Pro und Contra: Knien im Gottesdienst
Foto dpa
Pro und Contra: Knien im Gottesdienst
Die meisten Gläubigen knien beim Hochgebet. Was manche liturgisch falsch finden, ist ihnen Ausdruck der Frömmigkeit ist. Redakteurin Agathe Lukassek verteidigt das Knien gegen ihren Kollegen Roland Müller.
Liturgie | Bonn - 20.01.2018
Pro: Der Höhepunkt der Messe verdient eine besondere Haltung
Der Höhepunkt der Messe beginnt: Zum Hochgebet knie ich mich hin. Und ich sehe die zerknitterte Jacke der Person, die in der Reihe vor mir steht. Da bedarf es einiger Atemzüge und viel Geduld mit meinen Mitmenschen, um mich auf das Gebet zu konzentrieren und darauf, mir die erhobene Hostie und den Kelch nur in Gedanken vorzustellen. Vor allem, wenn die Person vor mir weder alt ist noch eine Knieverletzung zu haben scheint.
Im Messbuch ist vorgesehen, dass die Gläubigen sich zum Einsetzungsbericht hinknien. Ausnahmen: Platzverhältnisse, große Teilnehmerzahl "oder andere vernünftige Gründe", wozu ich Krankheit, Alter und Gestaltung des liturgischen Raums zähle. Es ist so schön, dass sich die Heilige Messe durch die vorgegebenen Gesten von einer Show oder einem Konzert unterscheidet, bei dem man sich hinsetzt und berieseln lässt. Der größte Teil findet im Stehen statt, der eigentlichen Haltung der Liturgie.
Aber die Wandlung ist noch einmal eine andere Hausnummer. Es ist eine reine Gebetshaltung – vor niemandem außer Gott würde ich mich hinknien. Wenn ich mich klein mache, merke ich, wie groß Gott ist und wie großartig es ist, dass er mich mit seiner Botschaft meint und mich liebt. Brot und Wein verwandeln sich in den Leib und das Blut von Jesus Christus – und zwar für uns Gläubige.
Ich ärgere mich übrigens auch über die lasche Kniepraxis in angeblich katholischeren Ländern wie Italien oder Polen, wo nur zu den Einsetzungsworten kurz gekniet wird: Noch mitten im Hochgebet steht die ganze Gemeinde wieder auf, nur weil der Priester den Kelch wieder abgestellt hat. Erst nach dem "Geheimnis des Glaubens", nachdem der Geistliche für die Kirche gebetet hat und "Durch ihn und mit ihm…" spricht, sollte man aufstehen – wie es in Deutschland üblich ist.
Für mich ist das Knien während der Wandlung die Geste, die sich richtig anfühlt. Und meistens auch das zweite Knien, wenn der Priester Kelch und Hostie hochhebt und "Seht das Lamm Gottes…" betet – auch wenn das vom Messbuch nicht vorgesehen ist. Von denen, die dennoch lieber stehen bleiben, wünsche ich mir etwas mehr Rücksicht – im wahrsten Sinne des Wortes. Was spricht dagegen, von links oder rechts die Kirchenbank an den Seiten aufzufüllen statt vom Mittelgang aus? Dann versperrt man als Stehender nicht all den Gläubigen, die hinter einem sind und während der Wandlung knien, die Sicht auf den Altar.
Contra: Stehen ist die liturgische Grundhaltung
"Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen." Bei diesen Worten aus dem 2. Hochgebet des Messkanons muss ich oft schmunzeln. Denn anstatt zu stehen, wie es im Gebet heißt, knien die meisten Gläubigen. Gebet und Körperhaltung passen hier eindeutig nicht zusammen. Zugegeben: Auch ich knie, wie die anderen. Doch eigentlich wäre es richtig, zu Hochgebet und Wandlung stehen zu bleiben.
Das Stehen ist die Grundhaltung der Liturgie. Auch wenn in einem katholischen Gottesdienst Sitzen und Knien ihre festen Plätze haben, ist es liturgisch nie falsch zu stehen – abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie der Anbetung, bei der man kniet. Doch beim Eucharistischen Hochgebet geht es nicht um die Anbetung des Allerheiligsten, sondern um das vom Priester in Stellvertretung der Gemeinde vorgetragene Gebet zu Gott. So hielten es auch die ersten Christen, die die Eucharistie stehend feierten. Noch heute kann man das in der orthodoxen Kirche sehen: Dort knien und sitzen die Gläubigen während der Liturgie nicht.
Das Knien in der Messe ist erst während des Mittelalters aufgekommen. Die Gläubigen verstanden die lateinische Sprache nicht mehr. Sie fühlten sich von der Feier der Liturgie ausgeschlossen, da die Priester die Messe mit dem Rücken zur Gemeinde zelebrierten. Da sich die Gläubigen nicht als Teil der Betenden verstanden, begannen sie während der Messe ihre privaten Gebete zu verrichten. Dafür knieten sie sich hin, denn das Knien ist die Haltung des persönlichen Gebets, nicht der gemeinschaftlichen Liturgie.
Doch mit der Liturgiereform des letzten Jahrhunderts wurde wieder klar: Für die Heilige Messe sind nicht nur die vorbetenden Priester wichtig, sondern alle Gläubigen. Durch die Taufe hat jeder Christ eine priesterliche Würde und einen festen Platz in der Liturgie. Das Stehen drückt diese Berufung der Laien besonders gut aus. Daher sollte das Knien, zumindest während des Hochgebets, der Vergangenheit angehören. Hier sind auch die deutschen Bischöfe gefordert, die bestimmen könnten, dass die Gläubigen während des Hochgebets stehen. Als gutes Beispiel kann ihnen Papst Franziskus dienen, wenn auch wohl aus gesundheitlichen Gründen: Er kniet sich nie hin und macht keine Kniebeugen, wenn er die Messe feiert.
Von Roland Müller
www.katholisch.de/…/pro-und-contra-…
Pro und Contra: Knien im Gottesdienst
Die meisten Gläubigen knien beim Hochgebet. Was manche liturgisch falsch finden, ist ihnen Ausdruck der Frömmigkeit ist. Redakteurin Agathe Lukassek verteidigt das Knien gegen ihren Kollegen Roland Müller.
Liturgie | Bonn - 20.01.2018
Pro: Der Höhepunkt der Messe verdient eine besondere Haltung
Der Höhepunkt der Messe beginnt: Zum Hochgebet knie ich mich hin. Und ich sehe die zerknitterte Jacke der Person, die in der Reihe vor mir steht. Da bedarf es einiger Atemzüge und viel Geduld mit meinen Mitmenschen, um mich auf das Gebet zu konzentrieren und darauf, mir die erhobene Hostie und den Kelch nur in Gedanken vorzustellen. Vor allem, wenn die Person vor mir weder alt ist noch eine Knieverletzung zu haben scheint.
Im Messbuch ist vorgesehen, dass die Gläubigen sich zum Einsetzungsbericht hinknien. Ausnahmen: Platzverhältnisse, große Teilnehmerzahl "oder andere vernünftige Gründe", wozu ich Krankheit, Alter und Gestaltung des liturgischen Raums zähle. Es ist so schön, dass sich die Heilige Messe durch die vorgegebenen Gesten von einer Show oder einem Konzert unterscheidet, bei dem man sich hinsetzt und berieseln lässt. Der größte Teil findet im Stehen statt, der eigentlichen Haltung der Liturgie.
Aber die Wandlung ist noch einmal eine andere Hausnummer. Es ist eine reine Gebetshaltung – vor niemandem außer Gott würde ich mich hinknien. Wenn ich mich klein mache, merke ich, wie groß Gott ist und wie großartig es ist, dass er mich mit seiner Botschaft meint und mich liebt. Brot und Wein verwandeln sich in den Leib und das Blut von Jesus Christus – und zwar für uns Gläubige.
Ich ärgere mich übrigens auch über die lasche Kniepraxis in angeblich katholischeren Ländern wie Italien oder Polen, wo nur zu den Einsetzungsworten kurz gekniet wird: Noch mitten im Hochgebet steht die ganze Gemeinde wieder auf, nur weil der Priester den Kelch wieder abgestellt hat. Erst nach dem "Geheimnis des Glaubens", nachdem der Geistliche für die Kirche gebetet hat und "Durch ihn und mit ihm…" spricht, sollte man aufstehen – wie es in Deutschland üblich ist.
Für mich ist das Knien während der Wandlung die Geste, die sich richtig anfühlt. Und meistens auch das zweite Knien, wenn der Priester Kelch und Hostie hochhebt und "Seht das Lamm Gottes…" betet – auch wenn das vom Messbuch nicht vorgesehen ist. Von denen, die dennoch lieber stehen bleiben, wünsche ich mir etwas mehr Rücksicht – im wahrsten Sinne des Wortes. Was spricht dagegen, von links oder rechts die Kirchenbank an den Seiten aufzufüllen statt vom Mittelgang aus? Dann versperrt man als Stehender nicht all den Gläubigen, die hinter einem sind und während der Wandlung knien, die Sicht auf den Altar.
Contra: Stehen ist die liturgische Grundhaltung
"Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen." Bei diesen Worten aus dem 2. Hochgebet des Messkanons muss ich oft schmunzeln. Denn anstatt zu stehen, wie es im Gebet heißt, knien die meisten Gläubigen. Gebet und Körperhaltung passen hier eindeutig nicht zusammen. Zugegeben: Auch ich knie, wie die anderen. Doch eigentlich wäre es richtig, zu Hochgebet und Wandlung stehen zu bleiben.
Das Stehen ist die Grundhaltung der Liturgie. Auch wenn in einem katholischen Gottesdienst Sitzen und Knien ihre festen Plätze haben, ist es liturgisch nie falsch zu stehen – abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie der Anbetung, bei der man kniet. Doch beim Eucharistischen Hochgebet geht es nicht um die Anbetung des Allerheiligsten, sondern um das vom Priester in Stellvertretung der Gemeinde vorgetragene Gebet zu Gott. So hielten es auch die ersten Christen, die die Eucharistie stehend feierten. Noch heute kann man das in der orthodoxen Kirche sehen: Dort knien und sitzen die Gläubigen während der Liturgie nicht.
Das Knien in der Messe ist erst während des Mittelalters aufgekommen. Die Gläubigen verstanden die lateinische Sprache nicht mehr. Sie fühlten sich von der Feier der Liturgie ausgeschlossen, da die Priester die Messe mit dem Rücken zur Gemeinde zelebrierten. Da sich die Gläubigen nicht als Teil der Betenden verstanden, begannen sie während der Messe ihre privaten Gebete zu verrichten. Dafür knieten sie sich hin, denn das Knien ist die Haltung des persönlichen Gebets, nicht der gemeinschaftlichen Liturgie.
Doch mit der Liturgiereform des letzten Jahrhunderts wurde wieder klar: Für die Heilige Messe sind nicht nur die vorbetenden Priester wichtig, sondern alle Gläubigen. Durch die Taufe hat jeder Christ eine priesterliche Würde und einen festen Platz in der Liturgie. Das Stehen drückt diese Berufung der Laien besonders gut aus. Daher sollte das Knien, zumindest während des Hochgebets, der Vergangenheit angehören. Hier sind auch die deutschen Bischöfe gefordert, die bestimmen könnten, dass die Gläubigen während des Hochgebets stehen. Als gutes Beispiel kann ihnen Papst Franziskus dienen, wenn auch wohl aus gesundheitlichen Gründen: Er kniet sich nie hin und macht keine Kniebeugen, wenn er die Messe feiert.
Von Roland Müller
www.katholisch.de/…/pro-und-contra-…