Heilige Maria von Oignies, Witwe und Reklusin in Brabant
Zu Nivelle in Brabant geboren und im vierzehnten Jahr mit einem rechtschaffenen Mann verlobt und dann verehelicht, führte sie zusammen mit ihrem Gatten ein jungfräuliches Leben, widmete ihre Zeit der Pflege der Kranken, der Unterstützung der Armen und der Übung der Frömmigkeit.
Neben vielen anderen Tugenden zierte sie auch insbesondere die Andacht zu Unserer Lieben Frau. Alle Jahre besuchte sie im strengsten Winter die Marienkirche in Oignies, das zwei Meilen von Nivelle liegt, in dem strengsten und kältesten Winter mit bloßen Füßen, aß am selben und den folgenden Tag nichts, wachte die ganze Nacht im Gebet, und wurde auf dieser Wallfahrt oft von den Engeln begleitet, wie die Legende erzählt.
Mehrere Mal hat sie innerhalb von 24 Stunden wohl tausendmal mit gebogenen Knien das Ave Maria gesprochen und dies vierzig Tage aneinander fortgesetzt. In ähnlicher Weise betete sie oft an einem Tag den ganzen Psalter und zu jedem Psalm das Ave Maria auf den Knien und kasteite sich.
Einem Prediger erwirkte sie durch Abbeten von hundert Ave Maria die Gnade, recht wirksam von Unserer Lieben Frau predigen zu können. Am hohen Fest Mariä Reinigung sah sie in der Verzückung alljährlich die Mutter Gottes ihr liebes Kindlein im Tempel aufopfern und den alten Simeon mit höchster Lieb und Trost das Kindlein auf seinen Armen empfangen.
In ihrer letzten Krankheit ist sie oft von Christus und seiner lieben Mutter besucht worden, die heiligen Engel haben ihr gedient, sie in der Schwachheit aufgehoben, geführt und wieder niedergelegt. Kurz vor dem Ende hat sie das Magnifikat gesungen. Da sie die heilige Wegzehrung und letzte Ölung empfing, ist die Mutter Gottes mit den heiligen Aposteln zugegen gewesen, auch Christus selber, der ihr den Ort im Himmel zeigte, den sie erhalten sollte.
Maria, die fromme Verehrerin der Gottesmutter starb selig im Herrn am 23. Juni 1213 dreiunddreißig Jahre alt.
Aus anderer Quelle
Immer hat die heilige Kirche auch heilige Kinder und gerade zu Zeiten großer Ärgernisse und allgemeiner Verwirrung, wo die schlechten Leidenschaften der Menschen in grauenhafter Gestalt sichtbar werden, da schaut Gottes Auge mit Wohlgefallen auf jene heiligen Seelen nieder, die verborgen den Augen der Menschen in der Stille sich ihm ganz ergeben und um Gnade und Barmherzigkeit zu ihm rufen für die Verblendeten. Auch um die Zeit, als die gottselige Maria geboren wurde, sah es schlimm aus in der Kirche Gottes; es gab viel Streit und Feindschaft, viele Unsitten und Ärgernisse, aber mitten im Verderben blühte wie eine Himmelsblume die kleine Maria empor. Ihre Eltern waren ehrliche, vermögende Bauersleute in Brabant. Schon als Kind zeigte sie viel Klugheit und hellen Verstand, aber man musste erkennen, dass dies mehr eine Gabe des Heiligen Geistes war, als eine natürliche Anlage, denn sie blieb dabei bescheiden und demütig, und je älter sie wurde, desto zurückgezogener, schamhafter, demütiger wurde sie. Schon früh bemerkte man an ihr eine besondere Freude zum Gebet und zur Einsamkeit. Mitten in der Nacht stand sie vom Bett auf und betete. Kleiderpracht und Schmuck verabscheute sie, dafür aber härtete sie ihren Körper ab, wie sie nur konnte. Sie sparte sich das Essen vom Mund ab und gab es den Armen, die sie zärtlich liebte.
Ihre Eltern, deren Herz mehr am Zeitlichen hing, konnten dieses Leben ihrer Tochter nicht begreifen. Sie fürchteten, ihre Tochter möchte sogar in ein Kloster gehen, was ihnen durchaus nicht recht war, und verheirateten sie schon mit fünfzehn Jahren. In ihrem neuen Stand als Ehefrau änderte sie nichts an ihrem bisherigen Lebenswandel. Ihrem Mann gefiel zwar anfangs ihr stilles Leben, ihre Andacht, ihr Stillschweigen, ihr Fasten nicht, und er behandelte sie deswegen auch rau und hart, allein sie verhielt sich recht sanft, geduldig und liebevoll ihm gegenüber, und so brachte sie es bald dahin, dass er sie achtete, ihre gottseligen Übungen nicht behinderte, nach und nach selbst eine Freude an einem frommen Leben erhielt und ihre Andachten und Bußübungen mitmachte. Ja sie brachte es mit der Hilfe Gottes, den sie beständig anrief, so weit, dass er das Gelübde ablegte, mit ihr wie ein Bruder zu leben.
Beide Eheleute führten nun ein heiliges Leben, ihre Zeit teilten sie in Gebet und Arbeit. Was sie durch ihre Arbeit verdienten, das schenkten sie den Armen, für sich behielten sie nur so viel, als sie notdürftig zum Unterhalt brauchten. In dieser Zeit gab es viele Aussätzige, die fern von allen Menschen außerhalb der Burgen und Dörfer ihr Leben im größten Elend zubringen mussten. Wegen der Ansteckung flohen die Menschen vor ihnen, allein die gottselige Maria und ihr Ehemann suchten diese Unglücklichen auf und pflegten sie auf das Liebevollste. Dieses arme Leben und diese Liebe zu den Unglücklichen konnten aber ihre Verwandten nicht mitansehen. Sie spotteten über sie, lachten sie aus, und hassten sie sogar. Allein Maria ließ sich dadurch nicht irre machen. Sie hatte nämlich immer den armen, gekreuzigten Jesus vor Augen und aus Liebe zu ihm duldete sie gerne jede Schmach und diente den Kranken nur um so freudiger. Eines Tages betrachtete sie in der Kirche vor einem Kruzifix das Leiden des Heilandes und versenkte sich dabei so tief in die unendliche Liebe, mit der Jesus für die Sünder starb, dass sie in Ohnmacht sank. Von diesem Augenblick an musste sie jedes Mal bitterlich weinen, so oft sie ein Kruzifix anblickte.
1187 zog die verwitwete Maria sich in eine Einsiedelei beim von ihren vier Söhnen gegründeten und vom Sohn Ägidius geleiteten Priorat in Oignies zurück, scharte gleichgesinnte Frauen um sich, gründete eine Gemeinschaft von Beginen und lebte mit strengster Askese, Verehrung der Passion Christi und der Eucharistie. 1207 wurde die Gemeinschaft anerkannt.
Die heiligen Sakramente empfing sie recht oft. Sie hatte ihren eigenen Beichtvater, der nach ihrem Tod feierlich bezeugte, dass er an ihr nie ein unanständiges Wort, nie einen unbesonnenen Blick, ein unmäßiges Lachen, oder eine ungeziemende Gebärde bemerkt habe. – Die kleinste böse Regung ihres Herzens, den geringsten Fehler beweinte sie als eine große Sünde, einen solchen Abscheu hatte sie vor allem, was böse war.
Ihr ganzes Leben war eine lautere Buße. Nur einmal am Tag und dann nur Kräuter und Früchte nahm sie als Speise zu sich. Nie trank sie Wein, nie aß sie Fleisch. Immer betete sie, denn ihr Herz war immer bei Gott. Bei ihrer Handarbeit sang sie schöne geistliche Lieder. Mit ihren Mitmenschen war sie immer freundlich und liebevoll und führte durch ihre frommen Reden viele Seelen auf den Weg zu Gott. Man konnte sie nie von Gott reden hören, ohne von Liebe entflammt und von wunderbarem Trost durchdrungen zu werden. Obschon ihr Gott die Gabe der Wunder und der Weissagung verliehen hatte, so hielt sie sich doch für ganz unwissend.
Wer den Sohn liebt, liebt auch die Mutter. Die selige Maria liebte Jesus unaussprechlich, daher liebte sie denn auch Maria, ihre Namenspatronin überaus. Jährlich ging sie zweimal barfuß eine Stunde Wegs nach Oignies, wo eine Kirche der seligsten Jungfrau geweiht stand und verweilte dort ganze Nächte im Gebet. Etliche Jahre vor ihrem Ende blieb sie ganz an diesem Ort, wo sie nur mehr in der Kirche betete und die heilige Kommunion empfing. So oft sie den Leib des Herrn empfing, war sie ganz verklärt, glühend vor Liebe wie ein Engel. Die letzte Zeit vor ihrem Tod schickte ihr Gott noch eine schmerzhafte Krankheit, die sie mit heldenmäßiger Geduld ertrug. Der Erzbischof von Namur besuchte und tröstete sie.
Unter anderen wunderbaren Gaben hatte ihr Gott auch die Gabe der Jubilation oder der Lobpreisung gegeben. Sie stimmte nämlich mitten in ihrem Gebet und ihren Betrachtungen die herrlichsten Loblieder zum Preise Gottes und seiner Heiligen an. Ihr Gebet war ein lauterer Gesang, man glaubte, wenn sie sang, nicht eines Menschen, sondern eines Engels Stimme zu hören. Mit Staunen hörten ihr die Menschen zu, sie glaubten die Melodien des Himmels zu vernehmen. Am herrlichsten aber war dieses wunderbare Singen der gottseligen Maria drei Tage vor ihrem Tod. Sie ließ sich auf ihrem Bett in die Kirche tragen, und hier nun vor dem Altar sang sie anfangs in Gegenwart einer großen Menge Andächtiger, dann aber bei verschlossenen Türen unaufhörlich drei Tage und drei Nächte die wunderbarsten Gesänge mit heller und glockenreiner Stimme. Diese Gesänge waren lauter himmlische Offenbarungen über die heilige Dreifaltigkeit, von der Menschheit Jesu, von dem Leben der heiligen Jungfrau, von den Engeln, Aposteln und anderen Heiligen. Immer singend flehte sie für ihren Beichtvater und zählte dabei wunderbarer Weise alle seine Versuchungen und beinahe alle seine Sünden auf, die er ehemals begangen hatte. Auch sang sie mehrere Lieder in lateinischer Sprache und nachdem sie so drei Tage wie ein Engel gejubelt hatte, während die heftigsten Schmerzen ihren Leib peinigten, starb sie am 23. Juni 1213, um im Himmel diese Lobpreisungen ewig mit den Scharen der Engel und Heiligen fortzusetzen.
Warum die Welt das fromme Leben in Christus nicht leiden kann
Als die gottselige Maria sich mit ihrem Ehemann in eine Straße der Stadt Nivelle zurückzog, um aus Liebe zu Jesus die Aussätzigen zu pflegen, da wurden sie allgemein verachtet und verspottet. Sie taten niemanden etwas zu Leide, vielmehr waren sie zu allen Menschen liebevoll, freundlich, gefällig und dienstbereit, und doch konnte man sie nicht leiden und tadelte ihre Handlungsweise. – Wie es der guten Maria erging, so ist es seit den Tagen des göttlichen Heilandes und seiner Apostel allen frommen, gottesfürchtigen Menschen ergangen und ergeht ihnen auch heutzutage nicht besser. Jesus hat dies selbst vorausgesagt und der heilige Apostel sagt es im 2. Timotheusbrief 3,12 gerade heraus, „dass alle, die in Christus Jesus fromm leben wollen, Verfolgung leiden müssen.“
Aber warum eigentlich? Was treibt denn die Kinder der Welt an, die Frommen zu hassen und zu verfolgen? Eine der besonderen Ursachen ist wohl diese, dass die Frommen, die Gottesfürchtigen, die wahren Nachfolger Jesu Christi wie ein Spiegel für die Kinder der Welt sind, in dem sie ihr gottentfremdetes, unchristliches Leben in ihrer Abscheulichkeit erblicken, oder dass die Frommen durch ihr Leben für die weltlichen Menschen eine beständige Strafpredigt sind, durch die sie erkennen müssen, wie sehr ihre sündhafte Lebensweise dem Willen Gottes entgegen ist. Da sie nun von ihrem unchristlichen Lebenswandel nicht Abstand nehmen und in ihm nicht belästigt werden wollen, so wünschen sie, dass jeder Mensch so leben soll wie sie, und suchen daher die Frommen entweder durch Schmeichelei, oder wo das nichts hilft, durch Spott und Hohn, durch Hass und Verfolgung von der Nachfolge Jesu Christi abzuhalten. Mögen die Frommen ihnen auch gar nichts zuleide tun, mögen sie noch so geduldig und sanftmütig alles ertragen, mögen sie noch so viel Gutes tun, sie werden dennoch verachtet und gehasst werden. Wer es nicht mit der Welt hält, den hasst die Welt. Darum ist es auch immer ein Zeichen, dass jemand den rechten Weg geht, wenn er wegen seiner frommen Übungen, z.B. wegen der Liebe der Einsamkeit, wegen Eifer im Gebet, wegen oftmaligem Empfang der hl. Sakramente verspottet, gehasst, verfolgt wird. Die Heiligen haben sich deshalb auch immer gefreut, um Christi willen verfolgt zu werden, weil der Schüler nicht über dem Meister ist und auch Christus verspottet, gehasst und verfolgt wurde, der selbst sagt in Matthäus 5: „Selig sind diejenigen, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden … ihr Lohn wird groß sein im Himmel.“
Was sagst du nun dazu, christliche Seele? Prüfe und frage dich, wie steht es mit dir? Was hält die Welt von dir? Liebt und verehrt sie dich, oder verachtet und hasst sie dich? Wenn du gottesfürchtig lebst, Christus nachfolgst, dann musst du dich auf Spott, Schmach, Hass und Verfolgung gefasst machen! Willst du das nicht, und hältst du deshalb mit der Welt, genießt ihre elenden Freuden, dann wirst, dann musst du auch mit der Welt zugrunde gehen. Der breite Weg, den die Kinder der Welt sorglos gehen, führt unrettbar zum Verderben! Was willst du also tun, meine Seele, besinne dich!
O mein Jesus, wer dir nachfolgt, der geht nicht im Finstern. Wohin soll ich gehen? Du, mein Jesus, hast und bist das ewige Leben. Dir allein will ich nachfolgen. Nie mehr will ich es mit der Welt halten. Wenn ich auch gehasst und verfolgt werde, so will ich denken, dass dies der Anteil all deiner Nachfolger auf der Erde, dafür aber im Himmel ewige Freude ihr Lohn ist. Dazu hilf mir, mein Jesus, auf die Fürsprache deiner lieben Mutter Maria und der seligen Maria von Oignies. Amen.