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Santiago_
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Jesus Glauben - Folge 03 - Die Quellenlage. Über Manuskripte, ihre Unterschiede und Datierung. Für die Frage nach der historischen Glaubwürdigkeit der Evangelien ist nicht unerheblich wie verlässlich …Mehr
Jesus Glauben - Folge 03 - Die Quellenlage. Über Manuskripte, ihre Unterschiede und Datierung.

Für die Frage nach der historischen Glaubwürdigkeit der Evangelien ist nicht unerheblich wie verlässlich unsere Quellen überhaupt sind. Haben wir jenen Text in der Hand, der dem usprünglichen gleicht? Wurden die Evangelien nicht durch das ständige Kopieren verfälscht? Grundsätzlich gilt: je mehr Kopien und je älter die Kopien, die zudem keine wesentlichen Unterschiede aufweisen, desto besser ist die Quellenlage und desto zuversichtlicher kann man als Historiker sein. Zwar geben Quellen, auch wenn es viele sind, per se noch keine Auskunft darüber ob sie auch tatsächlich Historisches berichten, aber wenigstens kann dann die Weitergabe des ursprünglichen Textes als verlässlich oder unverlässlich eingestuft werden. Um einen Vergleich zu haben, beginnen wir am besten mit anderen, bekannten historischen Figuren. Nehmen wir Caesar. Julius Caesar. Über Julius Caesar wissen wir viele Details aus den Asterix-Heften. Er hatte Gallien erobert. Aber nicht ganz Gallien. Ein kleines unbeugsames Dorf weigerte sich besiegt zu werden. Allerdings erschien der erste Comic dieser Reihe in einem Franco-Belgischen Magazin erst am 29. Oktober 1959. Das spricht nicht unbedingt für eine große historische Exaktheit. Gibt es andere, ältere Quellen. Es gibt sie. Caesar hat sogar selbst geschrieben. De Bello Gallico – vom schönen Gallien – äh vom Gallischen Krieg. Geschrieben hatte Caesar im ersten vorchristlichen Jahrhundert. Das Original haben wir natürlich nicht mehr. Wie alt ist die älteste Kopie, die wir besitzen? Sie stammt aus der Zeit um 900 – also 1000 Jahre nach Caesar. Insgesamt besitzen wir 10 handschriftliche Kopien vor dem Buchdruck. Papier mag also geduldig sein – und Papyrus ist sogar noch ein wenig geduldiger. Aber vor allem sind Papyri eins: sie sind wie alle antiken Schreibmaterialen nicht ewig haltbar. Mit unseren gedruckten Büchern und elektronischen Kopien, vergessen wir leicht: Dinge mussten per Hand kopiert werden – ein mühsamer Prozess, durch den allen, mit Müh und Fleiss, überhaupt alte Texte in unsere heutige Zeit hinein gerettet wurden. Die Originale selbst hielten sich meist nur einige hundert Jahre. Was ist mit den Annalen des römischen Schreibers Tacitus? Geschrieben um das Jahr 100 liefern sie römische Geschichte von der Zeit des Augustus bis zur Zeit des Nero. Die älteste, erhaltene Kopie stammt aus dem 11.-12 Jahrhundert. 20 alte Kopien liegen uns vor. Und vom Dichter Catullus, der 50 Jahre vor Christus schrieb? Wir besitzen 3 Kopien seiner Werke, von denen die älteste aus dem 16. Jahrhundert stammt. Von den griechischen Autoren der klassischen Antike besitzen wir durchschnittlich 20 handschriftliche Kopien, die älter als der Buchdruck sind – bei vielen haben wir allerdings nur eine oder zwei Kopien. Zwischen 500 und 1000 Jahren liegen im Durschnitt zwischen der Abfassung und dem ältesten Text der uns noch heute erhalten ist. Vergleichen wir dies mit der Quellenlage für das Neue Testament. Der Unterschied ist – nicht zuletzt dank emsiger Mönche - frappierend. Aus dem selben Zeitraum, wie für die angegebenen Beispiele römischer oder griechischer Autoren, besitzen wir über 5800 griechische Manuskripte die das Neue Testament enthalten. Etwa 140 davon sind mehr oder weniger umfangreiche, sehr alte Fragmente auf Papyrus; die anderen sind durchschnittlich 450 Seiten lang. Wir besitzen rund 10.000 lateinische Manuskripte – zumeist Kopien der lateinischen Vulgata, eine Übersetzung, die Ende des 4. Jahrhunderts von Hieronymus begonnen worden war. Wir haben 350 syrische Fassungen des Neuen Testaments, von denen die meisten erhaltenen Kopien aus dem 5. Jahrhundert stammen, aber vermutlich auf Originalen aus dem 2. bis 3. Jahrhundert beruhen. Und wir haben Übersetzungen in zahlreiche andere Sprachen, armänisch, georgisch, Texte in verschiedenen Sprachen kyrillischer Schrift. Viele davon sind nicht noch nicht katalogisiert aber ihre Zahl wird mit 5-10.000 angegeben. Aber hätten wir statt diesen Zehntausenden Manuskripten kein einziges mehr, stünden wir dennoch nicht mit leeren Händen dar. Denn nahezu das ganze Neue Testament und alles was darin wichtig ist, lässt sich aus Zitaten bei den Kirchenvätern rekonstruieren. 32.000 solcher Zitate finden sich bei diesen frühchristlichen Autoren, die vor dem Konzil von Nizäa (325) geschrieben haben. Nimmt man die späteren Kirchenväter der Antike und Kirchenschriftsteller des frühen Mittelalters hinzu, zählt allein die Kartei des Beuroner Vetus-Latina-Instituts 1 Million Bibelzitate – und das umfasst nur die Autoren, die auf Latein geschrieben haben. Es gibt keine einzige historische Figur der Antike, die nur annähernd durch eine solche Quellenfülle belegt und beschrieben wird.