M.RAPHAEL
317

Wir sind Familie, nicht von dieser Welt

Die Moderne beherrscht das Denken. Wegen dieser Gehirnwäsche, wegen dieser wissenschaftlichen Weltanschauung des Wiener Kreises Anfang des 20. Jahrhunderts, hat die Kirche begonnen, sich selbst und damit die Natur und das Wesen des Glaubens nicht mehr zu verstehen. Das hat in der Konzilskirche geendet, die sich „nur noch“ für eine humanistische Institution hält, für die es kein Problem ist, in einer globalen Weltreligion aufzugehen, in der das Fleisch und Blut des Herrn nur noch metaphorisch verstanden und nicht mehr objektiv real zu einem Seinsakt wird.

In diesem Denken wird die objektive Realität nur noch von den empirischen Wissenschaften festgestellt. Der Mensch wird als ein intelligentes Tier und seine Psyche/Geist Einheit als ein Epiphänomen des neuronalen Feuers in seinem Gehirn betrachtet. Generell wird zwischen objektiver wissenschaftlicher Faktizität und subjektiver psychischer Meinung unterschieden. Der Glaube gehört zur letzteren. Entsprechend ist der moderne Mensch davon überzeugt, dass er seinen Glauben auswählen kann, wie sein nächstes Konsumprodukt, sei es Reiseziel, Restaurant, Auto, Mode, Ehepartner, etc. Der Mensch wählt sich seinen Glauben, je nachdem was ihm gut tut. Entsprechend kann er ihn wechseln oder auch vermischen. Ein wenig Tantra, eine Prise Buddhismus und das Zärtlichkeitsgesülze des PF, alles wird vermengt, wenn man sich am Abend im Mission Camp eines super coolen Konzilsanimateurs treffen kann, um sich gegenseitig in zufriedener Selbstliebe die Händchen zu reichen. Durch diesen Selbstbetrug entkommt man der furchtbaren Wahrheit, dass am Ende alles unwichtig und sinnlos ist. Das Motto einer brüderlichen und zärtlichen humanistischen Weltreligion steht über dem Tor zur Hölle, in etwa wie das Schild „Arbeit macht frei“ über einem Vernichtungslager.

Nein, die Moderne ist eine Lüge. Die Wahrheit ist der Leib des Herrn, in den der Mensch durch die ontologische Kommunion des Fleisches (das Wesen des Herrn) und des Blutes (das Leben des Herrn) integriert wird. Das ist die wahre objektive Faktenrealität. Durch das identische Fleisch und Blut des Herrn werden alle Christen zu wahren, echten und wirklichen Blutsbrüdern. Wir sind eine wahrhaftige Familie. Wir sind wirklich Brüder und Schwestern. In der Muttergottes, im Heiligen Michael und in der armen Seele, die im unbeirrbaren Zeugnis für den Glauben von der Gesellschaft auf die Straße geworfen wurde und dort jetzt erfriert, pulsiert das identische Blut. Wir sind Mutter, Brüder und Schwestern. Wir sind eine echte Familie. Entsprechend haben wir uns sehr gerne. Wir geben uns niemals auf. Im Mitmenschen sehen wir uns selbst, weil es wirklich so ist. Der gottlose Kant postuliert daraus seinen kategorischen Imperativ. Aber er kann ihn letztlich nicht begründen, weil er wohl als Protestant die Ontologie der katholischen Kommunion nicht kennen will. Er versucht es mit der „Kritik der Urteilskraft“, mit einem Rückgriff auf die Ästhetik und die Teleologie. Er scheitert. Für Interessierte: Früchtl, Joseph, „Ästhetische Erfahrung und moralisches Urteil: Eine Rehabilitierung“.

Wir sind Familie. Wir sind wirklich Familie, mit Streitereien und Witzen. Manchmal geht es wüst her. Keiner von uns ist lieb. Wer lieb ist, ist verdächtig. Wir lieben uns unbedingt, wirklich unbedingt, untrennbar. Ein Bruder kann sich nicht von seiner Schwester scheiden. Es gibt keine Trennung. Wir haben es immer schon gewusst. Wir haben es immer schon freiwillig gewollt, weil der Herr, unser Gott, uns dazu eingeladen hat.

Meine leibliche Mutter hat mir erzählt, dass ich, kaum dass ich sprechen konnte, schon vom Heiligen Geist geschwärmt habe, in Langen/Hessen in den 60er Jahren. Da weiß man nichts von Religion und vernünftigen Glaubenslehren. Das ist es: Wir sind der ewige Leib Gottes, weil Er es will, es immer schon gewollt hat und es für immer will! Es hat nichts mit der irdischen Vernunft oder dem Verstand zu tun.

Wenn sich ein Mensch auf der Erde zum Glauben an den wahren Gott bekehrt, dann ist es ein Durchdringen aus der irdischen Lüge und Verwirrung zur eigentlichen Wahrheit, die er ist. Er war ein verirrtes Schaf. Der Herr ist ihm nachgelaufen und hat ihm seine Wahrheit gezeigt. Damit ist er als verlorener Sohn nach Hause gekommen. Bekehrung bedeutet nach Hause kommen. Es bedeutet nicht, sich aus egoistischen Gründen einer Weltdeutung anzuschließen, die einem Spaß macht und, vor allem, in der einem ein cooler Supertyp für ein paar Minuten mal Aufmerksamkeit schenkt.

Nein, der Glaube bedeutet das Bewusstsein, dass Wir sind. Weil es das in dieser Welt nicht gibt, sind wir nicht von dieser Welt (vgl. Joh 17,14-19). Demnächst mehr.