Tina 13
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Das Wiegenlied der Jungfrau. Das Wiegenlied der Jungfrau Diesen Morgen hatte ich ein süßes Erwachen. Während ich noch im Halbschlaf dahinschlummerte, vernahm ich eine reine Stimme, die langsam und …Mehr
Das Wiegenlied der Jungfrau.

Das Wiegenlied der Jungfrau

Diesen Morgen hatte ich ein süßes Erwachen. Während ich noch im Halbschlaf dahinschlummerte, vernahm ich eine reine Stimme, die langsam und sanft ein Wiegenlied sang. Es schien ein weihnachtliches Hirtenlied zu sein, so erhebend und feierlich hörte es sich an. Ich folgte diesem Motiv und dieser Stimme und wurde immer mehr wach. Schließlich war ich ganz bei Bewußtsein und verstand.

Ich sagte: »Gegrüßt seist du Maria, voll der Gnade!« Denn es war die Mutter, die sang.

Und sie verstärkte ihre Stimme, nachdem sie mir erwidert hatte: »Auch ich grüße dich. Komm und sei glücklich!«
Ich habe sie gesehen, im Haus von Betlehem; in dem von ihr bewohnten Zimmer; sie war dabei, Jesus in den Schlaf zu wiegen. Im Zimmer waren der Webstuhl Marias und die Näharbeiten. Es schien, als habe Maria ihre Arbeit beiseitegelegt, um ihr Kind zu stillen und ihm die Windeln zu wechseln – denn es war schon einige, ich möchte sagen, sechs bis acht Monate alt – und daß sie gedachte, ihre Arbeit nach dem Einschlafen des Kleinen wiederaufzunehmen.
Es war um die Abendstunde. Die Sonne war schon fast untergegangen, und der heitere Himmel hatte goldene Wolkenflöckchen.

Herden kehrten zurück, grasten die letzten Kräuter einer blumenreichen Wiese ab und blökten mit erhobenen Mäulern.
Das Kindlein hatte Mühe einzuschlafen. Es schien ein wenig unruhig zu sein wegen der schmerzenden Zähnchen oder anderer kleiner Kinderleiden.

So gut ich konnte, habe ich im Dunkel jener frühen Morgenstunde das Lied aufgezeichnet, und zwar auf ein Stück Papier, von dem ich es jetzt abschreibe.
»Goldene Wölkchen – sie gleichen den Schafherden des Herrn auf einer blumigen Wiese. Eine andere Herde schaut ihnen zu. Doch hätte ich auch alle Herden, die es auf Erden gibt, mein liebstes Schäflein wärest immer du . . .
Schlaf, schlaf, schlaf, schlaf . . .
Weine nicht mehr . . .
Tausend leuchtende Sterne stehen am Himmel und blicken herab. Laß deine lieben Augensterne, laß sie nicht mehr weinen! Deine Saphiraugen sind die Sterne meines Herzens. Deine Tränen sind mein Schmerz! Oh! weine nicht mehr . . .
Schlaf, schlaf, schlaf, schlaf . . .
Weine nicht mehr . . .
Alle strahlenden Engel, die im Paradiese sind, sind deine Krone, Unschuldiger, dein Anblick beglückt sie. Doch du weinst und willst die Mutter, die Mutter . . . Sie ist bei dir und wiegt dich in den Schlaf . . .
Schlaf, schlaf, schlaf, schlaf . . .
Weine nicht mehr . . .
Bald färbt sich der Himmel, und die Morgenröte steigt auf. Doch die Mutter will noch nicht schlafen, damit du nicht weinst. Beim Aufwachen wirst du „Mama“ sagen, und ich „mein Sohn“. Und mein Kuß gibt dir zusammen mit der Milch Liebe und Leben . . .
Schlaf, schlaf, schlaf, schlaf . . .
Weine nicht mehr . . .
Ohne Mutter kannst du nicht leben, auch wenn du vom Himmel träumst. Komm, Komm! Unter meinem Schleier wiege ich dich in den Schlaf. Meine Brust sei dein Kissen, meine Arme deine Wiege. Du brauchst nichts zu fürchten, denn ich bin bei dir . . .
Schlaf, schlaf, schlaf, schlaf . . .
Weine nicht mehr . . .
Ich will stets bei dir bleiben, du bist das Leben meines Herzens . . . Du schläfst wie eine Blume auf meiner Brust . . . Seid sachte! Er schläft, vielleicht sieht er den Heiligsten Vater . . . Sein Anblick trocknet die Tränen meines süßen Jesu . . .
Er schläft, er schläft, er schläft, er schläft und weint nicht mehr . . . «

Unmöglich, die Anmut dieser Szene zu beschreiben! Es ist ja nicht irgendeine Mutter, die ihren Kleinen wiegt. Es ist diese Mutter und es ist dieses Kind! Man kann sich daher denken, welche Anmut, welche Liebe, welche Reinheit, welch ein Himmel in dieser kleinen, großen, lieblichen Szene liegt, deren Erinnerung mich froh stimmt, und deren Melodie in mir bleibt; ich wiederhole letztere immer wieder, um sie an andere weitergeben zu können. Aber ich habe nicht die reine Silberstimme Marias, die jungfräuliche Stimme der Jungfrau!

. . . Die meine klingt eher wie ein verstimmtes Örgelchen. Doch das hat keine Bedeutung. Ich bemühe mich, so gut es eben geht.

Welch ein schönes Hirtenlied für die Weihnachtskrippe! Die Mama schaukelte vorerst langsam die hölzerne Wiege, und als Jesus sich nicht beruhigte, nahm sie ihn in ihre Arme, setzte sich an das offene Fenster und schaukelte ihn sanft im Rhythmus des Liedes; sie wiederholte ihr Wiegenlied zweimal, bis der kleine Jesus die Äuglein schloß, das Köpfchen an sie lehnte und einschlief, das rosige Gesichten an den warmen Busen gelehnt, ein Händchen neben dem rosigen Gesichtchen auf die Mutterbrust und das andere auf ihren Schoß gelegt. Der Schleier Marias beschattete das heilige Kindlein.

Dann erhob sich Maria mit großer Vorsicht und legte ihren Jesus in die Wiege, bedeckte ihn mit kleinen Decken, breitete zum Schutz gegen die Mücken und gegen die Luft einen Schleier über ihn und blieb in Betrachtung vor ihrem schlafenden Schatz stehen.

Sie hielt eine Hand aufs Herz, die andere noch auf der Wiege, bereit diese wieder zu bewegen, falls er erwachen sollte, und lächelte selig. Sie stand etwas gebeugt da, während die Schatten und die Stille sich auf die Erde senkten und auch in die Kammer der Jungfrau eindrangen. Welch ein Friede! Welche Schönheit! Ich bin glücklich darüber.
Tina 13
🙏
Tina 13
"Ich sagte: »Gegrüßt seist du Maria, voll der Gnade!« Denn es war die Mutter, die sang."
Tina 13
Ave Maria ...
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Tina 13
🙏
Tina 13
🙏
Tina 13
Alle strahlenden Engel, die im Paradiese sind, sind deine Krone, Unschuldiger, dein Anblick beglückt sie. Doch du weinst und willst die Mutter, die Mutter . . . Sie ist bei dir und wiegt dich in den Schlaf . . .
Schlaf, schlaf, schlaf, schlaf . . .
Tina 13
🙏
Tina 13
Alle sollen wissen, dass das 'Gegrüßet seist du, Maria' nach dem Vaterunser das schönste aller Gebete ist. Es ist die vollkommenste Huldigung, die ihr Maria erweisen könnt, denn es ist der Gruß, den ihr der Allerhöchste durch den Erzengel überbringen ließ, von einem geheimnisvollen Liebreiz, hatte eine solche Macht über Marias Herz, dass sie trotz ihrer tiefen Demut der Menschwerdung des Wortes …Mehr
Alle sollen wissen, dass das 'Gegrüßet seist du, Maria' nach dem Vaterunser das schönste aller Gebete ist. Es ist die vollkommenste Huldigung, die ihr Maria erweisen könnt, denn es ist der Gruß, den ihr der Allerhöchste durch den Erzengel überbringen ließ, von einem geheimnisvollen Liebreiz, hatte eine solche Macht über Marias Herz, dass sie trotz ihrer tiefen Demut der Menschwerdung des Wortes zustimmte. Auch ihr werdet das Herz Marias durch diesen Gruß gewinnen, wenn ihr ihn andächtig betet.
Tina 13
🙏