niclaas
1489

Hl. Kamillus von Lellis (18. Juli, überlieferter Kalender)

Heiligenvita aus:
Alban Stolz, Legende. oder: Der christliche Sternenhimmel, Freiburg i. Br. 1867.


18. Juli.

Der heilige Camillus. † 1614.
(Spielsucht.)

Die Frau eines Soldaten im Königreich Neapel bekam noch einen Sohn, da sie schon die Jahre erreicht hatte, wo ein Weib in der Regel keine Kinder mehr zu erwarten hat. Der Vater kümmerte sich nicht viel um die Erziehung des Knaben; er wurde zwar in die Schule geschickt; aber Karten und Würfel waren ihm lieber, als das Lernen; daher brachte er es kaum so weit, daß er ein wenig lesen und schreiben konnte. Achtzehn Jahre alt geworden, ging er auch zu den Soldaten, und sollte nun mit seinem Vater einen Feldzug gegen die Türken mitmachen. Allein da sich ihr Regiment in der Stadt Ancona einschiffen sollte, wurden Beide schwer krank, so daß sie zurückbleiben mußten. Da nachher sowohl Vater als Sohn wieder zur Genesung kamen, wollten sie in ihre Heimath zurückreisen; aber auf dem Weg erkrankte der Vater auf’s Neue, mußte bei Loretto liegen bleiben und starb nach einigen Tagen. Der Sohn war nun sehr übel daran; der Vater hatte ihm rein nichts hinterlassen, als was er am Leib trug, seinen Degen und sein Kleid; die Mutter war schon einige Jahre früher gestorben; und zur Vermehrung seines Elends bekam er auch ein Geschwür an dem linken Fuß, und als dieses geheilt war, brach der andere Fuß auf.

In der Stadt Aquila war ein Kloster, worin sein Oheim Vorstand war. Hieher ging nun der junge Soldat und meldete sich bei seinem Vetter, er wolle sich in den Orden aufnehmen lassen. Allein der Oheim mag vermuthet haben, es sei seinem Anverwandten nicht recht Ernst mit einem geistlichen Leben, und nahm ihn nicht als Noviz an.

Camillus, so hieß dieser, hatte auch immer noch sein Geschwür am Fuß. Er hörte, daß in dem Spital zu Sankt Jakob in Rom geschickte Aerzte seien; er reiste deßhalb nach Rom und trug sich bei dem Spitalmeister als Krankenwärter an, in der Hoffnung, bei dieser Gelegenheit könne er auch seinen Fuß heilen lassen. Camillus wurde auch wirklich angenommen; allein es that nicht lange gut, er war so spielsüchtig, daß er manchmal, statt den Kranken abzuwarten, sie liegen ließ und aus dem Spital schlich, um zu spielen; zudem zeigte er auch einen zanksüchtigen Charakter. Darum wurde kurzer Prozeß mit ihm gemacht und er ungeachtet all’ seiner Versprechungen endlich fortgeschickt, als der Spitalmeister einmal unter seinem Kopfkissen ein Spiel Karten fand.

Was sollte Camillus nun machen? Die Venetianer hatten gerade (1569) Krieg mit den Türken und warben deßhalb Truppen; Camillus nahm auch Kriegsdienste. Allein der Krieg ging bald zu Ende, die Truppen wurden abgedankt, und Camillus war wieder so arm und brodlos als je einmal. Im kalten Winter ohne Geld und kaum nothdürftig gekleidet kam er nach Manfredonia und bettelte dort bei den Kapuzinern. Diese hatten Bedauerniß mit seinem Elend und gaben ihm ein Stück von dem Zeug, woraus sie ihre Kutten machen, damit er sich bekleiden könne. Auch gab es Gelegenheit zu einigem Verdienste; es wurde gerade am Kloster ein Bau vorgenommen, hier arbeitete er nun den Winter hindurch im Taglohn, und hätte sich außer der Nahrung und Kleidung auch noch etwas ersparen können – wenn das Spiele nicht gewesen wäre; aber seine Leidenschaft dazu war so groß, daß er eines Tages all’ seine Habseligkeiten bis auf’s Hemd verspielte.

Ich weiß mich noch aus meiner Kindheit einer Bilderbibel zu erinnern, worin auch die Hölle abgebildet war. Darin saß unter Anderm ein Teufel, welcher Tabak rauchte und Würfel und Karten vor sich liegen hatte. Und gewiß sind Würfel und Kartenspiel ein wahres Netz des Teufels, womit er viele Menschenseelen fängt und hinabzieht in zeitliches und ewiges Verderben. Mancher Wirth ist hierin ein wahrer Apostel des Teufels, und lockt die Leute, besonders Bursche und junge Männer zum Spielen, und fördert das Spielen auf jede Weise. Er weiß wohl, daß, wer anfängt zu spielen, in Kurzem leidenschaftlich wird und meint, er könne nicht anders, er müsse in seine Spielgesellschaft, folglich in’s Wirthshaus. Und er weiß, daß die Spieler mehr vertrinken, als andere Leute; ist gewonnen worden, so trinkt man umsonst; ist verspielt worden, so will man doch vom Trunk, den man zahlen muß, auch etwas haben. Ein großer Theil der Säufer sind es geworden durch Spielen. Wenn du aber auch ganz gewiß wüßtest, daß du im Spielen bedeutend Geld gewinnst, so solltest du doch nicht spielen. Denn Gott will nicht, daß du durch Müßiggang, durch Spielen Geld erwerbest, und Gott will nicht, daß der Andere sein Geld verspiele, statt es zu wohlthätigen Werken zu verwenden. Müsset aber nicht in dieser Sache halb euch bessern wollen, seltener und nicht so lang spielen – sondern wie dem Schnapstrinker nur zu helfen ist, wenn er dem Schnaps gänzlich entsagt – so ist dem Spielsüchtigen nur zu helfen, wenn er sich entschließt, nie und nimmermehr Würfel oder Karten zu berühren. Möge jeder Leser, der wie der leichtsinnige Camillus zu Gewinnspielen bisher geneigt war, sich jetzt auch entschließen davon abzulassen und aus einem Spieler ein tugendreicher Christ zu werden, wie der heilige Camillus.

In Baden kommt es fast alle Jahr vor, daß ein Spieler, wenn er Alles auf der Bank verloren hat, sich aus Verzweiflung einen Tod anthut; Camillus that sich auch einen Tod an, als er im Spiel wieder Alles verloren hatte, aber er tödtete nicht seinen Leib, sondern seine ganze bisherige Sinnes- und Lebensart, d. h. er tödtete sich ab für die Sünde und ging in das andere neue Leben wahrer Gottseligkeit ein. Die stillwirkende Gnade Gottes und der Aufenthalt bei den frommen Kapuzinern hatten allmählig sein Herz aufgeweicht; jenes Unglück im Spiel und ein rührender Zuspruch des Guardians mögen vollends den Durchbruch der Bekehrung bei dem fünfundzwanzigjährigen Camillus bewirkt haben. Er beweinte und verabscheute schmerzlich sein bisheriges Leben und machte das Gelübde, in den Kapuzinerorden einzutreten, um da lebenslänglich Buße zu thun. Auf sein inständiges Bitten wurde er als Laienbruder angenommen; allein weil sein Geschwür am Fuß durch die rauhe Kutte immer wieder aufbrach, so mußte man ihn wieder entlassen. Er ging nun nach Rom in das Spital zu St. Jakob, wo er früher gewesen war; da er diesmal aufgenommen wurde, so diente er wieder den Kranken, aber führte sich dabei ganz anders auf, als bei seinem ersten Aufenthalt, so daß er allen andern Krankenwärtern als Vorbild diente.

Nach vier Monaten, da er geheilt war, machte er auf’s Neue den Versuch, ob er nicht Kapuziner werden könne; allein seine Wunde brach wieder auf und veranlaßte ihn wieder in das Spital St. Jakob zurückzukehren, wo man ihn wegen seiner musterhaften Aufführung zum Aufseher machte. Hier wachte er nun Tag und Nacht bei den Kranken, machte ihre Betten, kehrte die Zimmer, verband die Wunden und stand vorzugsweise den Sterbenden bei, um sie leiblich so viel möglich zu erleichtern und um durch Zuspruch und Gebet ihnen zu einem glückseligen Tod zu verhelfen. Zum Beichtvater wählte er den h. Philipp von Neri. Da er aber sah, wie gleichgültig die um’s Geld bezahlten Wärter den Krankendienst besorgten, kam er auf den Gedanken, eine Gesellschaft religiöser Personen zu sammeln, welche mit ihm rein aus christlicher Liebe der Krankenpflege sich widmeten. Er fand auch wirklich fünf Männer, welche sich dazu verstanden; allein, wie es oft geht, wenn ein gottgefälliges Werk gegründet werden soll, der Teufel legte Hindernisse in den Weg. Die Verwaltung des Spitals hielt den Besuch jener Leute für eine unzulässige Neuerung und legte ein Verbot ein. Camillus wurde aber in seinem Kummer von Gott getröstet und aufgemuntert.

Ein Freund, dem er seine Angelegenheit anvertraute, gab ihm den Rath Priester zu werden; er werde auf diese Weise eher eine religiöse Gesellschaft bilden können, als im weltlichen Stand. Obschon Camillus schon 32 Jahre alt war, so schämte er sich nicht das Studiren anzufangen. Er besuchte die Schulen der Jesuiten und erwarb sich durch großen Fleiß bald so viele Kenntnisse, daß ihm die Priesterweihe ertheilt werden konnte. Nun übertrug ihm die Spitalverwaltung eine Kapelle, um den Gottesdienst dort zu besorgen. In dieser neuen Stellung fand Camillus endlich Schüler, mit welchen er eine religiöse Gesellschaft bildete. Sie besuchten jeden Tag ein Spital, wo sie den Kranken mit solcher Liebe und Eifer dienten, wie wenn jeder Kranke der leidende Heiland selbst wäre; sie unterzogen sich willig selbst den ekelhaftesten Verrichtungen; nahmen sich aber auch um das Seelenheil der Kranken an, indem sie dieselben zum würdigen Empfang der heil. Sakramente und zu einer guten Sterbstunde vorbereiteten. So schön und christlich aber auch das Unternehmen des h. Camill und seiner Schüler war, fand er dennoch Feinde und Widerstand darin. Gott aber verließ seinen eifrigen Diener nicht; er bekam ein Haus für seine Gesellschaft, und verpflichtete von nun an die Brüder, auch die Pestkranken, Gefangenen und die Sterbenden in Privathäusern zu besuchen und zu verpflegen, und gab die vortrefflichsten Anweisungen, wie die Sterbenden zur Reue, Glauben, Hoffnung und Liebe anzuregen seien, wie sie den Tod als Opfer und Sühne für ihre Sünden ergeben annehmen sollten, wie sie flehen sollten, der Verdienste des sterbenden Erlösers theilhaftig zu werden. Papst Sixtus V. bestätigte diese Bruderschaft der Krankendiener.

Als nun immer mehr Mitglieder sich meldeten, so reiste Camill mit zwölf derselben nach Neapel, um auch dort ein Ordenshaus zu gründen. Er übernahm daselbst mit den Brüdern das abschreckendste und gefährlichste Geschäft, nämlich die Pestkranken auf den Galeeren zu besorgen, welcher Dienst auch zweien von den Brüdern das Leben kostete. Auch in vielen andern Städten errichtete er Ordenshäuser.

Da später Rom von einer ansteckenden Krankheit schrecklich heimgesucht wurde, begab sich Camillus wieder dorthin und zeigte seine gewöhnliche Liebe, Eifer und Unerschrockenheit. Als er in Folge seiner stets offenen Wunde am Bein und seiner übrigen Gebrechlichkeiten kaum mehr gehen konnte, schleppte er sich dennoch in den Spitälern von Bett zu Bett um nachzusehen, ob keinem Kranken etwas mangle, und um ihnen heilsame Ermahnungen zu geben. Da aber sein Herz ganz von Liebe Gottes erfüllt war, so war auch diese der hauptsächlichste Gegenstand seiner Reden; ja selbst in seinen zutraulichen Gesprächen redete er davon, und wenn in einer Predigt von der Liebe Gottes keine Erwähnung gethan wurde, so sagte er, diese Predigt sei ein Ring, dem der Diamant fehle.

Camillus hatte vierzig Jahre lang eine offene eiternde Wunde am Fuß, zehn Jahre lang litt er an den furchtbaren Steinschmerzen; diese und noch andere Uebel litt er mit solcher Ergebung und Geduld, daß er sie „Erbarmungen des Herrn“ nannte. Dabei legte er sich noch viele und beschwerliche Bußwerke auf, während er zugleich von seiner Bekehrung an das ganze Leben und alle seine Kräfte unermüdet dem Krankendienst um Christi willen und aus Barmherzigkeit widmete. Für die Reinheit seines Gewissens war er so besorgt, daß er jeden Tag beichtete, und Gott hatte sein besonderes Wohlgefallen an diesem eifrigen Diener Gottes auch noch dadurch zu erkennen gegeben, daß er ihm die Gabe der Weissagung und Wunder verlieh. Wer konnte getroster der Ewigkeit entgegenschauen als Camillus? Dennoch sprach der demüthige Diener Gottes, als ihm bei seiner letzten Krankheit das heilige Sakrament gebracht wurde, mit Thränen: „Ich erkenne, o Herr, daß ich der größte Sünder bin und nicht würdig der Gnade, welche du mir erweisen willst. Rette mich aber um deiner unendlichen Barmherzigkeit willen. Ich setze mein ganzes Vertrauen auf die Verdienste deines kostbaren Blutes!“ Er starb mit dem Ausruf: Jesus, Maria! in der Stunde, die er für seinen Tod vorausgesagt hatte, 65 Jahre alt.
Eugenia-pia
Heiliger Camillus, bitte für uns um eine grosse Gottes- und Nächstenliebe! +