Den Steinewerfern wird der Arm lahmgelegt
Den Steinewerfern wird der Arm lahmgelegtEs versammeln sich die pharisäischen Steinewerfer um
Jesus und führen Ihm eine Ehebrecherin vor. „Mose hat
uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen.
Nun, was sagst du?“
Nun, was sagt Jesus dazu? Wie immer darf man bei Ant-
worten Jesu, des Lehrers aller Lehrer, des Weisesten aller
Weisheitslehrer, gespannt sein. So auch diesmal. Die Ath-
mosphäre glüht nämlich geradezu vor Spannung, denn
am liebsten wollten die Schriftgelehrten und Pharisäer
schon den Arm zur Steinigung erheben und das taten
manche sicher auch. Aber sie warten noch auf Jesus,
bevor sie werfen. Eigentlich merkwürdig, denn sie
hatten Ihn doch schon längst in ihren Herzen verworfen.
Doch die Sicherheit seines majestätischen Auftretens
hält sie zurück. Was antwortet Jesus in dieser Situation?
„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen
Stein auf sie.“ (Joh 8,7)
Plötzlich ist ihr Wurfarm wie gelähmt. Sie ziehen den
Stein zurück und einer nach dem andern geht davon.
Wie kommt das, wenn sie Jesus doch nur auf die Probe
stellen wollten und längst nicht mehr auf Ihn hörten?
Er hat sie im Gewissen angerührt. Die Stimme des
Gewissens hat diesmal laut zu ihnen gesprochen und
sie fühlten sich ertappt. Auch sie sind Sünder.
Das Geniale an der Antwort Jesu ist, dass Er den Mosianern
aufzeigt, wie das Gesetz Mose in der Zeit der Barmherzigkeit
Jesu anzuwenden ist: gerecht wäre es, eine solche Tat mit der
Steinigung zu bestrafen, denn Mose hat das Gesetz der
Gerechtigkeit gebracht. Doch jetzt, da der Richter selbst
da ist, hat Er das Sagen. Er kommt im NT als der Barm-
herzige, der Sünden vergeben und verzeihen möchte.
Die Steinigung wäre tatsächlich die gerechte Strafe,
doch der Erlöser wollte durch seine Passion die Mensch-
heitsstrafen auf sich nehmen und die Menschen davor
bewahren. Damit ist die Gerechtigkeit des Gesetzes Mose
nicht aufgehoben, sondern Jesus hat sie auf sich geladen
wie der Sündenbock im AT. Er hat die Strafe aufgehoben
und kann nun die barmherzige Frohbotschaft verkünden:
ich verzeihe allen reuigen Sündern und will sie nicht
bestrafen. Alle Menschen bedürfen seiner Barmherzigkeit.
Allen will Er sie schenken. Der Richter ist der, der keine
Sünde hat, denn nur ein solcher kann absolut gerecht
richten. Wenn die Pharisäer selber Sünder sind, wieso
wollen sie dann andere anklagen, die sündhaft sind?
Das verträgt sich nicht mit der Lehre Jesu im Neuen
Testament, die da heißt: vergib sogar deinen Feinden!
Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Was du
nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern
zu. Was du von anderen erwartest, das tu auch ihnen.
Sie hatten bis Jesus den Stein werfen dürfen gemäß Mose,
aber Jesus erfüllt das Gesetz Mose mit seiner tiefsten
Bedeutung. Er erfüllt es mit Seiner Barmherzigkeit,
die das neue Gnadengesetz der neuen Zeit einläuten sollte.
Gerecht wäre es schon, sie zu steinigen, doch barmherzig
ist es, sie zu verschonen, indem man die Strafe auf sich
selber nimmt, denn gerecht ist es wiederum, einen
Sünder zu verschonen, wenn man selber Sünder ist.
So machen es auch die katholischen Sühneseelen des NT,
die Strafen anderer auf sich nehmen, damit ihnen der
Sündenberg abgetragen und die Gnade der Umkehr
noch gewährt werden kann.
Man fragt sich, warum Mose es dann so streng angeordnet
hat? Um die Welt mit der Unerbittlichkeit der Strafgerechtig-
keit Gottes bekannt zu machen. Es handelt sich um einen
Gott, dessen Gerechtigkeit nichts vergisst und schmerzvoll
sein kann, denn für jede Sünde gibt es eine gerechte Strafe.
Im AT mussten gewisse Auserwählte die Strafe im Sinne
Gottes vollziehen als Stellvertreter, weil der, der die Sünden
auf sich nehmen sollte, der Erlöser, noch nicht gekommen
war. Somit wurde den Menschen die übergroße Barmherzig-
keit noch nicht zuteil und so hat man die Sünde durch
gerechte Strafen zurückgehalten.
Wie man sieht, ist es keine Barmherzigkeit, die die Gerech-
tigkeit vergisst, nein nein, Jesus hat sie am Kreuz „besiegt“.
Die Barmherzigkeit hat über die Gerechtigkeit gesiegt,
sagen die Kirchenväter. Die hl. Faustyna sagt, die Barm-
herzigkeit ist die größte Eigenschaft Gottes. Es gibt auch
heute noch viele Pharisäer, die sich darüber aufregen und
doch werden besonders sie der Barmherzigkeit Gottes beim
Gericht bedürfen.