Wiedereinführung des § 175 Strafgesetzbuch

Die bisherigen Vorbilder strafbewusster Rechtsordnung finden sich wie folgt:
Constitutio Criminalis Carolina von 1532
Straff der vnkeusch, so wider die natur beschicht[63]
116.
Item so eyn mensch mit eynem vihe, mann mit mann, weib mit weib, vnkeusch treiben, die haben auch das leben verwürckt, vnd man soll sie der gemeynen gewonheyt nach mit dem fewer vom leben zum todt richten.
Wikisource: Keyser Karls des fünfften: vnnd des heyligen Römischen Reichs peinlich gerichts ordnung – Quellen und Volltexte
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794
Zweyter Theil[64]
Zwanzigster Titel. Von den Verbrechen und deren Strafen. (§§ 1–1577)
Zwölfter Abschnitt: Von fleischlichen Verbrechen (§§ 992 ff.). Unnatürliche Sünden.
§ 1069. Sodomiterey und andre dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier nicht genannt werden können, erfordern eine gänzliche Vertilgung des Andenkens.
§ 1070. Es soll daher ein solcher Verbrecher, nachdem er ein- oder mehrjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied ausgestanden hat, aus dem Orte seines Aufenthalts, wo sein Laster bekannt geworden ist, auf immer verbannt, und das etwa gemißbrauchte Thier getödtet, oder heimlich aus der Gegend entfernt werden.
§ 1071. Wer jemanden zu dergleichen unnatürlichen Lastern verführt und mißbraucht, der ist doppelter Strafe schuldig.
§ 1072. Machen sich Aeltern, Vormünder, Lehrer oder Erzieher dieses Verbrechens schuldig: so soll gegen dieselben vier- bis achtjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied statt finden.
Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten vom 14. April 1851
Zweiter Theil.
Von den einzelnen Verbrechen und Vergehen und deren Bestrafung
Zwölfter Titel. Verbrechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit (§§. 139 bis 151)
§ 143 [65]
Die widernatürliche Unzucht59), welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren verübt wird, ist mit Gefängniß von sechs Monaten bis zu vier Jahren, sowie mit zeitiger Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte zu bestrafen.
Inkrafttreten: 1. Juli 1851; Stand: 30. April 1856
Erläuterungen dazu (1864)
59) Darunter ist die Sodomie gemeint. Dies ist jede Wollustbefriedigung, außer dem natürlichen Beischlafe zwischen Mann und Frau hervorgebracht. Der Begriff ist von Juristen gebildet; der Name ist genommen von Sodom und Gomorra, welche dieser Laster wegen zerstört wurden. Bei den Römern findet sich ein lex Catinia, von der nur das bekannt, daß sie gegen unnatürliche Fleischesverbrechen gerichtet war; alles nähere ist unbekannt, selbst der Name ist ungewiß. Die lex Jul. de adult. hat dieses Verbrechen nur höchste beschränkt aufgefaßt, nämlich nur von dem, was an einem Knaben von guter Familie verübt war. Wurde Gewalt an einem Manne in dieser Absicht gebraucht, so war die That unerlaubte Gewalt (vis). L. 5 D. de vi publ. Eine rechte Strafsanktion gegen dieses Verbrechen finden wir also im R. R. nicht, vielmehr finden wir dasselbe ungerügt. Erst seit konstantin ist gegen unnatürliche Wollustbefriedigung das Schwert verordnet. L. 31 C. ad I. Jul. de adult. Justitians Novelle 77 droht ebenfalls ultima supplicia. – Das kan. R. bestimmt Kirchenstrafen. Die P. G.O. Art. 116 hebt nur drei Arten der unnatürlichen Wollustbefriedigung hervor: mit einem thiere; mit einem Manne; Weib mit Weibe; und droht Feuerstrafe. Die deutsche Praxis dehnt aber diese Bestimmung auch auf andere Fälle aus und unterscheidet so sodomia propria und impropria; strafte aber die Fälle der letzteren nur willkürlich. Der §. 143 hat den dritten Fall der P. G.O. nicht aufgenommen und die Praxis nimmt an, daß auch die s. impropia nicht unter die Strafbestimmung falle. „Unter widernatürlicher Unzucht im Sinne des §. 143 ist die eigentliche Sodomie (sodomia propria) in ihren beiden Formen zu verstehen, nicht andere derartige Handlungen, namentlich nicht gegenseitige Onanie zwischen Personen männlichen Geschlechts.“ Br. des Obertr., S. f. Str.G., Nr. 48, vom 1. Juli 1853. (Entsch. Band XXVI, S. 403.)[65]
Fassung vom 15. Mai 1871 (Verkündung)
§ 175 StGB
Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.[66]
Wikisource: Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund 1870 (Fassung vom 31. Mai 1870; Bekanntmachung: 8. Juni 1870) – Quellen und Volltexte
(Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
Wikisource: Strafgesetzbuch 1871 (Fassung vom 15. Mai 1871; Bekanntmachung: 14. Juni 1871) – Quellen und Volltexte
Wikisource: Strafgesetzbuch 1876 (Fassung vom 26. Februar 1876; Bekanntmachung: 6. März 1876) – Quellen und Volltexte
Juristische Erläuterungen dazu (1913)
1. Sog. Päderastie, Bestialität, Sodomie; nicht die Tribadie (Unzucht zwischen Frauen)
2. Die widernatürliche Unzucht erfordert einen dem natürlichen Beischlaf ähnlichen Vorgang; immer muß das entblößte Glied des einen Täters den Körper des anderen berührt haben; dies braucht nicht entblößt gewesen zu sein.
3. Unter § 175 fällt auch, wer den Geschlechtsteil eines anderen in den Mund nimmt, nicht wechselseitige Onanie.
4. Es genügt, wenn einer der beiden die Befriedigung des Geschlechtstriebes anstrebt; doch ist auch der andere als Täter, nicht nur als Gehilfe strafbar. Die Befriedigung braucht nicht eingetreten zu sein, daß beide vorsätzlich gehandelt haben, ist nicht erfordert.
5. Auch bei der sodomia tarione generis ist ein beischlafähnlicher Akt erforderlich, daher nicht genügend, daß sich eine Frau den Geschlechtsteil von einem Hunde belecken laßt.
6. Idealkonkurrenz mit §§ 173, 174, 176, 178 möglich
7. Zuständig: Strafkammer[67]
Fassung vom 1. September 1935
§ 175[68] StGB
(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
(2) Bei einem Beteiligten, der zu Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.
§ 175a
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft:
1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben, oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
3. ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.
§ 175b
Die widernatürliche Unzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
Fassung ab 1949 (DDR)
§ 175 – Widernatürliche Unzucht[69]
Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§ 175 a – Schwere Unzucht zwischen Männern
Mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten wird bestraft,
1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich mit ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
3. ein Mann über einundzwanzig Jahren, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht missbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.
Man wird bei einer vorzunehmenden Neufassung nicht umhinkommen, erschwerend die inzwischen bekannten Gefahren gesellschaftspolitischer Verwerfungen zu berücksichtigen. So werden, wie schon jetzt in Russland, insbesondere jegliche Förderung der Sodomie strafbewehrt unterbunden werden müssen.
Angesichts der allgemeinen Verirrung, sind bisherige Untaten hingegen großzügig nachzusehen und einer möglichst allgemeinen Begnadigung zu unterwerfen.