M. Luther: "Gott kann nicht Gott sein, er muss zuerst Teufel werden."
Luthers Leugnung der Freiheit und die Übertragung des Bösen auf Gott
von Alma von Stockhausen
Was führt Luther in so folgenschwerer Weise dazu, die Vollkommenheit Gottes preiszugeben? In dem von Luther als seiner wichtigsten Schrift bezeichneten Buch: De servio arbitrio, schreibt Luther an Erasmus: „Ich lobe und preise Dich gar sehr, dass du als einziger von allen die Sache selbst in Angriff genommen hast, d.h. das Wesentliche der Sache, und dass du mich nicht mit fremdartigen Sachen über Papsttum, Fegefeuer, Ablass und ähnliches geplagt hast.“[1] Die Sache selbst, um die es Luther in der Antwort an Erasmus von Rotterdam geht, ist der Nachweis, „dass der freie Wille eine Lüge sei.“[2]
Luther vertauscht die „herzbewegende Liebe Gottes“, die sich selbst zurücknehmend, als Raum gebend für die Freiheit des anderen verstanden wurde, mit dem „kalten Allwillen der Alleinwirksamkeit Gottes“, wie Shakespeare es in King Lear so vortrefflich ausdrückte. „Wenn Gott es will, weil er will, und weder Ursache und Grund für ihn Geltung haben[3], wenn sein Wesen durch die Alleinherrschaft und Allmacht bestimmt ist, dann wird „das Dogma vom freien Willen vernichtet.“[4] „Allmacht und Praescienz Gottes strecken den freien Willen wie einen Blitzschlag nieder.“[5]
Wie aber ist ohne die Freiheit die Entstehung des Bösen überhaupt möglich?
Die Gebote und Gesetze Gottes fordern nicht unseren freien Willen auf, „sondern erinnern uns nur an unsere Ohnmacht.“[6] Die göttlichen Gebote belehren uns zwar nach Luther über das, was sie sollen, nicht aber über das, was wir können. „Wenn Gott es ist“, der nach Luthers Auffassung allein den Menschen in seinen Handlungen bestimmt, „warum wandelt er nicht zugleich die bösen Willen, die er bewegt?“[7] „Warum lässt Gott Adam fallen, und warum schafft er uns, mit derselben Sünde befleckt?“, fragt sich Luther selbst. Auch „Judas wurde“ nach Luther „notwendigerweise ein Verräter.“[8] D.h. dieser Verrat war nach Luther: „Das Werk Gottes, das er durch seine Allmacht in Bewegung setzte, so wie auch alles andere.“[9] Konsequenterweise lässt Luther Gott von sich selber sagen: „Ego sum qui creo bonum et malum“.[10] „So widersinnig mächtig“ erscheint Gott Luther, „dass er das Gute und das Böse, zwei unvereinbare Dinge, auf die Einheit seiner ewigen Natur zurückführt.“[11]
Der Gott, der einmal als „grausamer Feind und als Schöpfer des Bösen“[12] und dann als „Gott allen Trostes in Christus erscheint, kann als Gott, wie er in sich selbst ist, als Wahrheit in ihr selbst verstanden werden.“[13], wenn wir auf die Prädicatio indentica des „ranzigen Philosophen Aristoteles“ verzichten, und die „novitas des Christentums“ in eine „Logik des Werdens“[14] übertragen.
Mit dieser neuen Entwicklungslogik versucht Luther die schärfsten Gegensätze: Gut und Böse, Leben und Tod in eine „neue Einheit fortzureißen“[15] Diese kontradiktorisch sich ausschließenden Widersprüche will Luther durch die Allmacht Gottes in einem Werdeprozess vermitteln. Luther scheut auch nicht davor zurück, sogar Gott in einen dialektischen Werdeprozess aufzuheben. Der Gott, der sich als Schöpfer des Guten und Bösen selber widerspricht: „deus sibi contradicit“, kann nicht Gott sein, er muss zuerst Teufel werden.“ [16]
Nicht nur die Gotteslehre der Metaphysik und der katholischen Kirche zerstört Luther mit der Übertragung des Bösen auf Gott. Auch die Geheimnisse der Offenbarungsbotschaft pervertiert Luther in eine dialektische Gegensatzeinheit, z.B. mit der bekannten Formel: "simul iustus et peccator“, die für ihn sowohl für Gott als auch für den Menschen gilt. Die Trinitätslehre, die nach katholischer Auffassung die Liebeseinheit der göttlichen Personen ausdrückt, hebt Luther in einen Entwicklungsprozess derart auf, dass die Personen zu Entwicklungsphasen im Akt der göttlichen Selbstherstellung herabsinken. Auch hier vertauscht Luther die liebende Selbstmitteilung Gottes mit der Notdurft der Ergänzung des eigenen Mangels.
[1] WA 18, S. 786.
[2] Ebd., S.603.
[3] Ebd., S.712.
[4] Ebd., S. 615.
[5] Ebd.
[6] Ebd.
[7] Ebd., S. 712.
[8] Ebd.
[9] Ebd., S. 715f.
[10] Ebd.
[11] WA 40 II, S. 417.
[12] Wa 7, S.589
[13] Ebd., S.599.
[14] Enrico de Negri, Offenbarung und Dialektik- Luthers Realtheologie, S. 215.
[15] Ebd., S. 217.
[16] WA 31, S. 249.
Quelle: Alma von Stockhausen, Vorträge und Aufsätze (Bd.2): Von Luther über Hegel zu Karl Rahner, S. 170-172.
von Alma von Stockhausen
Was führt Luther in so folgenschwerer Weise dazu, die Vollkommenheit Gottes preiszugeben? In dem von Luther als seiner wichtigsten Schrift bezeichneten Buch: De servio arbitrio, schreibt Luther an Erasmus: „Ich lobe und preise Dich gar sehr, dass du als einziger von allen die Sache selbst in Angriff genommen hast, d.h. das Wesentliche der Sache, und dass du mich nicht mit fremdartigen Sachen über Papsttum, Fegefeuer, Ablass und ähnliches geplagt hast.“[1] Die Sache selbst, um die es Luther in der Antwort an Erasmus von Rotterdam geht, ist der Nachweis, „dass der freie Wille eine Lüge sei.“[2]
Luther vertauscht die „herzbewegende Liebe Gottes“, die sich selbst zurücknehmend, als Raum gebend für die Freiheit des anderen verstanden wurde, mit dem „kalten Allwillen der Alleinwirksamkeit Gottes“, wie Shakespeare es in King Lear so vortrefflich ausdrückte. „Wenn Gott es will, weil er will, und weder Ursache und Grund für ihn Geltung haben[3], wenn sein Wesen durch die Alleinherrschaft und Allmacht bestimmt ist, dann wird „das Dogma vom freien Willen vernichtet.“[4] „Allmacht und Praescienz Gottes strecken den freien Willen wie einen Blitzschlag nieder.“[5]
Wie aber ist ohne die Freiheit die Entstehung des Bösen überhaupt möglich?
Die Gebote und Gesetze Gottes fordern nicht unseren freien Willen auf, „sondern erinnern uns nur an unsere Ohnmacht.“[6] Die göttlichen Gebote belehren uns zwar nach Luther über das, was sie sollen, nicht aber über das, was wir können. „Wenn Gott es ist“, der nach Luthers Auffassung allein den Menschen in seinen Handlungen bestimmt, „warum wandelt er nicht zugleich die bösen Willen, die er bewegt?“[7] „Warum lässt Gott Adam fallen, und warum schafft er uns, mit derselben Sünde befleckt?“, fragt sich Luther selbst. Auch „Judas wurde“ nach Luther „notwendigerweise ein Verräter.“[8] D.h. dieser Verrat war nach Luther: „Das Werk Gottes, das er durch seine Allmacht in Bewegung setzte, so wie auch alles andere.“[9] Konsequenterweise lässt Luther Gott von sich selber sagen: „Ego sum qui creo bonum et malum“.[10] „So widersinnig mächtig“ erscheint Gott Luther, „dass er das Gute und das Böse, zwei unvereinbare Dinge, auf die Einheit seiner ewigen Natur zurückführt.“[11]
Der Gott, der einmal als „grausamer Feind und als Schöpfer des Bösen“[12] und dann als „Gott allen Trostes in Christus erscheint, kann als Gott, wie er in sich selbst ist, als Wahrheit in ihr selbst verstanden werden.“[13], wenn wir auf die Prädicatio indentica des „ranzigen Philosophen Aristoteles“ verzichten, und die „novitas des Christentums“ in eine „Logik des Werdens“[14] übertragen.
Mit dieser neuen Entwicklungslogik versucht Luther die schärfsten Gegensätze: Gut und Böse, Leben und Tod in eine „neue Einheit fortzureißen“[15] Diese kontradiktorisch sich ausschließenden Widersprüche will Luther durch die Allmacht Gottes in einem Werdeprozess vermitteln. Luther scheut auch nicht davor zurück, sogar Gott in einen dialektischen Werdeprozess aufzuheben. Der Gott, der sich als Schöpfer des Guten und Bösen selber widerspricht: „deus sibi contradicit“, kann nicht Gott sein, er muss zuerst Teufel werden.“ [16]
Nicht nur die Gotteslehre der Metaphysik und der katholischen Kirche zerstört Luther mit der Übertragung des Bösen auf Gott. Auch die Geheimnisse der Offenbarungsbotschaft pervertiert Luther in eine dialektische Gegensatzeinheit, z.B. mit der bekannten Formel: "simul iustus et peccator“, die für ihn sowohl für Gott als auch für den Menschen gilt. Die Trinitätslehre, die nach katholischer Auffassung die Liebeseinheit der göttlichen Personen ausdrückt, hebt Luther in einen Entwicklungsprozess derart auf, dass die Personen zu Entwicklungsphasen im Akt der göttlichen Selbstherstellung herabsinken. Auch hier vertauscht Luther die liebende Selbstmitteilung Gottes mit der Notdurft der Ergänzung des eigenen Mangels.
[1] WA 18, S. 786.
[2] Ebd., S.603.
[3] Ebd., S.712.
[4] Ebd., S. 615.
[5] Ebd.
[6] Ebd.
[7] Ebd., S. 712.
[8] Ebd.
[9] Ebd., S. 715f.
[10] Ebd.
[11] WA 40 II, S. 417.
[12] Wa 7, S.589
[13] Ebd., S.599.
[14] Enrico de Negri, Offenbarung und Dialektik- Luthers Realtheologie, S. 215.
[15] Ebd., S. 217.
[16] WA 31, S. 249.
Quelle: Alma von Stockhausen, Vorträge und Aufsätze (Bd.2): Von Luther über Hegel zu Karl Rahner, S. 170-172.