Franziskus - katholischster Papst seit dem Wortschwall-Konzil?

Sprache hängt die Worte und damit die Begriffe und ihre Zusammenhänge wie Kleidungsstücke aufgereiht auf die Wäscheleine. Sie werden nicht mehr übereinandergetragen, ergeben nicht mehr im Leben, im menschlichen Handeln, einen Sinnzusammenhang. So beschreibt es Alfred Lorenzer in seinem Buch "Das Konzil der Buchhalter". Es sind dieselben geblieben, doch sie wärmen so nicht mehr. Das spüren wir. Der Informatiker heute spricht von einer seriellen Datenübertragung, ein Bit nach dem anderen, im Gegensatz zur parallelen Datenverarbeitung, bei der ganze Bitmuster übertragen werden. Vergleichbar mit Symbolen oder dem, was Alfred Lorenzer "szenisches Erleben" nennt, wenn er diese Kommunikationsform beschreibt. Es ist eine große, eine tief verankerte Form von Mitteilungen, die nur eine tradierte und altehrwürdige Sozialisationsagentur derart - psychologisch im besten Sinne - verankern kann, daß diese auch verstanden wird.

Die Wortsprache ist diskursiv, sie kann nicht anders sein, spricht Alfred Lorenzer es aus und wiederum sei die Informatik bemüht, die erklärt, warum es so viele aneinandergereihte Bits braucht, kommuniziert man seriell und nicht in Bitmustern. Man versteht nun leicht, warum es so viele Worte braucht, wenn man das Mitteilen in szenisch Erlebbarem verlernt hat - oder mutwillig aufgibt.

Hier kommt der Atheist marxistischer Schule, der Alfred Lorenzer auch ist, zum selben Schluß wie wohl die meisten Leser hier: Das Konzil der Buchhalter, wie er es nennt, ist eine mutwillige Aufgabe dessen, was wesentlich für die Religion ist, die ihr einzigartig gemäße Symbolik. Sie ist dabei mehr als nur Stellvertretung, sondern "Artikulation von Erlebnissen, die niemals zureichend in Sprache gefaßt werden können". Wir sprechen vom Ritual, vom Sakrament.

In diesen Tagen erleben wir einen neuen Höhepunkt der Entheiligung des Heiligsten Altarsakramentes, die Entchristlichung des dargebrachten Christus selbst, ausgerechnet durch Verchristlichung und Verbrüderung. Doch so wie die Aufklärung durch Überhöhung des Humanismus zum Anthropozentrismus inhumanste Folgen zeitigte, so zerstörte auch das Liebeskonzil durch Überhöhung der Pastoral die priesterliche Zuwendung, ja sogar die Liebe selbst - und wir finden uns in einer schon sagenhaft lieblosen Welt bunter Propekte und vielfarbiger "Kirchenzeitungen", einer Welt schnöder Sprachvervielfältigung unter der Herrschaft von Millionen kodifizierter Vorschriften wieder. Und der Wortschwall ersetzte die heiligen Symbole, das ganzheitliche Verstehen durch Erleben. Die Kirche, sie wurde - wohl in bester Intention - mutwillig zerstört. Am deutschen Wesen ist sie nicht genesen. Der Fluß, der vom Rhein in den Tiber geflossen ist, er enthält kein lebendiges Wasser, sondern Euroscheine. Das "Konzil der Buchhalter" hat die Währung gewechselt: Die alte Währung, das Wesentliche der Religion (und das ist die katholische Religion), es wurde wortreich und geldreich herausgespült.

Quasi gleichzeitig in diesem Geschehen erscheint auf dem päpstlichen Balkon ein Mann, der in großen Gesten, bescheiden und volksnah auftritt: Der "Guten-Abend-Papst" wird sofort verstanden, von Freund und Feind. Er haucht der zerstörten Kirche wieder ein "szenisches Erleben" ein, er spricht die Sprache der Religion, sucht sie zu sprechen. Doch seine Gesten, seine Symbole, das von ihm vermittelte szenisch Erlebbare, es ist wie die katholische Sprache, doch es ist nicht die alte Kirche. Nicht im Inhalt, doch die Form wird wieder gesucht.

Jorge Bergoglio, als Papst Franziskus weitgehend anerkannt, ist Jesuit und Marxist, wenn man so will. Alfred Lorenzer ist Atheist und Marxist, Psychologe und Soziologe. Es scheint, der eine habe den anderen verstanden. Religion als das soziologisch-psychologische Mittel allgemeinverständlicher übersprachlicher Kommunikation - und das mag katholisch heißen - ist mit Franziskus wieder da. Woher dann das Unbehagen? Wird dieses wiedergewonnene Mittel nun erneut zu Herrschaftszwecken wiederbelebt, diesmal zur Durchsetzung der Neuen Weltordnung, einer durchtriebenen Agenda selbsternannter Übermenschen? Es ist spürbar, daß die alten Mittel nun wiederentdeckt sind und nach dem Zerstörungswerk des Konzils gegen die alte Kirche in Stellung gebracht sind. Es wird sich zeigen, ob Religion nur ein soziologisch-psychologisches Phänomen ist, reines Mittel ohne wahren, also eindeutigen Zweck. Das ist beängstigend. Funktioniert Franziskus alte Sprache auch im neuen Kontext, ist die Wahrheit Menschenwerk. Ist aber das Mittel an den Zweck gebunden, führt sein Gebrauch zur Wahrheit. Dazwischen leben wir, in desto unerträglicherer Spannung, je mehr wir diese Zusammenhänge erahnen.

Vielleicht konzediert Franziskus die neuen Inhalte nur, weil er weiß, daß jede Herrschaft die katholische Sprache, das Symbolhafte, das Rituale, das Sakrament (ganz christlich-ökumenisch das neue universale Sakrament der Barmherzigkeit, welches die alte Siebenfaltigkeit ablöst) braucht und entwickelt diese neu, weil die alte katholische Sprache zerstört ist. Vielleicht wagt er die Zession, weil er weiß, daß dem katholischen Mittel gesetzmäßig die katholische Wahrheit innewohnt und am Ende jeder solchen Mittelnutzung der Glaube steht.
Womöglich ist Franziskus aber bloß der Teufel, der die katholischen Mittel der neuen Herrschaft andient, ist selbst begnadeter Soziologe und Massenpsychologe, ist Atheist wie Alfred Lorenzer, der zwar erkannt hat, daß man "religiös sprechen" muß, die religiöse Wahrheit aber beliebig ist. Und er formt die Religion nach seinem Bilde in der Offenheit des Konzils.

Wir wissen nicht, was Franziskus im Schilde führt. Doch wir wissen, wir glauben sogar vieles mehr. Vertrauen wir auf die göttliche Ordnung. Durch die Ritzen irdischer Gefallenheit scheint das österliche Licht des Paradieses. Wir vermögen im Heiligen Geist die Gesetze zu erkennen, weil wir daran glauben, daß es Seine Gesetze gibt. Ihr Schöpfer ist Gottvater, ihr Herr ist Jesus Christus. In alle Ewigkeit.
Kirchen-Kater
Kirchen-Kater teilt das
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... seine Gesten, seine Symbole, das von ihm vermittelte szenisch Erlebbare, es ist wie die katholische Sprache, doch es ist nicht die alte Kirche. Nicht im Inhalt, doch die Form ...
iKKK - Inkompetenzkompensationskompetenz
iKKK - Inkompetenzkompensationskompetenz
@Eugenia-Sarto Sie machen es sich, so denke ich, zu einfach.
Kirchen-Kater
Der Text ist allerdings auch nicht ganz einfach zu lesen. (Dennoch lohnt es sich!) @Eugenia-Sarto hat hier durchaus etwas erfasst. Die Liebeskirche ist eben nur Propaganda, ganz im Sowjetstil. In Wahrheit taugt sie nichts.
Eugenia-Sarto
Liebeskonzil? das wohl nicht. Sondern Zerstörungskonzil, wenn auch nicht von allen gewollt, sondern von einer kleinen starken Gruppe gegen eine schlummernde Mehrheit.
Am derzeitigen Papst sehe ich nichts Katholisches, höchstens den Schein, katholisch zu sein, also Betrug.Mehr
Liebeskonzil? das wohl nicht. Sondern Zerstörungskonzil, wenn auch nicht von allen gewollt, sondern von einer kleinen starken Gruppe gegen eine schlummernde Mehrheit.

Am derzeitigen Papst sehe ich nichts Katholisches, höchstens den Schein, katholisch zu sein, also Betrug.
Kirchen-Kater
Der Beitrag sollte im Vatikan einmal gelesen werden. Vielleicht macht sich dann doch der eine oder andere Gedanken darüber, wo man aktuell steht. Das ist vor fast genau 3 Jahren geschrieben worden und zeigt sich heute - wie sagt man - vielfältig bestätigt.
iKKK - Inkompetenzkompensationskompetenz
iKKK - Inkompetenzkompensationskompetenz
Buch: Das Konzil der Buchhalter -Die Zerstörung der Sinnlichkeit. Eine Religionskritik
www.fischerverlage.de/…/9783596309764
ISBN-10: 359630976X
ISBN-13: 978-3596309764
Autor: Alfred Lorenzer
de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Lorenzer