S. DOMINICUS - DOCTOR VERITATIS
Wenn ich die Frage stelle: Was macht einen Heiligen aus? und dabei verschiedene Heiligengestalten betrachte, so bieten sich unterschiedliche Antworten an: Bei den Märtyrern ist es die Treue zu Christus bis zum Vergießen des eigenen Blutes in der Nachfolge des göttlichen Meisters. Beim hl. Bruno dem Karthäuser ist es ein glühendes Verlangen nach Gott, verbunden mit großem Bußernst, das ihn in die Einsamkeit trieb, um ganz dem Gebet und der Betrachtung zu leben. Beim hl. Bischof Gregor dem Wundertäter, der in der Welt lebte, sticht ein Berge versetzender Glaube ins Auge. Franz Xaver widmete sich ganz der Heidenmission. Der hl. Kamillus von Lellis brannte von Liebe zu den Kranken. Viele unter ihnen waren strenge Asketen wie der hl. Pfarrer von Ars, die eine heroische Mäßigkeit und Abtötung der Begierden übten. Der hl. König Ferdinand III. von León und Kastilien zeichnete sich aus durch großen Mut und Tapferkeit, womit er in den Kampf gegen die Mauren zog und weite Teile der iberischen Halbinsel vom Islam befreite und wiederum durch Christen besiedeln ließ. Vom hl. König Ludwig IX. von Frankreich ist sein hoher Gerechtigkeitssinn in Erinnerung geblieben, der sich in seinen zahlreichen Gerichtsurteilen offenbarte. Klugheit und Ausgeglichenheit prägte die Morallehre des hl. Alfons Maria von Liguori.
1) Die besondere Heiligkeit des hl. Dominikus: die Liebe zur Wahrheit
Die großen Heiligen des Predigerordens, angefangen mit dem hl. Vater Dominikus, dessen Festtag heute ist, über den hl. Albertus Magnus, den hl. Thomas, den hl. Vinzenz Ferrer, den hl. Antoninus von Florenz oder den hl. Pius V. zeichnet allesamt ein wacher Sinn für Objektivität aus, um mit einer Devise des Ordens zu sprechen: VERITAS, ein tiefes Verständnis für den unersetzlichen Wert der Wahrheit, insbesondere der durch Gott geoffenbarten und verbürgten. Es ist ein kostbares Erbe des Ordensvaters, des Kathedralkanonikers von Osma im Norden Spaniens und Gründers einer neuen Gemeinschaft von Wahrheitskündern Dominikus Guzmán aus dem altkastilischen Orte Caleruega, das es durch die Jahrhunderte treulich zu bewahren gilt.
Nun war in seinen Tagen wieder einmal eingetroffen, was der hl. Paulus als künftige Bedrohung des christlichen Glaubens vorausverkündet hatte. Man ertrug die gesunde Lehre nicht mehr, sondern suchte sich um des Ohrenkitzels willen neue Lehrer nach eigenen Begierden; der Wahrheit hingegen schenkte man kein Gehör und wandte sich Fabeleien zu (cf. 2 Tim 4, 3 s.).
Die Katharer oder Albigenser, die sich damals ausgebreitet hatten, vertraten eine schlimme Entstellung des Christentums. Zur Erklärung des Gegensatzes von Gut und Böse in der Welt verfielen sie auf eine Zwei-Götter-Lehre: Satan, der böse Gott (des Alten Testamentes) habe die materielle Welt geschaffen und die Seelen unterjocht. Christus, ein Engel des guten Gottes, habe die Brüder über ihre himmlische Heimat belehrt. Durch völlige Enthaltung von der Welt müßten sie nun dahin aufsteigen. Hierzu dienten ebenso spektakuläre wie rigorose Bußübungen. Die Kirche und die Priester lehnten sie als Werk Satans ab. Selbst das Leiden Christi betrachteten sie als wirkungslos für das Heil der Welt.
Dieser Selbsterlösungslehre hielt Dominikus die Rettung des Menschen durch Christus entgegen:
⦁ Nur vom dreifaltigen Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, können wir das Heil der Welt erwarten.
⦁ Es gibt für den in der Sünde befangenen Menschen nicht die Möglichkeit, sich selbst zu erlösen, Rettung können wir nur vom menschgewordenen Gottessohn Jesus Christus erwarten.
⦁ An ihr erhalten wir Anteil durch die Sakramente der Kirche.
⦁ Nur die Wahrheit über diese Dinge, die Gott selbst uns mitgeteilt hat, ist dem Menschen dienlich.
Ergriffen von der Liebe zu den Verirrten, verkündete Dominikus ihnen Christus den Gekreuzigten, den Heiland der Welt, unter Einsatz seines Lebens, – opportune importune (2 Tim 4, 2) – ob sie es hören wollten oder nicht. Und weil ihm nichts so sehr am Herzen lag wie die Ehre des Schöpfers und das Heil der Irrenden, machte er sich stark für den überlieferten Glauben, der heilig ist und wahr, weil er den wahrhaftigen und wahren Gott zum Urheber hat, und für die Kirche, welche die Arche ist, durch die die Vorherbestimmten gerettet werden.
2) Seine Liebe zum Nächsten voll des Mitleides und Erbarmens
Schon angeklungen ist damit ein weiterer Charakterzug des Heiligen: seine universale Nächstenliebe. Sein Biograph, Jordanus von Sachsen, berichtet, Dominikus habe ein sehr ausgeglichenes Gemüt besessen, das nur durch die Regungen von Mitleid und Erbarmen erschüttert wurde [3]. Seine Liebe erstreckte sich auf alle Menschen:
⦁ Sie schloß – ein Prüfstein für ihre Echtheit – die Feinde ein, auch jene, die ihm nach dem Leben trachteten;
⦁ sie erstreckte sich bis an die Enden der Erde. Sein Leben lang hegte er keinen sehnlicheren Wunsch, als Missionar zu werden und den heidnischen Kumanen das Licht des Evangeliums zu bringen, ja wenn Gott ihm die Gnade erwiese, hierfür mit seinem Blute Zeugnis abzulegen.
Ich übergehe seine Wunder. Ich übergehe seine heroische Buße. Kurz erwähnt sei seine Klugheit und Umsicht, sein Feingefühl in der Behandlung der Menschen [4], wie sie nur auserwählten Seelen eignen, denen jede Selbstsucht fremd geworden ist und die die bösen Leidenschaften besiegt und persönliche Vorlieben hintangestellt haben, weil ihr Herz ganz in Gott ruht.
Liebe Christen, können wir solche Heiligkeit nachahmen?
Der sel. Jordanus von Sachsen, der Dominikus persönlich gekannt hat, meint:
„Vermögen, was er vermocht hat, kommt nicht aus menschlicher Kraft, sondern aus einer einzigartigen Gnade; es sei denn die erbarmende Güte Gottes geruhe, vielleicht jemandem zu einer ähnlichen Höhe der Heiligkeit zu erheben.“[5]
Dennoch ist seine Schlußfolgerung keineswegs pessimistisch. Sie lautet:
„Ahmen wir das väterliche Vorbild nach, wie wir es können und danken wir dem Erlöser, Der Seinen Dienern auf dem Weg, auf dem sie hienieden schreiten, einen solchen Führer geschenkt hat.“ [6]
Ich glaube, in drei Punkten kann ein jeder von uns dem hl. Dominikus nachfolgen:
1. Gott in die Mitte unseres Lebens und Liebens stellen.
Tun wir alles für Ihn und zu Seiner Ehre.
Dazu gehört, daß wir dem Gebet in unserem Tagesablauf einen Ehrenplatz einräumen; denn nur so kann Gott König auch unseres Herzens werden.
Liebe und Aufmerksamkeit für die Schriften der Offenbarung, vor allem des Neuen Testamentes, nach dem Vorbild des hl. Dominikus ist ebenfalls ein gangbarer Weg hierzu.
2. Nachahmen müssen wir den hl. Dominikus in seiner absoluten Treue zur Lehre der Kirche.
Wir leben in einer Zeit, die im Menschen das Maß aller Dinge sieht. Viele neigen heute dazu, sich „ihren“ Glauben selbst zurechtzulegen. Schwierige oder unbequeme Wahrheiten werden dann nicht mehr ernst genommen oder sogar bestritten. Demgegenüber sollen wir wissen, daß nur die ganze Wahrheit, wie Christus sie verkündet und Seiner Kirche anvertraut hat, den Menschen frei macht.
Gegen die modernen Lehren von der Selbsterlösung des Menschen durch den technischen Fortschritt, die Wissenschaft, persönliche Tüchtigkeit und Leistung oder durch das Kollektiv, die in ihren Konsequenzen nur wieder in neue Versklavungen führen, müssen wir an der überlieferten Lehre von der Erlösung durch Jesus Christus festhalten und uns in Wort und Tat für sie einsetzen, eingedenk der Mahnung des Apostels: Iesus Christus heri et hodie ipse et in sæcula – „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Laßt euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren irreführen.“ (Hebr 13, 8 s.)
Ferner gilt es, gegen alle innerweltlichen Heilserwartungen herauszustellen, daß das Heil in Christus zwar auf Erden beginnt, aber erst in der Heimat des Himmels zur Vollendung gelangen wird.
3. Immer gültig und nachahmenswert bleibt:
das Beispiel der universalen Liebe des hl. Dominikus,
sein Eifer für das Seelenheil der Mitmenschen,
der Trost, den er den Betrübten spendete,
die Hilfe, die er allen Bedürftigen bot,
sein mitleidsvolles, gütiges Herz.
In seiner Sterbestunde hat er seinen Brüdern versprochen, er würde ihnen nach seinem Tode durch seine Fürbitte nützlicher sein, als er es im Leben gewesen ist7. So möge er uns vom Himmel her beistehen und uns sicher zum Ziel geleiten, der Seligkeit bei Gott, in die er schon für die Ewigkeit eingegangen ist. Amen.
_____________
1 Cf. Iordanus de Saxonia, Libellus de principiis Ordinis Prædicatorum, cap. 45: Ubicunque versaretur sive in via cum sociis aut in domo cum hospite reliquaque familia aut inter magnates principes aut prælatos semper ædificatoriis affluebat sermonibus, abundabat exemplis quibus ad amorem Christi seculive contemtum audientium animi flecterentur.
2 Breviarium S. Ord. Præd., Die 4 Augusti, S. Dominici, Ad. Matutinum, Lect. VI: ... non nisi cum Deo aut de Deo colloquebatur ...
3 Cf. Libellus, loc, cit.: Inerat illi firma valde mentis æqualitas nisi cum ad compassionem et misericordiam turbaretur ...
4 Cf. op.cit., cap. 46: Omnes homines largo excipiebat caritatis sinu, et cum omnes diligeret, ab omnibus amabatur. Gaudere cum gaudentibus, flere cum flentibus* sibi proprium vendicabat, affluens pietate et se totum in proximorum curam atque miserorum compassionem effundens. *[Rom 12, 15]
5 Ibid.: Quis huius hominis usquequaque virtutem imitari sufficiat ? Mirari possumus et exemplo ipsius pensare nostri temporis inertiam; posse vero quod ille potuit, non humanæ virtutis sed singularis est gratiæ, nisi quem forte miserans Dei bonitas in simile dignata fuerit prorogare sanctitatis fastigium. Sed ad hæc quis idoneus?
6 Ibid.: Imitemur tamen, Fratres, ut possumus paterna vestigia, simul et agamus gratias Redemtori, quod talem in via hac qua ambulamus ducem exhibuit servis suis per eum in huius conversationis lucem regeneratis, et deprecemur misericordiarum Patrem, ut illo nos regente Spiritu quo filii Dei aguntur per terminos quos posuerunt patres nostri ad eamdem metam perpetuæ felicitatis et sempiternæ beatitudinis ad quam ille sine fine felix introivit nos quoque indeflexo tramite pertingere mereamur.
7 Cf. op. cit., cap. 40: Ante mortem quoque suam dixit Fratribus confidenter, quod defunctum eum utiliorem forent habituri quam vivum.
Bildquelle: Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon
www.messopfer.de/…/036.St. Dominik…