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SALVIFICI DOLORIS - Über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens

APOSTOLISCHES SCHREIBEN
SALVIFICI DOLORIS
SEINER HEILIGKEIT
PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DIE BISCHÖFE, PRIESTER,
ORDENSLEUTE UND GLÄUBIGEN
DER KATHOLISCHEN KIRCHE
ÜBER DEN CHRISTLICHEN SINN
DES MENSCHLICHEN LEIDENS

Liebe Brüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern in Christus!


I. EINLEITUNG
1. Die heilbringende Kraft des Leidens erklärend sagt der Apostel Paulus: »Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben, was an den Leiden Christi noch fehlt«.(l)
Diese Worte stehen gleichsam am Ende des langen Weges, der sich durch die Leiden hin erstreckt, die zur Geschichte des Menschen gehören und vom Wort Gottes erhellt werden. Es kommt ihnen fast die Bedeutung einer endgültigen Entdeckung zu, die von Freude begleitet ist; daher schreibt der Apostel: »Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage«.(2) Die Freude kommt aus der Entdeckung des Sinnes des Leidens. Eine solche Entdeckung ist, obwohl Paulus von Tarsus, der diese Worte schreibt, ganz persönlich davon betroffen ist, zugleich auch gültig für andere. Der Apostel teilt seine eigene Entdeckung mit und freut sich darüber wegen all jener, denen sie helfen kann - so wie sie ihm geholfen hat -, denheilbringenden Sinn des Leidens zu ergründen.
2. Das Thema des Leidens - gerade unter dem Gesichtspunkt seines heilbringenden Sinnes - scheint in einem tiefen Zusammenhang mit dem Jahr der Erlösung als einem außerordentlichen Jubiläumsjahr der Kirche zu stehen. Auch dieser Umstand spricht dafür, daß wir diesem Thema gerade während dieses Jahres unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Unabhängig davon ist dies ein universales Thema, das den Menschen jedes Breiten- und Längengrades betrifft: Es geht gleichsam mit ihm zusammen durch diese Welt und muß deshalb immer wieder neu aufgegriffen werden.
Auch wenn Paulus im Brief an die Römer geschrieben hat, daß »die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt«,(3) und dem Menschen die Leiden der Tierwelt bekannt sind und nahegehen, so scheint doch das, was wir mit dem Wort »Leiden« zum Ausdruck bringen, wesentlich die Natur des Menschen zu betreffen. Es ist so tief wie der Mensch selbst, gerade weil es auf seine Weise die dem Menschen eigene Tiefe ausdrückt und sie seinerseits noch übersteigt. Das Leiden scheint zur Transzendenz des Menschen zu gehören: Es ist einer jener Punkte, wo der Mensch gewissermaßen dazu »bestimmt« ist, über sich selbst hinauszugehen, und dazu auf geheimnisvolle Weise aufgerufen wird.
3. Wenn das Thema des Leidens fordert, daß wir uns ihm im Jahr der Erlösung in besonderem Maße stellen, so hat das seinen Grund vor allem darin, daß die Erlösung durch das Kreuz Christi geschehen ist, das heißt, durch sein Leiden. Zugleich denken wir im Jahr der Erlösung an jene Wahrheit, die in der Enzyklika Redemptor hominis so ausgedrückt ist: In Christus »wird jeder Mensch zum Weg der Kirche«.(4) Man kann sagen, der Mensch wird in besonderer Weise zum Weg der Kirche, wenn in sein Leben das Leiden eintritt. Dies geschieht bekanntlich in verschiedenen Augenblicken seines Lebens; es äußert sich auf unterschiedliche Weise und in verschiedenem Ausmaß. Doch in der einen wie der anderen Form ist das Leiden anscheinend fast untrennbar mit der irdischen Existenz des Menschen verbunden.
Wenn also der Mensch während seines irdischen Lebens in der einen oder anderen Weise auf dem Weg des Leidens geht, müßte die Kirche zu allen Zeiten - und vielleicht ganz besonders im Jahr der Erlösung - dem Menschen gerade auf diesem Weg begegnen. Die Kirche, die aus dem Geheimnis der Erlösung im Kreuz Christi geboren wird, muß die Begegnung mit dem Menschen vor allem auf dem Weg seines Leidens suchen. Bei dieser Begegnung wird der Mensch »der Weg der Kirche«; und dieser Weg gehört zu ihren bedeutendsten Wegen.
4. Daraus ergibt sich auch die vorliegende Betrachtung, gerade im Jahr der Erlösung: die Betrachtung über das Leiden. Menschliches Leid bewirkt Mitleid, ruft auch Achtung hervor; auf seine Weise flößt es aber auch Furcht ein. Diese besondere Achtung vor jedem menschlichen Leid soll an den Beginn all dessen gestellt sein, was im folgenden aus dem tiefsten Bedürfnis des Herzens und zugleich aus einem grundlegenden Anspruch des Glaubensgesagt werden soll. Beim Thema des Leidens scheinen sich diese beiden Motive in besonderer Weise einander zu nähern und miteinander zu verbinden: Das Bedürfnis des Herzens gebietet uns, die Furcht zu überwinden, und der Anspruch des Glaubens - wie er zum Beispiel in den am Anfang angeführten Worten des hl. Paulus ausgedrückt wird - gibt uns den Inhalt, in dessen Namen und Kraft wir wagen, an das zu rühren, was in jedem Menschen so sehr unberührbar zu sein scheint: denn der Mensch in seinem Leiden bleibt ein unberührbares Geheimnis.

Weiterlesen:www.vatican.va/…/hf_jp-ii_apl_11…
Gestas
Erzählt man einem Menschen, der leidet, das das Leiden einen Sinn hat! Nur wenige werden zustimmen. Das einzige was sie wollen ist, das man ihnen die Schmerzen und andere Leiden wegnimmt. Das es Sinn hat, tröstet den betroffenen nicht.