Eugenia-Sarto
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Eine wunderbare Theologie. Wozu und wie wir erschaffen wurden.

In seiner Klarheit ist der heilige Anselm wohl kaum übertroffen worden. Da geht einem ja das Herz auf.
Man nennt ihn Vater der Scholastik

Aus seinem Buch: Warum Gott Mensch geworden.

"... Dass die vernunftbegabte Natur (der Mensch) von Gott gerecht erschaffen worden sei, um in seinem Genusse selig zu sein , darf nicht bezweifelt werden. Denn dazu hat sie die Vernunft, damit sie unterscheide zwischen gerecht und ungerecht, zwischen gut und bös, zwischen mehr und minder gut; ausserdem wäre sie vergeblich mit Vernunft begabt worden.
So besteht denn kein Zweifel, dass sie zu diesem Zwecke mit Vernunft begabt worden.
Aus gleichem Grund beweist sich, dass sie die Fähigkeit, zu unterscheiden, nur zu dem Ende erlanget, um das Böse zu hassen und zu meiden, das Gute zu lieben und zu wählen, ja auch das Bessere mehr zu lieben und eher zu wählen. Wiederum hätte ihr Gott sonst vergeblich jene Fähigkeit des Unterscheidens verliehen, weil das Unterscheiden eitel, würde sie nicht in Gemässheit des Unterscheidens lieben oder aber meiden.
Nimmer doch ziemte sich, dass Gott eine so weitreichende Fähigkeit vergeblich verliehen hätte.
Es steht darum fest, dass die Natur um deswillen mit Vernunft begabt worden, auf dass sie das höchste Gut über alles liebe und erwähle, nicht um eines anderen, sondern um seiner selbst willen; denn täte sie es um eines anderen willen, so würde sie nicht jenes selbst sondern dieses andere lieben. Solches kann aber hinwieder nur ein gerechtes Wesen tun.
Damit es aber seine Vernunft nicht umsonst besitze, muss es zu diesem Zwecke zugleich mit Vernunft und Gerechtigkeit begabt worden sein. Ist es nun gerecht erschaffen worden, um das höchste Gut zu wählen und zu lieben, so ist es zu dem weiteren Ende erschaffen, entweder einstens das zu erlangen, was es liebt und erwählt, oder aber mit Absehung hiervon.
Wäre es aber nicht um deswillen gerecht erschaffen worden, damit es das erlange, was es liebt und erwählt; so wäre es vergeblich so geschaffen worden, jenes lieben und erwählen zu können; es wäre kein Grund mehr vorhanden, dass es jenem jemals nachstreben sollte. Denn solange die gerechte Natur durch Lieben und Erwählen des höchsten Gutes ihrer Bestimmung nachkäme, müsste sie unglücklich sein, weil gegen ihren willen in Dürftigkeit, indem sie das nicht hätte, wonach die verlangt - was doch eine zu grosse Ungereimtheit in sich schlösse.

So ist denn die vernunftbegabte Natur gerecht erschaffen worden, um im Genusse des höchsten Gutes, d.h. Gottes - selig zu sein; und ist der Mensch als ein vernunftbegabtes Naturwesen zu dem Ende gerecht erschaffen worden, damit er im Genusse Gottes selig sei.