Das Problem der neuen sakramentalen Riten (fsspx)
Die Frage der Gültigkeit
Wenn man von der heute offiziell vorgeschriebenen Materie und Form ausgeht, so gibt es an sich nur bei der Firmung und der Letzten Ölung einen echten Zweifel an ihrer Gültigkeit, wenn sie nämlich mit einem anderen Öl als mit Olivenöl gespendet werden; denn die Erlaubnis der Verwendung von anderen Ölen ist ein Bruch mit der Tradition und steht im Gegensatz zur allgemeinen Meinung der früheren Theologen, daß diese Sakramente nur mit Olivenöl gültig gespendet werden können.
Bei den anderen Sakramenten scheinen hinsichtlich der Materie und Form die notwendigen Bedingungen erfüllt zu sein, so daß von daher keine Ungültigkeit zu erwarten ist. (Dies gilt zumindest für die lateinischen Formen.)
Die Gefahr der Ungültigkeit ist aber auch hier nicht auszuschließen, da die umgebenden Gebete und Riten den katholischen Glauben in bezug auf das entsprechende Sakrament meist nicht mehr in genügender Weise zum Ausdruck bringen und es so leicht geschehen kann, daß ein Priester diese Sakramente mit einer falschen Intention und damit ungültig spendet. Diese Gefahr besteht ganz besonders deshalb, weil den Priestern heute nicht mehr die katholische Theologie in bezug auf die Sakramente vermittelt wird, sondern man im Sakrament – nach Art der Protestanten – mehr eine Gemeinschaftsfeier der Gläubigen als ein objektives Instrument der Gnadenvermittlung sieht. Ein Priester aber, der bei einer Taufe nichts anderes wollte, als ein Kind in die Gemeinschaft der Pfarrgemeinde aufzunehmen, oder der in der hl. Messe nur das brüderliche Mahl der Gemeinde zelebrieren wollte, würde nicht mehr tun wollen, was die Kirche tut, hätte also nicht mehr die geforderte Intention.
Dazu kommt noch, daß in die Kirche bei der Feier der Sakramente eine solche Freizügigkeit eingekehrt ist, daß es durchaus nicht mehr sicher ist, daß ein Priester sich an die (in den neuen Büchern) vorgeschriebenen Riten hält. Jeder experimentiert und improvisiert heute ungestraft wie er will, wobei auch vor den grundsätzlichsten Gültigkeitsbedingungen nicht mehr Halt gemacht wird. Bei einer Messe, in der die Wandlung ausgelassen bzw. vergessen wurde, wie mir zuverlässig berichtet wurde, ist die Sache jedenfalls klar.
Diese Sorglosigkeit steht übrigens im totalen Gegensatz zur früheren Praxis der Kirche. Diese forderte nämlich für die Sakramente den Tutiorismus, d. h. in Zweifelsfällen über die Gültigkeit mußte man den sichersten Weg wählen. Daher sollen auch die Gläubigen nicht an gottesdienstlichen Handlungen teilnehmen, an deren Gültigkeit ein Zweifel besteht.
Die Frage der Erlaubtheit
Trotz dieser schwerwiegenden Bedenken kann es doch aber auf der anderen Seite keinen Zweifel darüber geben, daß die Sakramente in den neuen Riten unter den entsprechenden Bedingungen auch gültig gespendet werden können. Das macht sie aber keinesfalls auch schon erlaubt. Schlagen wir uns den unsinnigen Gedanken aus dem Kopf: „Wenn es gültig ist, dann kann ich auch daran teilnehmen!“ Eine sakrilegische Messe, die von einem abgefallenen Priester gefeiert wird, um Christus zu verspotten, kann auch gültig sein, was aber nicht heißt, daß man daran teilnehmen dürfte. Sicherlich ist dies ein extremes Beispiel, aber es zeigt deutlich, daß nicht alles, was gültig ist, damit automatisch auch erlaubt ist.
Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt zunächst das Problem der Messe, das ja wohl das brennendste und wichtigste ist. Eine neue Messe, die in der lateinischen Fassung (hier steht sogar das „pro multis – für viele") von einem rechtgläubigen Priester mit der richtigen Intention gefeiert wird, ist zweifellos gültig. Wenn es also nur um die Gültigkeit ginge, dann wäre nicht einzusehen, wieso sich Erzbischof Lefebvre und mit ihm alle Priester der Bruderschaft St. Pius X. immer beharrlich geweigert haben, eine solche Messe zu zelebrieren. Die Ablehnung der neuen Messe kann daher nicht allein mit ihrer notwendigen oder eventuellen Ungültigkeit begründet werden, sondern damit, daß der ganze neue Meßritus sich von der katholischen Lehre vom Meßopfer entfernt. Alle Änderungen, die in der neuen Liturgie vorgenommen wurden, dienen dazu, den Opfercharakter und den Glauben an die Realpräsenz zu vermindern und sich dafür mehr den protestantischen Anschauungen zu nähern. Für die Protestanten ist die Messe aber nur ein Andenken an das letzte Abendmahl und kein Opfer. Die Reformatoren beseitigten daher das Offertorium und den Kanon, da diese den Opfercharakter der Messe klar zum Ausdruck bringen. Genau dies ist auch in der neuen Messe geschehen: Man hat das Offertorium durch ein jüdisches Tischgebet ersetzt und dem römischen Kanon andere hinzugefügt, von denen besonders der zweite und meistgebrauchte den Begriff des Opfers nicht mehr erwähnt! (Dies bestätigt auch der große Freund Pauls VI. Jean Guitton. Dieser äußerte sich am 19. Dezember 1993 in einer Radiodiskussion folgendermaßen: „Die Absicht Pauls VI. im Hinblick auf die Liturgie, im Hinblick auf das, was man gemeinhin die Messe nennt, ist es, die katholische Liturgie so zu erneuern, daß sie fast mit der protestantischen Liturgie zusammenfällt. … Aber was seltsam ist: Paul VI. hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die katholische Messe – über das Konzil von Trient hinweg – dem protestantischen Abendmahl anzunähern. … Ich glaube nicht, daß ich mich täusche, wenn ich sage, daß die Absicht Pauls VI. und der neuen Liturgie, die seinen Namen trägt, darin besteht, von den Gläubigen eine größere Teilnahme an der Messe zu verlangen, darin, der Hl. Schrift einen größeren Platz einzuräumen, und weniger Platz all dem, was es darin – wie einige sagen – an ‚Magischem‘, wie andere sagen, an substantieller, transsubstantieller Konsekration gibt, was der katholische Glaube ist; anders gesagt, es gibt bei Paul VI. eine ökumenische Absicht, all das, was es in der Messe an allzu Katholischem im traditionellen Sinn gibt, auszulöschen, oder wenigstens abzumildern, um die katholische Messe, ich wiederhole es, der kalvinistischen Messe anzunähern.“ – Dies berichtet Abt Dom Gerard im Rundbrief an die Freunde der Abtei Sainte Madeleine in Le Baroux vom 10. August 1994.)
Ein solcher Ritus kann darum objektiv nicht gottwohlgefällig sein, denn er wurde dazu geschaffen, die Gläubigen nach und nach zum Abfall vom katholischen Glauben zu führen. Der neue Ritus ist darum in jeder Form abzulehnen, mag er nun gültig sein oder nicht. Wir wollen nicht urteilen über die, die vielleicht aus Unwissenheit und mit guter Absicht die neue Liturgie feiern, aber wer die Problematik der neuen Messe erkannt hat, darf nicht mehr an ihr teilnehmen, da er durch seine Teilnahme seine Zustimmung zu einem protestantisierenden Ritus zum Ausdruck bringen würde. Wer darum nicht die Gelegenheit hat, jeden Sonntag die tridentinische Messe zu besuchen, soll lieber zu Hause bleiben und vielleicht die Meßtexte oder den Rosenkranz beten, aber nicht die neue Messe besuchen.
Was für die Messe gilt, gilt mutatis mutandis auch für die übrigen Sakramente. Die Änderungen, die an den Riten vorgenommen wurden, führen fast immer zu einer Verminderung der Ehrfurcht und dienen dazu, den Gemeinschaftscharakter der Sakramente in falscher Weise zu betonen. Die Sakramente werden nicht mehr in erster Linie als Mittel des Heils, der Zuwendung der Erlösungsgnade an die sündigen Menschen betrachtet, sondern als Gemeinschaftsfeiern der Christen. Dies ist schon in den Riten selbst grundgelegt, wird aber durch die Praxis noch maßlos gesteigert. Im allgemeinen herrscht heute im offiziellen Raum der Kirche eine Atmosphäre der Ehrfurchtslosigkeit und des Irrglaubens.
Wo betont man heute noch die Wichtigkeit der Sakramente für die Erlangung des Heiles, wo ermahnt man zu einem gutvorbereiteten, ehrfürchtigen Empfang derselben? Man glaubt doch, daß sowieso alle gerettet werden. In einer solchen Atmosphäre kann man sich nicht lange aufhalten, ohne Schaden für seinen Glauben zu nehmen, wie man an den Tausenden von Katholiken sieht, die durch die neue Liturgie den katholischen Glauben verloren haben. Dies sind nicht nur diejenigen, die der Kirche ganz den Rücken gekehrt haben, sondern erschreckenderweise auch viele, die zwar noch zur Kirche gehen, aber im Grunde einen protestantischen Glauben haben. Man soll daher die neue Liturgie grundsätzlich meiden, ganz unabhängig von der Frage, ob sie nun gültig sei oder nicht. Nur in Todesgefahr kann man auch einen nichttraditionellen Priester um die Sterbesakramente bitten, wenn es unmöglich ist, einen traditionellen Priester herbeizurufen, denn hier handelt es sich um einen Notfall. Ansonsten aber soll man sich bemühen, die Sakramente in der würdigen Form zu empfangen, in der die Kirche sie überall gespendet hat, als sie noch intakt war.
Quelle: Gaudron, Matthias, Sieben Quellen der Gnade. Die heiligen Sakramente der Kirche, Stuttgart 1997, SS. 121ff.
Das Problem der neuen Riten