht das menschliche Denken, die menschliche Moral. Es verwundert nicht, dass das „katholische“ 2.Vat. und die Liturgiereform Folgen dieser kopernikanischen Wende im menschlichen Selbstverständnis sind, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wie ein bis dahin von der Allgemeinheit unbewusster Prozess in das Bewusstsein des Weltgeistes eingebrochen ist. Ab den 60er Jahren gilt: „Es ist gut. Der Personal Jesus will es auch. Mach was du willst. Hol es dir!“

Alle sind so davon überzeugt, dass es selbst ein Prinzip der Moralapostel geworden ist. Heute kämpfen auch die Gutmenschen für die Selbstverwirklichung. Feministische Frauen tanzen mit Regenbogen Flaggen um den Altar und schreien: „Wir wollen Macht! Wir sind die neue Maria 2.0!“

Pech: Gott will nicht die Selbstverwirklichung. Gott will das Selbstopfer. Gott will nicht das Nehmen. Gott will das Geben. Gott will nicht Macht und Stärke. Gott will die Verwundbarkeit und Schwäche des Opferlamms. Im Himmel füttert jeder den anderen. Wir verschenken uns gegenseitig bis zu einem solchen Grad, dass wir alle nur noch einen Willen haben, den Willen Gottes. Es ist in etwa wie Kernfusion im Vergleich zur Kernspaltung. Alles Leben ist gleichursprünglich. Ohne meine Mitbrüder/–schwestern könnte ich nicht leben. Wir leben nur zusammen. Das ist der Grund, warum die wissenschaftliche Kausalaxiomatik das Leben nie verstehen wird. Die Heilige Trinität.

Diese Wahrheit ist eingebettet in die göttliche Schöpfungsordnung. In einer einfachen anthropologischen Erfahrung möchte ich das erläutern. Das erste Jahr meines USA Studiums verbrachte ich in einem kleinen katholischen College in Maine. Alle waren sehr nett. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die Amerikaner anders waren als ich. Ich kam aus dem katholischen Österreich und war gewohnt, dass wir alle mehr oder weniger naiv und radikal offen miteinander umgingen. Im Dorfgasthaus fand jeder seine Heimat. Auch der Dorftrottel gehörte dazu. Jeder hatte seinen Platz und Wert. Wir waren irgendwie eine Gemeinschaft. In den USA war das jetzt ganz anders. Die wirklich lieben Mitstudenten schienen unverwundbar. Hinter einer Maske von offener Mitmenschlichkeit waren sie kalt. Sie waren die ersten Selbstverwirklicher, die ich kennen lernte. Als ich die USA am Ende meines Studiums verlassen habe, habe ich noch im Flugzeug gesagt, „Gott sei Dank nach Hause, die Amerikaner können nicht weinen.“ Ich liebe die USA. Ich liebe die Amerikaner, aber weinen können sie nicht. Sie beten die Stärke an. Schwäche verachten sie. Im besten Fall wollen sie sie in Stärke verwandeln, siehe die umfassenden Hilfen für Behinderte.

Der Punkt ist, Selbstverwirklicher sind gefangen in ihrem Selbst. Sie sind nicht mehr fähig, den Anderen liebevoll und wirklich gleichberechtigt zu akzeptieren. Sie sind nicht mehr fähig, ein liebevolles Mitglied im Bund Gottes zu werden. Sie sind nicht mehr verletzbar. Sie können nicht mehr weinen. Deshalb lassen sie sich scheiden. Deshalb treiben sie ab. Deshalb haben sie keinerlei Respekt vor der göttlichen Schöpfungsordnung und tun, was sie wollen.

Ostdeutsche werden mich verstehen. Im Kommunismus gab es keine Selbstverwirklichung. Deshalb machen sie ähnliche Erfahrungen mit den amerikanisierten Westdeutschen. Österreicher und Ostdeutsche haben in diesem Sinn einen guten Draht. Der Unterschied wird sein, dass der sozialistische Kollektivismus natürlich nur ein weiterer irdischer Versuch war, unsere himmlische Ordnung auf der Erde zu etablieren. Langfristig kann nur in einer sehr frommen katholischen Gesellschaft der je individuelle innere Schweinehund soweit besiegt werden, dass eine wirklich liebevolle und humanistische Gesellschaft entsteht.

In der traditionellen Liturgie feiern wir deshalb unsere eigene Selbstopferung, aus LIEBE und nicht, liebe Novus Ordo Leser, aus Menschenverachtung oder Kälte.
Dixit Dominus
Das großartigste Beispiel eines wahrhaften Christen in diesem Sinne ist für mich der hl. Pfarrer von Ars. Wie musste er aufgrund seiner Schwierigkeiten auf dem Weg zum Priestertum auf sich selbst, sein Wissen und Können, verzichten und sich aus diesem Abgrund heraus wie blind ganz den Händen Gottes anvertrauen! Und wie hat Gott Großartiges daraus gemacht! Der Teufel sagte zu ihm: "Drei solche wie …Mehr
Das großartigste Beispiel eines wahrhaften Christen in diesem Sinne ist für mich der hl. Pfarrer von Ars. Wie musste er aufgrund seiner Schwierigkeiten auf dem Weg zum Priestertum auf sich selbst, sein Wissen und Können, verzichten und sich aus diesem Abgrund heraus wie blind ganz den Händen Gottes anvertrauen! Und wie hat Gott Großartiges daraus gemacht! Der Teufel sagte zu ihm: "Drei solche wie Du und mein Reich wäre zerstört."
Dixit Dominus
Danke für diesen ausgezeichneten Beitrag! Er gibt eine hervorragende geistige Orientierung in unserer Zeit. Kleine Ergänzung: Das Getue heute um die Menschenrechte, die allesamt individuell verstanden werden, ohne Bezug auf Pflichten des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft und auf Rechte der Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen, gehört genau in diese Richtung gottloser individueller Selbstverwirklichung …Mehr
Danke für diesen ausgezeichneten Beitrag! Er gibt eine hervorragende geistige Orientierung in unserer Zeit. Kleine Ergänzung: Das Getue heute um die Menschenrechte, die allesamt individuell verstanden werden, ohne Bezug auf Pflichten des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft und auf Rechte der Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen, gehört genau in diese Richtung gottloser individueller Selbstverwirklichung, die ins Unglück führt.
Marthogel
Wahre Worte und auf den Punkt genau analysiert. Vielen Dank für diesen Beitrag. 👍
Zitat aus diesem Beitrag:
"Der Punkt ist, Selbstverwirklicher sind gefangen in ihrem Selbst. Sie sind nicht mehr fähig, den Anderen liebevoll und wirklich gleichberechtigt zu akzeptieren. Sie sind nicht mehr fähig, ein liebevolles Mitglied im Bund Gottes zu werden. Sie sind nicht mehr verletzbar. Sie können nicht …Mehr
Wahre Worte und auf den Punkt genau analysiert. Vielen Dank für diesen Beitrag. 👍

Zitat aus diesem Beitrag:

"Der Punkt ist, Selbstverwirklicher sind gefangen in ihrem Selbst. Sie sind nicht mehr fähig, den Anderen liebevoll und wirklich gleichberechtigt zu akzeptieren. Sie sind nicht mehr fähig, ein liebevolles Mitglied im Bund Gottes zu werden. Sie sind nicht mehr verletzbar. Sie können nicht mehr weinen. Deshalb lassen sie sich scheiden. Deshalb treiben sie ab. Deshalb haben sie keinerlei Respekt vor der göttlichen Schöpfungsordnung und tun, was sie wollen".

Selbst die, welche sich täglich im Umfeld Gottes bewegen, sind zu Selbstverwirklicher geworden. Das sehe ich in meinem persönlichen Umfeld tagtäglich. Bei mir im Haus wohnt z.B. eine ältere Dame (ca. 80 Jahre) und sie engagiert sich tatkräftig und regelmäßig in unserer kath. Kirchengemeinde. Sobald sie aber "nach Hause" kommt, hat man das Gefühl, daß sie ihr "Engelskostüm" auszieht und den "Teufel" herauslässt. Sie kontrolliert, beobachtet und schikaniert die Nachbarschaft, wo sie nur kann. Wenn die Wochenzeitung (kostenloser Service unserer Stadt für alle Einwohner) kommt, verteilt sie sie im Haus für alle anderen und die Zeitung für mich lässt sie vor der Haustür liegen. Sie weiß, daß ich erheblich gehbehindert und schwer herzkrank bin. Es hatte ihr zum Zeitpunkt meines Einzuges (1998) nicht gefallen, daß sie nicht gefragt wurde, ob ich mit meiner kleinen Familie einziehen darf. Seitdem führt sie eine Art "Kleinkrieg" gegen mich. Anfangs noch gegen die ganze Familie und nachdem sich meine Exfrau wegen meiner Erkrankung von mir trennte und mit meinen 2 Söhnen auszog (2005), gegen mich alleine. Das nenne ich Heuchelei vor Gott.

Doch sie ist nicht die Einzige....neben ihr wohnt eine andere ältere Dame (77), der es seinerzeit auch nicht gefiel, daß wir einzogen. Sie hatte die Wohnung schon für ihre Tochter verplant und daraus wurde ja nichts, weil sich der Vermieter für uns entschied. Von da an führt sie einen derartigen Psychoterror, den man schon Folter nennen kann. Sie ließ sich in ihrer Wohnung Laminat verlegen, obwohl das Haus ohnehin sehr hellhörig ist. Aber das ist ja nicht so schlimm, wenn jemand "normal" lebt. Es werden Möbel hin- und her geschoben, hier und dort etwas fallengelassen, Türen und Schränke zigmal auf- und zugeschlagen....kurzum alles, was Lärm macht. Auch sie ist gläubig und gibt sich nach außen hin, wie ein Engel. Man kann nichts gegen ihre Lärmtiraden machen, weil sie die Kunst der Täuschung perfekt beherrscht. Eiskalt und berechnend.

Direkt neben mir wohnt eine türkische Familie und mit dieser verstehe ich mich, genauso wie mit allen anderen Mieter der Nachbarhäuser absolut perfekt. Alles so, wie es sein sollte und Gott hätte seine wahre Freude daran.

Aber was mich ganz extrem stört.....unsere Kirchengemeinde und das zuständige Bistum allgemein. Im Jahre 1997 hatten meine damalige Ehefrau und ich, unseren erstgeborenen Sohn taufen lassen und direkt im Anschluß an die Taufe heirateten wir vor Gott. Meine damalige Ehefrau wollte unbedingt von dem Pfarrer getraut werden, den sie von ihrer Kommunion und ihrer Firmung her kannte. Er war mittlerweile Prälat. Alles prima. Als mich meine damalige Frau einige Jahre später mit den Kindern verließ, als ich krank wurde und meine Arbeit deshalb verlor, sie die Scheidung einreichte, passierte das schier Unglaubliche.

Kurz nach der gesetzlichen Scheidung erhielt ich einen Brief vom bischöflichen Offizialat, daß meine geschlossene Trauung vor Gott als ungültig erklärt werde. Der trauende Pfarrer hätte zum Zeitpunkt der Eheschließung keine gültige Trauvollmacht besessen, weil er sich im Ruhestand befand. Die vorherige Taufe meines ersten Sohnes wäre aber weiterhin gültig. Was ich aber auch heute noch merkwürdig finde.....1.) Taufe und Eheschließung wurden vorher unter dem aktiven Pfarrer UND dem im Ruhestand befindlichen Prälat abgesprochen, damit die Kirche zum Zeitpunkt der Taufe und Trauung keine Doppelbelegung hat. 2.) Da hätte der "Fehler" schon auffallen müssen, da ja beide Geistliche waren. 3.) Wie kann es sein, daß das eine Sakrament (Taufe) gültig und das andere Sakrament (Trauung) ungültig ist? Kurzum....die Eheschließung wurde schließlich via Urteil des bischöflichen Offizialats für ungültig erklärt.

Einige Jahre später, nachdem ich einen plötzlichen Herztod erlitt, 10 Minuten tot war und durch Gottes Willen vom Notarzt ins Leben zurückgeholt wurde, wollte ich nur noch in Frieden weiterleben. Deshalb verzieh ich meiner Exfrau und wir beschlossen, eine Art Freundschaft miteinander aufzubauen. Sie war wieder verheiratet und hatte mit dem neuen Mann auch eine Tochter. Wir wurden alle zu Freunden und dann erfuhr ich in einem Gespräch, daß der neue Ehemann der Kirche eine Spende über 20.000 Euro zusagte, wenn die Ehe zwischen seiner neuen Frau und mir annuliert würde. Das riss mir den Boden unter den Füßen weg, weil ich erkennen mußte, daß die Kirche käuflich ist. Was ist das nur für eine Welt geworden, in der wir leben?
kath. Kirchenfreund
ich habe ja einmal gesagt: "Nur durch Scheitern wird man gläubig". Wer sich selbst verwirklicht, kann auch scheitern, es ist ja nicht sicher, daß Andere seine Selbstverwirklichung mögen.
Salzburger
@kath. Kirchenfreund Nein, das behaupten Gestalten wie FEUERBACH, aber: Jeder Mensch scheitert zwangsläufig. Der Gläubige ist stark und ehrlich und intelligent genug, sich dies einzugestehen, während es die Dummen und Schwachen verdrängen.
Vered Lavan
Folge der Humanismus-Ideologie = Nur noch Mensch im Mittelpunkt, nicht mehr Gott. 😲
Salzburger
Vorweg 2 Kleinigkeiten: 1.) KANT ging es - wie Er auch in einem Brief zugab - darum, die AnMassungen der menschlichen Hybris zugunsten des Glaubens zu beschneiden. 2.) "Alles Leben ist gleichursprünglich...ohne Mitmenschen kann ich nicht leben" kann anthropotheistisch missverstanden werden, also genau das GegenTeil von dem, was Sie wollen!
Aber nun ein grosser Dank für Ihre so wunderbaren und wahren …Mehr
Vorweg 2 Kleinigkeiten: 1.) KANT ging es - wie Er auch in einem Brief zugab - darum, die AnMassungen der menschlichen Hybris zugunsten des Glaubens zu beschneiden. 2.) "Alles Leben ist gleichursprünglich...ohne Mitmenschen kann ich nicht leben" kann anthropotheistisch missverstanden werden, also genau das GegenTeil von dem, was Sie wollen!

Aber nun ein grosser Dank für Ihre so wunderbaren und wahren Worte!!!!
Ja, bei aller Liebe für jedes Stück Land dieser Welt muss man sehen, dass die selbstgerechte Puritaner der USA bereits protomoderne SelbstVerGötzer und somit AntiChristen waren und das Land ruiniert haben. (Mir erging es immer ähnlich mit der Kälte im völlig postchristlichen GrossBritannien, die USA kenne ich nicht.)
Wie sagte unser grosser TagesHeiliger?: Der amor sui ist der Quell aller Sünden (ich glaube in den ReTractationes, Seinem geistlichen Testament)!
Wie sagte unser grosser Exeget in Hohenfurth?: Die Hl.Messe verkörpert die AllerHlst.Trinität, welche ewiges Opfer ist! Der VATER entäussert&verzehrt Sich aus Liebe zum SOHNE, welcher diese(n) freilich erwidert und welcher erschütternderweise für uns ein hilfloses Kind, ein verachtetes Nichts ward.
Die, die das Leben gewinnen, werden es verlieren; ...
Selig die Armen im Geiste, ...
Salzburger
p.scr.: "Der moderne Mensch liebt nicht, sondern sucht Zuflucht in der Liebe." (GOMEZ DAVILA)
Eugenia-Sarto
In der traditionellen Liturgie feiern wir deshalb unsere eigene Selbstopferung, aus LIEBE und nicht, liebe Novus Ordo Leser, aus Menschenverachtung oder Kälte.
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Wer das tut, versteht es!
Die Anderen werden es nicht glauben, oder?Mehr
In der traditionellen Liturgie feiern wir deshalb unsere eigene Selbstopferung, aus LIEBE und nicht, liebe Novus Ordo Leser, aus Menschenverachtung oder Kälte.
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Wer das tut, versteht es!

Die Anderen werden es nicht glauben, oder?
Nicolaus
Sehr interessante Ausführungen.