Labre
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FEST DER HEILIGEN DREI KÖNIGE Predigt v. Kaplan A. Betschart

Es ist erstaunlich, wie der Evangeliumsbericht über die Weisen aus dem Morgenland, die den Heiland suchen, das christliche Bewusstsein bewegt hat. Bereits in den ersten christlichen Jahrhunderten findet man ihr Bild an den Wänden der Katakomben, ja selbst auf antiken Sarkophagen, in denen man in der Urkirche die Toten zur letzten Ruhe bettete. Wie eine phantastische Geschichte aus längst vergangener Zeit klingt die Botschaft dieser Männer herüber in unser ungläubiges Jahrhundert, “die, von einer unsagbaren Sehnsucht nach dem Erlöser getrieben, in den Tagen der Geburt des Herrn nach Jerusalem kamen” (P. Suso Braun), geführt von einem Stern. Sie waren die ersten Wallfahrer zu Christus.
Man muss sich dies ein wenig vorzustellen suchen. Vielleicht haben sie einen Weg von Monaten hinter sich, nicht im Flugzeug oder in einem bequemen Auto auf asphaltierter Strasse, sondern einen Weg mit all den Strapazen und Gefahren für Leib und Leben antiker Reisen, um ein Kind aufzusuchen und anzubeten, dessen Stern ihnen sagte, dass es der König und Retter der Welt war. Vielleicht wurden sie zuhause von den Mitbürgern verlacht, verspottet und als Spinner betrachtet, als sie sich auf den Weg machten und wegen einer so zweifelhaften und gewagten Idee Beruf und Einkommen aufgaben.
Warum blieben sie nicht zuhause? Sie konnten doch ihren Glauben an Gott auch im Schweigen der Nacht und im Anblick der Gestirne betend zum Ausdruck bringen. Doch sie liessen sich durch nichts und niemanden zurückhalten, wollten lieber als Verrückte gelten, als dass sie sich von der Suche nach Gott hätten abhalten lassen. Und in Bethlehem angekommen, knieten sie nieder vor dem Kind in der Krippe und waren überglücklich, da sie gefunden hatten, was sie suchten.

Gottsucher

Dieser Glaube und die Tat dieser gottsuchenden Männer erfüllt uns mit Bewunderung. Man kann ja von einem Menschen am Ende seines Lebens nichts Schöneres sagen, als dass er ein Gottsucher war. Denn dies bedeutet, dass es für ihn nicht genügte, vor vollen Schüsseln zu sitzen, sich alle Freuden des Diesseits zu gönnen oder sich in Sicherheit wiegen zu können wegen eines grossen Kontos auf der Bank. Er verlangte nach mehr, sein Hunger konnte nicht gestillt werden mit den Armseligkeiten dieser Welt. Eine drängende Unruhe liess ihn unentwegt Ausschau halten nach jenem Stern, der ihn nach der ewigen Heimat, zu Gott, der letzten Erfüllung jeglicher Sehnsucht führen konnte.
Solche Gottsucher müssen wir alle sein. Unser ganzes Leben muss ein Wandern sein aus den Städten und Märkten hinaus, die wir hinter uns lassen müssen, ja selbst durch die Steppen und Wüsten dieses Lebens, durch die Schicksalsschläge nämlich, durch die wir uns nicht aufhalten lassen dürfen.
Aber wie ist das, wenn wir Menschen Gott suchen? Manch einer sucht Gott, wie ein Irrender sein Zuhause sucht, das er vielleicht vor Jahren verlor durch ein schweres Schicksal, vielleicht auch im Übermut verliess, an das er jetzt kaum mehr zu glauben wagt und nach dem er sich doch mit innerster Seele sehnt. Wie der verlorene Sohn seinen Vater suchte, so sucht er Gott. Müde und innerlich leer geworden an einer armseligen, lärmenden Welt, stieg plötzlich in ihm die Sehnsucht nach Gott auf wie ein leuchtender Stern. Und er hat sich auf den Weg gemacht und sucht Gott, manchmal vielleicht noch auf Irr- und Umwegen; aber er trägt in sich die Gewissheit: Ich werde IHN finden.
Es gibt auch Gottsucher, die Ihn nicht aus reiner Liebe suchen. Fast fürchten sie sich, sie könnten Ihn finden. Solche Gottsucher waren die Hohenpriester und Schriftgelehrten, von denen uns das heutige Evangelium kündet. Im Auftrag des Königs Herodes mussten sie den Weisen aus dem Morgenland Auskunft geben, wo der neugeborene König der Juden, der Messias, zu finden sei. Und siehe da: Sie konnten präzise sagen, wo er geboren werden sollte. Statt überglücklich zu sein, genügte es ihnen, den Lieben Gott in ihren Schriften zu haben. Dass sie für Ihn auch nur auf die Strasse gegangen wären, kam gar nicht in Frage, man könnte sich ja im rauhen Wind des Lebens erkälten; geschweige denn, dass sie sich wegen Gott einem so gefährlichen Reiseabenteuer überlassen hätten wie die Männer aus dem Morgenland. In ihrem Innersten hatten sie gar kein Interesse am Herrgott, von dem sie in ihren Büchern lasen und Ihn darin einsperrten. Im Evangelium heisst es sogar, dass ganz Jerusalem darüber erschrak.

Eine andere Gruppe von sehr seltsamen sogenannten Gottsuchern ist die, zu der Herodes gehört. Er und seinesgleichen suchen Gott wie ein Polizist den Verbrecher sucht. Sie suchen Gott nur, um Ihm wilde Vorwürfe und Anklagen ins Gesicht zu schleudern, diesem Gott, der für sie eine Gefährdung des diesseitigen Lebensgenusses ist, der sie bloss einengt, ihnen alle Freuden und allen Genuss vergällt und als Sünde abstempelt, wie sie behaupten. Sie gehören zu denen, die sich einreden lassen, Gott sei eine Gefahr für das Glück des Menschen und Religion sei Opium für das Volk. Im religiösen Bereich gehe es doch nur darum, das Volk zu verdummen und für billig zu verkaufen, auch Macht über den Menschen zu bekommen - siehe “Amtskirche” und ähnliche Schlagworte -, oder ihn finanziell auszunützen. Der Stern jedoch, dem diese sonderbaren Gottsucher folgen, ist ein Irrstern, der sie in den Abgrund führt.

Und wir, meine lieben Gläubigen, gehören wir zu denen, die Gott wahrhaft suchen, aus innerster Überzeugung, mit einem grossen und liebenden Herzen? Vielleicht denken Sie, dass wir Ihn ja schon besitzen. Haben Ihn nicht schon Vater und Mutter in frühester Jugend in unser Herz gesenkt als einen heiligen Besitz, wenn wir sie beten sahen oder wenn sie mit uns beteten? Und kommt Er nicht immer wieder zu uns durch die Gnade, in den heiligen Sakramenten? - Trotzdem: Gott ist nicht unser Besitz, den man nicht mehr verlieren kann. Wir sind immer gefährdet, Ihn zu verlieren, hinter einem Irrstern nachzulaufen. Wir wollen dies in Demut eingestehen. Und so sind wir alle Gottsucher, in irgendeiner Weise.
Aber - und das ist das Wunderbare -: Gott sucht noch viel mehr uns Menschen. Er hat sich aus Seinem unzugänglichen Lichte aufgemacht. Durch die ganze Geschichte der Menschheit ist Er unterwegs zu uns. In den Propheten und den Weisen hat Er sich uns immer mehr genähert, um endlich anzukommen im Stall von Bethlehem. Nicht nur die Hirten und die heiligen Drei Könige sind gekommen, auch wir kommen aus der Ferne und der Fremde unserer Sünden, um demütig und mit grossem Vertrauen niederzuknien, anzubeten und unendlich selig zu sein, Ihn gefunden zu haben und Ihm unsere Gaben darbringen zu dürfen: unsere Armseligkeit und Sündhaftigkeit, aber unser Herz, erfüllt von Dankbarkeit und Liebe.
So wollen wir Gott suchen mit dem Mut und der Beharrlichkeit der heiligen Drei Könige, unser Leben lang, um Ihn zu finden für eine ganze Ewigkeit. Wenn wir dies tun, dürfen wir einmal aus des Heilands Munde das erlösende und beglückende Wort vernehmen:

“Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters! Nehmt das Reich in Besitz, das euch seit Grundlegung der Welt bereitet ist!” (Mt 25,34)

Quellenhinweis:

▸ Braun S., Radiopredigten, Innsbruck-Wien 1947.