Melchiades
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Die heilige Vorfastenzeit Teil V.

Wenn aber die römische Kirche durch einfache Vorrückung des Fastenanfangs
um vier Tage die volle vierzigtägige Zeit erreichte,
welche der Heiland durch sein eigenes Beispiel ihr andeutete,
wenn sie zugleich bei ihrer alten Überlieferung,
den Samstag gerade als einen besonders geeigneten Bußtag zu betrachten,
fest stehen blieb :
so hinderte sie dies aber durchaus nicht,
der griechischen Kirche die drei vollen Wochen vor Eröffnung des eigentlichen Fastens
als eine Art Vorbereitungszeit zu entnehmen ;
und es finden sich schon sehr frühe Spuren,
dass der ausschließlich freudige Charakter des Gottesdienstes
während der Weihnachtszeit in diesen Tagen sehr herabgestimmt ist,
als ob bereits die heilige Trauer und der Ernst der Fastenzeit ihre Schatten vorauswerfe.
Wir entnehmen dem Amalarius,
dass bereits im neunten Jahrhundert das Alleluja und das Gloria
während der Septuagesima nicht mehr gesungen wurden.
Die Klöster schlossen sich dem bald an,
obwohl die Regel des heiligen Benedict eine gerade gegenteilige Verfügung enthielt.
In der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts endlich,
traf der Papst Alexander II. Die ganz allgemeine Verfügung,
dass in der Vesper auf Samstag vor dem Sonntag Septuagesima das Alleluja
unbedingt nicht gesungen werden dürfe.
Es war dies indessen nur die Erneuerung einer bereits im Anfange dieses Jahrhunderts
von dem heiligen Leo IX: erlassenen und auch in der Gesetzessammlung verzeichneten Verfügung.

So hatte sich dieser eigene Zeitabschnitt allmählich herangebildet
und besteht nun in der gegenwärtigen Form fast tausend Jahre.
Der ihm beigelegte Name steht,
wie schon bemerkt,
in nummerischer Beziehung zur Fastenzeit.
Der erste Fastensonntag heißt Quadragesima und so ging man von Zehn zu Zehn
drei Sonntage weiter,
und kam damit von vierzig auf siebenzig.
In Wirklichkeit sind es jedoch von Septuagesima bis Ostern nur drei und sechzig Tage.
Welche geheimnisvolle Bewandtnis es übrigens mit den gegebenen Zahlennamen habe,
werden wir im folgenden Capitel sehen.

Da die Septuagesima sich nach Ostern richte,
so fällt sie mit diesem großen Feste einmal früher,
einmal später.
Den 18. Januar und den 22. Februar nennt man die Schlüssel der Septuagesima,
weil der Sonntag Septuagesima nicht früher,
als auf den 18. Januar und nicht später,
als auf den 22. Februar fallen kann,
so dass diese beiden Tage gewissermaßen den freien Spielraum
des Beginns dies heiligen Zeitabschnittes abschließen.