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Die zwei Fragen aus dem Papstbuch über Kondome

(Auszug aus dem Buch "Licht der Welt")
Peter Seewald: Mit Ihrer Afrika-Reise im März 2009 geriet erneut die Aidspolitik des Vatikans ins Visier der Medien. 25 Prozent aller Aidskranken weltweit werden heute in katholischen Einrichtungen behandelt. In einigen Ländern, wie etwa Lesotho, sind es weit über 40 Prozent. Sie erklärten in Afrika, die traditionelle Lehre der Kirche habe sich als einzig sicherer Weg erwiesen, die Verbreitung von HIV aufzuhalten. Kritiker, auch aus den Reihen der Kirche, halten dagegen, es sei Wahnsinn, einer aidsgefährdeten Bevölkerung die Benutzung von Kondomen zu verbieten.


Benedikt XVI.: Die Afrika-Reise ist publizistisch völlig verdrängt worden durch einen einzigen Satz. Man hatte mich gefragt, warum die katholische Kirche in Sachen Aids eine unrealistische und wirkungslose Position einnehme. Daraufhin fühlte ich mich nun wirklich herausgefordert, denn sie tut mehr als alle anderen. Und das behaupte ich auch weiterhin. Weil sie als einzige Institution ganz nah und ganz konkret bei den Menschen ist, präventiv, erziehend, helfend, ratend, begleitend. Weil sie so viele Aidskranke und insbesondere an Aids erkrankte Kinder behandelt wie niemand sonst. Ich konnte eine dieser Stationen besuchen und mit den Kranken sprechen.

Das war die eigentliche Antwort: Die Kirche tut mehr als die anderen, weil sie nicht nur von der Tribüne der Zeitung aus redet, sondern den Schwestern, den Brüdern vor Ort hilft. Ich hatte dabei nicht zum Kondomproblem generell Stellung genommen, sondern, was dann zum großen Ärgernis wurde, nur gesagt: Man kann das Problem nicht mit der Verteilung von Kondomen lösen. Es muss viel mehr geschehen. Wir müssen nahe bei den Menschen sein, sie führen, ihnen helfen; und dies sowohl vor wie nach einer Erkrankung.

Tatsächlich ist es ja so, dass wo immer sie jemand haben will, Kondome auch zur Verfügung stehen. Aber dies allein löst eben die Frage nicht. Es muss mehr geschehen. Inzwischen hat sich gerade auch im säkularen Bereich die sogenannte ABC-Theorie entwickelt, die für „Abstinence – Be faithful – Condom“ steht [Enthaltsamkeit – Treue – Kondom], wobei das Kondom nur als Ausweichpunkt gemeint ist, wenn die beiden anderen Punkte nicht greifen. Das heißt, die bloße Fixierung auf das Kondom bedeutet eine Banalisierung der Sexualität, und die ist ja gerade die gefährliche Quelle dafür, dass so viele Menschen in der Sexualität nicht mehr den Ausdruck ihrer Liebe finden, sondern nur noch eine Art von Droge, die sie sich selbst verabreichen. Deshalb ist auch der Kampf gegen die Banalisierung der Sexualität ein Teil des Ringens darum, dass Sexualität positiv gewertet wird und ihre positive Wirkung im Ganzen des Menschseins entfalten kann.

Es mag begründete Einzelfälle geben, etwa wenn ein Prostituierter ein Kondom verwendet, wo dies ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein kann, ein erstes Stück Verantwortung, um wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will. Aber es ist nicht die eigentliche Art, dem Übel der HIV-Infektion beizukommen. Diese muss wirklich in der Vermenschlichung der Sexualität liegen.“

Peter Seewald: Heißt das nun, dass die katholische Kirche gar nicht grundsätzlich gegen die Verwendung von Kondomen ist?

Benedikt XVI.: Sie sieht sie natürlich nicht als wirkliche und moralische Lösung an. Im einen oder anderen Fall kann es in der Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, jedoch ein erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität.

Buchbestellung: herder.de/extra/licht_der_welt
Iacobus
@Lisi:
" Es gibt hier viele junge Menschen, die mit Begeisterung dem Glauben dienen wollen. Diese Begeisterung darf man nicht zerstören. Viele sind von einer falschen Gestalt letztendlich doch zum Richtigen gerufen worden. Das ist das Merkwürdige, der Widerspruch, dass sozusagen ein falscher Prophet doch eine positive Wirkung haben konnte."
Das erinnert doch irgendwie an den Fall Medju??? 😉Mehr
@Lisi:
" Es gibt hier viele junge Menschen, die mit Begeisterung dem Glauben dienen wollen. Diese Begeisterung darf man nicht zerstören. Viele sind von einer falschen Gestalt letztendlich doch zum Richtigen gerufen worden. Das ist das Merkwürdige, der Widerspruch, dass sozusagen ein falscher Prophet doch eine positive Wirkung haben konnte."

Das erinnert doch irgendwie an den Fall Medju??? 😉
Lisi Sterndorfer
Hier noch die Fragen über die Legionäre Christi /Pater Marciel
Peter Seewald:
Auch die Aufdeckung des Doppellebens des Gründers der Ordensgemeinschaft der „Legionäre Christi“, Marcial Maciel Degollado, erschütterte die Kirche. Missbrauchsvorwürfe gegen den 2008 in den USA verstorbenen Maciel standen bereits seit Jahren im Raum. Die Lebensgefährtin Maciels gab an, Mutter zweier gemeinsamer Kinder …
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Hier noch die Fragen über die Legionäre Christi /Pater Marciel

Peter Seewald:
Auch die Aufdeckung des Doppellebens des Gründers der Ordensgemeinschaft der „Legionäre Christi“, Marcial Maciel Degollado, erschütterte die Kirche. Missbrauchsvorwürfe gegen den 2008 in den USA verstorbenen Maciel standen bereits seit Jahren im Raum. Die Lebensgefährtin Maciels gab an, Mutter zweier gemeinsamer Kinder zu sein. In Mexiko sind nun Stimmen zu hören, die öffentlichen Entschuldigungen der „Legionäre Christi“ reichten nicht aus, die Ordensgemeinschaft müsse aufgelöst werden.

Benedikt XVI.: Leider sind wir nur sehr langsam und verspätet an diese Dinge herangekommen. Sie waren irgendwie sehr gut verdeckt, und erst seit etwa dem Jahr 2000 haben wir konkrete Anhaltspunkte gewonnen. Schließlich brauchte es eindeutige Zeugnisse, um wirklich Gewissheit zu haben, dass die Vorwürfe zutreffen.
Für mich bleibt Marcial Maciel eine mysteriöse Gestalt. Da ist einerseits ein Leben, das, wie wir nun wissen, jenseits des Moralischen liegt, ein abenteuerliches, vertanes, verdrehtes Leben. Andererseits sehen wir die Dynamik und die Kraft, mit der er die Gemeinschaft der Legionäre aufgebaut hat.
Wir haben inzwischen eine Apostolische Visitation durchführen lassen und einen Delegaten eingesetzt, der mit einer Gruppe von Mitarbeitern die nötigen Reformen vorbereitet. Natürlich sind Korrekturen zu machen, aber im Großen und Ganzen ist die Gemeinschaft gesund. Es gibt hier viele junge Menschen, die mit Begeisterung dem Glauben dienen wollen. Diese Begeisterung darf man nicht zerstören. Viele sind von einer falschen Gestalt letztendlich doch zum Richtigen gerufen worden. Das ist das Merkwürdige, der Widerspruch, dass sozusagen ein falscher Prophet doch eine positive Wirkung haben konnte. Diesen vielen jungen Menschen muss neu Mut gegeben werden. Es braucht eine neue Struktur, damit sie nicht ins Leere fallen, sondern, richtig geleitet, weiter der Kirche und den Menschen einen Dienst tun können.“
Sokrates
Aber man kann den Medien nicht vorwerfen, sie hätten den Papst falsch zitiert.
hans03
Sehr lobenswert. dass nun den entsprechenden Auszug des vielfach kritisierten Interwies unseres Heiligen Vaters in dem neuen Papstbuch endlich hier zu finden ist. Wir sehen, dass Papst Benedikt es mehr als um ein "Verbot" oder eine "Erlaubnis" der Kondombenutzung geht. Es geht ihm um mehr Menschlichkeit. Es kann Situationen geben, in denen Menschen sich in einer Abhängigkeit der Sexualität befinden …Mehr
Sehr lobenswert. dass nun den entsprechenden Auszug des vielfach kritisierten Interwies unseres Heiligen Vaters in dem neuen Papstbuch endlich hier zu finden ist. Wir sehen, dass Papst Benedikt es mehr als um ein "Verbot" oder eine "Erlaubnis" der Kondombenutzung geht. Es geht ihm um mehr Menschlichkeit. Es kann Situationen geben, in denen Menschen sich in einer Abhängigkeit der Sexualität befinden. In so einer Situation kann dann die Benutzung von Kondomen die beteiligten Personen vor Krankheiten bewahren.
Von den eigentlichen Grundsätzen der katholischen Sexual- und Sittenlehre wurde in keiner Weise abgewichen. Ziel muss es aber sein, die Menschen zu unterstützen, ein keusches Leben (geglückter Integration der Geschlechtlichkeit) zu führen. Die ganzen Diskussionen und kritischen Äußerungen gegenüber unserem Papst entbehren also jeglicher Grundlage. Vielen Dank an die Redaktion!
HerzMariae
Der Hauptsatz heißt: Es [Kondom] kann ein erster Schritt auf dem WEg zu einer menschlicheren Sexualität sein.
Iacobus
Der Papst heißt nicht den Gebrauch des Kondoms gut sondern die Absicht Ansteckungsgefahr zu verringern...
HerzMariae
😇