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Wie kommt es, dass große Sünder nach ihrer Bekehrung oft gerechter werden?

Der Stachel des Gewissensbisses wirkt weiter

In jenen, die sich als große Sünder erkennen und sich dazu bekennen, wirkt der Stachel des Gewissensbisses weiter, weil sie aufgrund des Wissens um ihre vergangenen Sünden demütig bleiben und sich stets um Buße bemühen. So treibt sie dieser Stachel zur Vollkommenheit an, während jene, die sich für gerecht halten oder schon längst bekehrt sind oder auch nicht solch große Sünder waren, stehenbleiben im Vollkommenheitsstreben, weil sie nicht dieselbe Demut haben. Auch mit dem Hochmut der Berufung ist es eine ähnliche Sache. Manche meinen, weil sie zu einer besonderen Aufgabe berufen sind, seien sie nun etwas Besseres und da greift sofort der Hochmut des Berufenseins, der so tut, wie wenn die Berufung ein Selbstläufer wäre. Aber die Heiligkeit war schon immer Sache der eigenen Anstrengung, egal in welchem Stand und welcher Berufung. Es ist sogar so, je höher die Berufung, desto strenger das Gericht und desto strenger sollte man sich im Heiligkeitsstreben nehmen. Jeder ist zur Vollkommenheit berufen und sollte die Zeit gut nutzen, denn sie läuft täglich ab. Wem viel vergeben wird, der liebt auch mehr, sagt Jesus im Evangelium über die Sünderin, die ihm die Füße küsste, einbalsamierte und sie mit ihren Haaren trocknete. Das ist es, was die großen Sünder bewegt: sie haben mehr Dankbarkeit, dass sich der Herr ihrer erbarmt hat, obwohl sie so viel sündigten. Andere, die sich als weniger sündhaft beurteilen, lassen sich vielleicht auch weniger vom Bußeifer wegen ihrer Sünden antreiben. An anderer Stelle sagt die Bibel: wo die Sünde groß wurde, wurde die Gnade übergroß. Auch dieser Spruch belegt diese Tatsache.

Werden wir also demütiger wegen unserer Sündhaftigkeit und nutzen wir dieses Wissen zu einer größeren Bußgesinnung, die zum Stachel wird, der uns zur Vollkommenheit antreibt!
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Der Stachel des Gewissensbisses wirkt weiter