Ich sehe das anders. Frühere Aufarbeitung hätte vermutlich der 68-ger Auseinandersetzung viel von ihrer Schärfe und Dynamik genommen. Die Aufarbeitung macht man nicht für die anderen, sondern für sich selbst. So wie die Hutu und Tutsi nach ihrem Völkermord in zahllosen Versöhnungskonferenzen, wo es immer um individuelle Schuld, kollektiven Haß und ein Weiterleben in Ruanda ging. Ähnliches in den ersten Jahren nach der Apartheit in Südafrika, wo man irgendwie eine Art Versöhnung in Wahrheit schaffen wollte um Rachegelüste klein zu halten.
Gorbatschow hat mit der Öffnung der Archive für die Wissenschaftler und deren Finanzierung die Voraussetzung für die Aufarbeitung des Stalinismus schaffen wollen, er regierte nicht lange genug, jetzt ist Stalin wieder ein großer nationaler Führer und sie haben einen autoritären Staat.
Die Türken bezahlen noch heute für ihre Leugnung des Völkermordes an den Armenien damit, indem die Ideologie, die dazu führte, noch heute weitgehend gilt und zu ständigen Bürgerkriegen mit den Kurden führt.
Dass Belgien sehr spät mit der Aufarbeitung seiner Kolonialgeschichte begonnen hat, war für sie auch nicht gerade ein Gewinn, sie streiten heute noch um Denkmäler für Massenmörder.